Die Passion Jesu Christi/Einführung
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Aktuelle Version vom 5. Oktober 2011, 18:06 Uhr
Von John Piper
Über Der Tod Christi
Kapitel 0 des Buches Die Passion Jesu Christi
Übersetzung von Desiring God
Warum musste Jesus Christus so sehr leiden? Die Antwort darauf werden wir nie finden, wenn wir nicht über unseren beschränkten menschlichen Horizont hinausgehen. Auf die Frage, wer Jesus ans Kreuz brachte, gibt es letztlich nur eine Antwort: Gott tat es. Dieser Gedanke verschlägt uns den Atem, denn Jesus war Gottes Sohn und sein Leiden einzigartig. Die ganze Botschaft der Bibel jedoch lässt nur diese Schlussfolgerung zu.
Inhaltsverzeichnis |
GOTT BEABSICHTIGTE ES, ZUM GUTEN ZU WENDEN
Der hebräische Prophet Jesaja sagte: »Doch dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen. Er hat ihn leiden lassen« (Jesaja 53,10). Im Neuen Testament der Christen steht: »Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?« (Römer 8,32). »Ihn hat Gott dargestellt zu einem Sühneort durch den Glauben an sein Blut« (Römer 3,25).
Wie lässt sich diese göttliche Tat in Zusammenhang bringen mit der mörderischen Bosheit derer, die Jesus töteten? Die Bibel beantwortet diese Frage mit einem Gebet der Frühkirche:
Denn in dieser Stadt versammelten sich in Wahrheit gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, sowohl Herodes als Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels, alles zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss vorherbestimmt hat, dass es geschehen sollte (Apostelgeschichte 4,27-28).
Das Ausmaß dieser göttlichen Souveränität verschlägt uns den Atem. Aber sie ist der Schlüssel zu unserer Rettung. Gott plante alles und benutzte böse Menschen, um uns etwas Großartiges und Gutes zu schenken. Eine Aussage der jüdischen Thora bringt es in einer vergleichbaren Situation auf den Punkt: »Sie meinten es böse, aber Gott beabsichtigte es, zum Guten zu wenden« (1. Mose 50,20).
Und weil Gott Gutes beabsichtigte, muss man von menschlichen Erklärungen absehen und nach dem göttlichen Zweck fragen. Bei Jesu Tod geht es nicht um die Frage der Täterschaft, sondern um das Ziel – dem eigentlichen Sinn. Die Menschheit hat vielleicht ihre Gründe, Jesus aus dem Weg zu schaffen. Aber nur Gott kann daraus etwas Gutes schaffen. Tatsache ist: Gottes Ziele für die Welt mit dem Tod Jesu sprengen unsere Vorstellungskraft.
Ich kratze mit diesem kleinen Buch nur an der Oberfläche, wenn ich Ihnen fünfzig Absichten Gottes aufzeige. Ich hoffe, dass diese Hinweise Sie dazu anregen, sich immer wieder neu auf die Suche zu machen, um herauszufinden, welchen großartigen Plan Gott mit dem Tod seines Sohnes verfolgte.
WAS BEDEUTET DAS WORT »PASSION«?
Das Wort Passion lässt uns an mindestens drei Dinge denken: an Leidenschaft, an ein Oratorium von J. S. Bach, und an die Leiden Jesu Christi. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Leiden. In diesem Sinne benutze ich es hier – die Leiden und der Tod Jesu Christi. Aber es bezieht sich auch auf alle anderen Passionen. Eine bis zum Äußersten gehende Leidenschaft, eine Inspirationsquelle der Musik.
WARUM WAR JESU LEIDEN EINZIGARTIG?
Warum hat das Leiden und die Hinrichtung eines Mannes, der als Aufrührer gegen den römischen Thron für schuldig erklärt und verurteilt wurde, in den darauf folgenden drei Jahrhunderten eine Kraft des Leidens und der Liebe entfesselt, die das Römische Reich veränderte und die Welt auch heute noch beeinflusst? Die Antwort ist: Das Leiden Jesu war absolut einzigartig und mit seiner Auferstehung von den Toten drei Tage später bestätigte Gott das, was durch seinen Tod erreicht worden war.
Sein Leiden war einzigartig, weil er mehr als ein gewöhnlicher Mensch war. Er war, wie das alte Nizänische Glaubensbekenntnis belegt, »wahrer Gott vom wahren Gott«. Das ist das Zeugnis derer, die ihn kannten und von ihm inspiriert wurden, zu bezeugen, wer er ist. Der Apostel Johannes nannte Christus »das Wort« und schrieb: »Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dies war im Anfang bei Gott. Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist; … Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit« (Johannes 1,1-3.14).
