Souveräne Gnade

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Version vom 20. Oktober 2009, 17:45 Uhr

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Von C.J. Mahaney Über Prädestination und Wahl

Übersetzung von André Pawlitzki

„Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war“ (Epheser 1,4).


Erste Eindrücke

James Cantelon beschreibt seine bewegende Erinnerung an seine Bekehrung wie folgt:

„‚Erste Eindrücke sind bleibende Eindrücke‘, sagt der Volksmund, und in den meisten Fällen erweist sich das auch als wahr. Ich erinnere mich bis heute an meinen ersten Eindruck von Gott. Alles geschah auf einem verstaubten alten Kirchencamp in Saskatchewan/Kanada. Damals war ich fünf Jahre alt.
In jenen Tagen fanden unsere Gottesdienste immer in Camp- Kirchen statt. An einem besonders heißen Tag waren meine Eltern in der Kirche für Erwachsene, während ich mich mit anderen in der Kinderkirche befand. Die Sonntagsschullehrerin erzählte uns von John Bunyans Pilgerreise. Während der Lektion spürte ich eine innere Ergriffenheit.
Nach der Sonntagsschule verschwanden die anderen Kinder zum Spielen in der Sonne, aber ich blieb zurück. Die Lehrerin, Miss Brown, schien schon zu wissen, warum.
‚Kann ich dir helfen, Jimmy?‘, fragte sie einfühlsam. Ich nickte nur, biss mir auf meine mittlerweile zitternden Lippen, während sich meine Augen mit Tränen füllten.
‚Lass uns nach hinten zum Beten gehen‘, sagte sie. Ich kann gar nicht richtig beschreiben, was dann passierte … Nur so weit: Schon als Fünfjähriger fühlte ich mich plötzlich als der schlimmste Sünder auf Gottes Erdboden. Das Bewusstsein meiner Sünde erdrückte fast mein kleines Herz. Im Gebet bekannte ich meine Sünden und empfand danach eine geradezu unaussprechliche Freude. Ich spürte, dass diese neu entdeckte Last von mir genommen wurde. Die Gegenwart Gottes überwältigte mich. Ohne dass ich nach Ihm gesucht oder nach Ihm gefragt hatte, selbst ohne die Erkenntnis, dass ich Ihn brauchte, kam Gott suchend zu mir, fragte nach mir – einem fünfjährigen Jungen.“[1]
„Als ich auf dem Weg zu Christus war, dachte ich, ich würde es ganz allein tun, und obwohl ich den Herrn ernstlich suchte, hatte ich keine Ahnung, dass er mich suchte. Ich glaube nicht, dass ein Jung-Bekehrter sich dessen bewusst ist. Ich kann noch den Tag und die Stunde

nennen, als ich zum ersten Mal diese Wahrheiten in mir selbst begriff – als sie, wie John Bunyan es sagt, in mein Herz eingebrannt wurden wie mit einem heißen Eisen, und ich erinnere mich, dass ich den Eindruck hatte, in einem Augenblick vom Baby zum erwachsenen Mann gewachsen zu sein. Ich hatte einen Fortschritt im biblischen Wissen gemacht, als ich ein für allemal herausgefunden hatte, was der Schlüssel für die Wahrheit Gottes ist.

An einem Wochentag saß ich abends im Haus Gottes. Ich dachte nicht sehr viel nach über das, was der Prediger sagte, denn ich glaubte es nicht. Der Gedanke traf mich: ‚Wie bist du ein Christ geworden?‘ Ich habe den Herrn gesucht. ‚Aber wie bist du darauf gekommen, den Herrn zu suchen?‘ In diesem einzigen Augenblick leuchtete die Wahrheit in mir auf – ich hätte ihn nicht gesucht, wenn er nicht schon vorher meine Gedanken beeinflusst hätte, indem er mich dazu brachte, ihn zu suchen. Ich betete, so dachte ich, aber dann fragte ich mich: Wie kam ich dazu, zu beten? Ich wurde durch die Heilige Schrift zum Beten ermuntert. Wie kam ich dazu, die Heilige Schrift zu lesen? Ich las sie, aber was hatte mich dazu gebracht? Da, in einem Augenblick, sah ich, dass Gott der Urgrund aller Dinge ist, dass er der Urheber meines Glaubens war, und so öffnete sich die ganze Lehre der Gnade vor mir. Von dieser Zeit an habe ich nicht von ihr gelassen, und ich möchte, dass dies immer mein beständiges Bekenntnis ist: ‚Ich verdanke meine ganze Veränderung nur Gott.‘“

– Charles Spurgeon[2]


Erste Eindrücke sind bleibende Eindrücke. James Cantelons Beschreibung seiner Bekehrung offenbart etwas: Gott kam zu mir. Wie verstehst du deine Bekehrung? Wer suchte und fand wen? Ist Gott auch zu dir gekommen? Oder scheint es eher so, dass du Gott gesucht hättest? Was hat für dich am meisten Bedeutung: Gottes Initiative und Sein Eingreifen oder deine Buße und dein Glaube?

Dies sind nicht nur akademische Fragen. Ein Christ, der den wahren Grund seiner Bekehrung missversteht oder falsch deutet, neigt zu Gesetzlichkeit, Stolz, falschem Selbstbewusstsein, Undankbarkeit, Verdammungsgefühlen und einem Mangel an Heilsgewissheit. Doch wenn wir den wahren Grund unserer Bekehrung verstehen – das heißt, wenn wir klar die Rolle von Gottes souveräner Gnade in der Erwählung erkennen –, fangen wir an, die wunderbaren, lebensverändernden Wohltaten, die uns durch das Evangelium zuteilwerden, mehr und mehr zu genießen.

Aus unserer Tiefe

Die Erwählung ist natürlich ein Lehrthema, bei dem wir uns theologisch gesehen in tiefes Wasser begeben. Sobald wir diese Wahrheit

An einem Wochentag saß ich abends im Haus Gottes. Ich dachte nicht sehr viel nach über das, was der Prediger sagte, denn ich glaubte es nicht. Der Gedanke traf mich: ‚Wie bist du ein Christ gewor- Souveräne Gnade und das herrliche Geheimnis der Erwählung 5 entdecken, müssen wir erkennen, dass sie unseren Verstand übersteigt. Sie ist ein Geheimnis, das Hunderte von Fragen aufwirft, die alle in einer Frage gipfeln: Wie bringe ich göttliche Souveränität und menschliche Verantwortung in Einklang?

In Bezug auf das theologische Geheimnis hat mir ein Zitat von J. Rodman Williams sehr geholfen: „Da sich die gesamte christliche Lehre auf Gott bezieht, der letztlich unseren Verstand übersteigt, wird notwendigerweise ein Element des Geheimnisvollen oder der Transzendenz bleiben, das jenseits der menschlichen Erkenntnisfähigkeit liegt. Trotzdem sollte theologische Forschung innerhalb dieser Grenzen weiterhin erfolgen.“[3]

Und tatsächlich hat Gott sich wie folgt in Seinem Wort festgelegt: „Was verborgen ist, ist des Herrn, unseres Gottes; was aber offenbart ist, das gilt uns und unsern Kindern ewiglich, dass wir tun sollen alle Worte dieses Gesetzes“ (5. Mose 29,28).

Als einer, der seine Nase gern in Geheimnisse steckt, reagiert mein Stolz empört auf eine solche Aussage. Aber um mich Demut zu lehren, hat Gott es so geführt, dass ich in der Nähe von Washington DC leben darf. Unter meinen Gemeindemitgliedern gibt es eine ganze Anzahl, die aufgrund ihrer Jobs bei der amerikanischen Regierung Geheimnisträger sind. Und manchmal, wenn ich mit solchen Menschen rede, erheben sich mein Stolz und meine Selbstherrlichkeit, und ich sehne mich danach, ein wenig in ihre Staatsgeheimnisse eingeweiht zu werden. Warum teilen sie mir nicht etwas von ihrem Wissen mit? Können sie mir nicht vertrauen? Können sie nicht einmal bei ihrem Pastor eine Ausnahme machen? Doch zu ihrer Entlastung muss ich sagen, dass sie bislang meine stolze Neugier nie befriedigt haben. Meist geben sie gar nicht zu, dass sie um Staatsgeheimnisse wissen.

Ich kann mich Gott gegenüber ähnlich verhalten. Ich beknie Ihn, mir ein geistliches Geheimnis aufzuschließen, und bin so arrogant, anzunehmen, dass eine solch göttliche Offenbarung meinen Verstand nicht weit übersteigen würde. Doch in Seiner Güte, Weisheit und Gnade gibt Gott nichts von Seinen Geheimnissen preis.

Wie fühlst du dich im Hinblick auf Gottes Geheimnisse? Wie gehst du um mit der Schwierigkeit, Dinge zu begreifen? Dem Paradox? Dem scheinbaren Widerspruch? Kannst du im tiefen Wasser der Theologie zur Ruhe kommen? In der Schrift setzt Gott die göttliche Souveränität neben die menschliche Verantwortung, ohne beide menschlich zu harmonisieren. Doch in Seiner unendlichen Weisheit können beide nebeneinander existieren. Dieses Wissen sollte uns genügen.