Abgesehen von seiner Gottheit blieb er in seinem Leiden völlig unschuldig. Nicht nur unschuldig hinsichtlich der Anklage der Gotteslästerung, sondern aller Sünden. Einer seiner engsten Jünger schrieb: »Der keine Sünde getan hat, noch ist Trug in seinem Mund gefunden worden« (1. Petrus 2,22).
Zu dieser Einzigartigkeit kommt auch noch hinzu, dass ohne seine Einwilligung niemand seinen Tod hätte herbeiführen können. Eine der unglaublichsten Aussagen, die Jesus jemals über seinen Tod und seine Auferstehung machte, war: »Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, um es wieder zu nehmen. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Vollmacht, es zu lassen, und habe Vollmacht, es wieder zu nehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen « (Johannes 10,17-18). Die Streitfrage, wer Jesus tötete, ist unwichtig. Er entschied sich, zu sterben. Sein Vater bestimmte es. Der Sohn nahm es an.
SEIN LEIDEN WURDE DURCH DIE AUFERSTEHUNG BESIEGELT
Aufgrund dieses beispiellosen Leidens hat Gott Jesus von den Toten auferweckt. Es geschah drei Tage später. Am frühen Sonn-tagmorgen ist er von den Toten auferstanden. Bevor er in den Himmel aufgenommen wurde, erschien er vierzig Tage lang viele Male seinen Jüngern (Apostelgeschichte 1,3).
Nur langsam fingen die Jünger an zu glauben, dass es Wirk-lichkeit war. Sie waren keine leichtgläubigen Spinner. Sie standen mit beiden Beinen im Leben. Sie wussten, dass Menschen nicht von den Toten auferstanden. Einmal hatte Jesus darauf bestanden, etwas zu essen, um ihnen zu beweisen, dass er kein Geist war (Lukas 24,39-43). Das war keine Wiederbelebung einer Leiche. Es war die Auferstehung des Menschensohnes in ein unzerstörbares neues Leben hinein. Die frühe Kirche feierte ihn als Herrn des Himmels und der Erde. Sie sagten: »Er, der Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und Abdruck seines Wesens ist und alle Dinge durch das Wort seiner Macht trägt, hat sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt, nachdem er die Reinigung von den Sünden bewirkt hat« (Hebräer 1,3). Jesus hatte die Aufgabe, die Gott ihm gegeben hatte, vollendet, und die Auferstehung war der Beweis, dass Gottes Ansprüche erfüllt waren. In diesem Buch geht es darum, was Jesus und sein Leiden für die Welt bewirkt hat.
IST DAS KREUZ DIE »PFAHLWURZEL« DER KZS?
Es ist eine Tragödie, dass die angeblichen Nachfolger Christi Judenfeindlichkeit und brutale Kreuzzüge gegen Muslime ausgelöst haben. Wir Christen schämen uns unserer Vorfahren, die nicht im Geiste Christi handelten. Es sind zweifellos auch in unseren Seelen noch Spuren dieser Seuche vorhanden. Aber echter christlicher Glaube – der völlig anders ist als unsere westliche Kultur, und den man in vielen christlichen Kirchen gar nicht findet – verzichtet auf Gewalt, um Religion zu verbreiten.
Jesus sagte: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt; wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft« (Johannes 18,36). Der Weg des Kreuzes ist ein Weg des Leidens. Christen sind nicht berufen, zu töten, sondern zu sterben, um der Welt zu zeigen, wie sehr Christus sie liebt.
Heute weist diese Liebe, egal was es kostet, alle Menschen de-mütig und unerschrocken auf Christus hin, als den einzig rettenden Weg zu Gott. »Jesus spricht zu ihm: ›Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich‹« (Johannes 14,6). Im Klartext heißt das aber:
Es ist unchristlich, sowohl andere Menschen zu demütigen als auch zu verachten, zu verhöhnen oder hochmütig zu verfolgen und fertig zu machen. Weder Pogrome noch Kreuzzüge und Konzentrationslager sind christlich. Das alles war und ist, um es ganz einfach auszudrücken, schrecklich und Ungehorsam gegenüber Jesus Christus.
Im Gegensatz zu vielen seiner Nachfolger war er sanftmütig und betete am Kreuz: »Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« (Lukas 23,34). Das Leiden Jesu Christi ist das wichtigste Ereignis der Geschichte und das explosivste politische und persönliche Thema des 21. Jahrhunderts. Zu leugnen, dass Jesus gekreuzigt wurde, ist wie die Lüge, dass der Holocaust nie stattgefunden habe. Manche wollen diese schrecklichen Tatsachen einfach nicht zugeben. Jesus Christus hat unbeschreiblich viel gelitten. Die Juden haben beispielloses Leid durchlitten. Ich bin nicht der Erste, der Golgatha und die Konzentrationslager in Verbindung bringt – das Leiden Jesu Christi und das Leiden des jüdischen Volkes.
In seinem Herz zerreißenden Buch Die Nacht, das das Gewissen wachrüttelt und einem die Sprache verschlägt, erzählt Elie Wiesel, was er als Teenager mit seinem Vater in den Konzentrationslagern von Auschwitz, Buna und Buchenwald erlebt hat. Sie standen immer unter der Gefahr der »Auslese« – das Aussondern der Schwachen, die getötet und in den Öfen verbrannt wurden. An einem Punkt stellt Wiesel eine Verbindung zwischen Golgatha und den Lagern her. Er erzählt von einem alten Rabbiner namens Akiba Drumer.
Akiba Drumer war ein Opfer der Auslese geworden und hatte uns verlassen. In der letzten Zeit war er mit glasigen Augen umhergewandert und hatte jedem von seiner Schwäche erzählt: »Ich kann nicht mehr … Es ist vorbei mit mir …« Es war unmöglich, ihn aufzumuntern. Er hörte nicht mehr, was man zu ihm sagte. Er wiederholte nur, dass für ihn alles aus sei, dass er den Kampf nicht mehr durchhalten könne, dass ihm weder die Kraft noch der Glaube geblieben sei. Seine Augen wurden mit einem Mal leer, sie waren nur noch zwei offene Wunden, zwei Brunnen des Entsetzens.[1]
Dann macht Wiesel folgende provozierende Bemerkung: »Armer Akiba Drumer! Hätte er sich seinen Glauben an Gott bewahren, hätte er in diesem Kreuz, dass er tragen musste, eine Prüfung Gottes sehen können, er wäre nicht ein Opfer der Auslese geworden.«[2]
Ich möchte nicht so anmaßend sein, Elie Wiesel etwas in den Mund zu legen. Ich bin nicht sicher, was er meinte. Aber mir drängt sich die Frage auf: Besteht ein Zusammenhang zwischen Golgatha und dem Konzentrationslager? Ich denke an den Sinn Ich möchte nicht so anmaßend sein, Elie Wiesel etwas in den Mund zu legen. Ich bin nicht sicher, was er meinte. Aber mir drängt sich die Frage auf: Besteht ein Zusammenhang zwischen Golgatha und dem Konzentrationslager? Ich denke an den Sinn
Letztendlich weiß Jesus ganz sicher, was in der »einen langen Nacht«[3] des jüdischen Leidens geschah. Und vielleicht wird nur die jüdische Generation, deren Großeltern den Holocaust ertragen mussten, wie keine andere fähig sein, zu verstehen, was mit Gottes Sohn auf Golgatha geschah.
Ich lasse die Frage im Raum stehen – es ist zu schrecklich. Ich weiß es nicht. Aber eins weiß ich: Diese angeblichen »Christen«, die diese KZ-Lager bauten, haben nie die Liebe kennen gelernt, die Jesus Christus nach Golgatha getrieben hat. Statt zu töten, um eine Kultur zu retten, starb er, um die Welt zu retten. Aber es gibt einige Christen – wahre Christen – die den Sinn hinter Jesu Leiden erkannt haben und die durch sein Leiden zerbrochen sind und demütig wurden. Kann es sein, dass sie, mehr als viele andere, fähig sind und zumindest anfangen, das Leiden des jüdischen Volkes zu ergründen?
Wie ist es zu begreifen, dass manche Christen antisemitisch gewesen sind? Jesus und alle seine Jünger waren Juden. Menschen aller Volksgruppen Israels waren an seiner Kreuzigung beteiligt (nicht nur Juden), und Menschen aus allen Gruppen waren dagegen (auch Juden). Gott selbst war Hauptakteur beim Tod seines Sohnes. Deshalb soll man nicht danach fragen, wer Jesus getötet hat, sondern was der Menschheit durch diesen Tod geschenkt wurde – auch den Juden und den Moslems und den Buddhisten und den Hindus und den nichtreligiösen Menschen – allen Menschen der Erde.
Nachdem alles gesagt und getan ist, bleibt die entscheidende Frage: Warum? Warum litt und starb Christus? Wir wollen nicht nach der Ursache, sondern nach dem Zweck fragen. Was hat Christus durch sein Leiden erreicht? Warum musste er soviel leiden? Welche großartiges Werk geschah auf Golgatha für die Welt?
Dieses Thema wird auf den weiteren Seiten dieses Buches behandelt. Ich habe aus dem Neuen Testament fünfzig Gründe gesammelt, warum Christus litt und starb. Nicht fünfzig Ursachen, sondern fünfzig Ziele. Genauso wichtig, wie die Frage nach der Täterschaft, ist die Frage: Was hat Gott für uns Sünder erreicht, als er seinen Sohn sandte, der für uns starb? Dem wenden wir uns jetzt zu.