John Calvin gibt uns diesbezüglich einen weisen Rat:

„Das Thema der Vorherbestimmung, das in sich selbst eine Menge Schwierigkeiten birgt, wird noch verwirrender und damit gefährlich durch die menschliche Neugier, die sich nicht abhalten lässt, auf verbotenen Pfaden zu wandeln … Die Geheimnisse Seines Willens, die bekannt werden sollen, hat Gott in Seinem Wort offenbart. Diese Offenbarung ist zu unserem Besten und Wohlergehen. Darum sollten wir prinzipiell keine andere Erkenntnis der Vorherbestimmung herbeisehnen als die, die Er in Seinem Wort dargelegt hat. Denn das würde bedeuten, dort zu gehen, wo kein Pfad ist, oder Licht in der Dunkelheit zu suchen … Die beste Regel ist es daher, nicht nur zu lernen, wohin Gott führt, sondern auch dort aufzuhören, nach Weisheit zu streben, wo Er keine Erleuchtung mehr schenkt.“[4]

Ich glaube, dass geistliche Reife ein Wachstumsprozess ist, in dem man mehr und mehr mit den Geheimnissen Gottes zur Ruhe kommt, ebenso wie auch das Vertrauen in Gott wächst. Dann können wir mit David sagen: „O Herr, mein Herz ist nicht hochmütig, und meine Augen sind nicht stolz; ich gehe nicht mit Dingen um, die mir zu groß und zu wunderbar sind“ (Psalm 131,1; Sch2000).

Obwohl man in Christus wächst, werden Gottes Geheimnisse nicht weniger. Aber dann sollten wir sie in Demut akzeptieren, damit wir in der Gegenwart göttlicher Geheimnisse zur Ruhe finden. Möge es groß und wunderbar genug für uns werden, dass die Lehre der Erwählung festen Boden besitzt und klar aus der Schrift hervorgeht. 5 Mach dir also keine falschen Hoffnungen. Diese Abhandlung wird keine bislang ungeklärten Fragen beantworten und Geheimnisse lüften. Sie wird auch nicht versuchen, Dinge in eine Reihenfolge zu bringen, die für unseren menschlichen Verstand keine Reihenfolge ergeben. Und ganz sicher wird sie nicht das Element des Unbekannten aus der Lehre der Erwählung entfernen. Denke daran, dass selbst die begabtesten und klügsten Köpfe in der Kirchengeschichte es nicht geschafft haben, die Tiefen der Erwählung aus-

5 Anthony Hoekema. Saved by Grace. Eerdmans: Grand Rapids, MI, 1989. S. 3 und 7. „Nicht der Mensch entscheidet, ob er von seinen Sünden gerettet wird oder nicht, sondern die souveräne Gnade Gottes, obwohl die menschliche Entscheidung eine signifikante Rolle in diesem Prozess spielt. Wir müssen daher beides betonen, sowohl Gottes Souveränität als auch die menschliche Verantwortung; sowohl Gottes freie Gnadenwahl als auch unsere aktive Teilnahme am Prozess der Errettung. Wir werden der Lehre der Bibel nur gerecht, wenn wir an beiden Seiten dieses scheinbaren Gegensatzes festhalten. Aber weil Gott der Schöpfer ist und wir Seine Geschöpfe sind, gebührt Ihm die Priorität. Deshalb müssen wir daran festhalten, dass der entscheidende Faktor im Prozess unserer Errettung Gottes souveräne Gnade ist.“ – Anthony Hoekema5 8 Sovereign Grace Perspektiven Ein paar Klarstellungen zum Anfang: Bevor wir in die herrliche Lehre der Erwählung einsteigen, müssen die folgenden Punkte klargestellt werden, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen. 1) Weil göttliche Souveränität und menschliche Verantwortung in der Bibel parallel zueinander stehen, müssen wir beides lehren. Dabei liegt aber der Schwerpunkt der Heiligen Schrift auf der Erwählung, der Souveränität Gottes bei der Errettung. 2) Die Bewegung Sovereign Grace Ministries definiert sich nicht über die Lehre der Erwählung – obgleich diese lebenswichtig ist –, sondern über das Evangelium. Die Erwählung spielt eine entscheidende Rolle in Bezug auf das Evangelium von der Gnade. Sie schützt und bewahrt es, ist aber nicht einfach synonym mit dem Evangelium. Das Evangelium ist die Person und das Werk Jesu Christi. Wir sind gerettet, indem wir Ihm und Seinem vollbrachten Werk vertrauen. „Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift“ (1. Korinther 15,3- 4). Wir verkündigen die Erwählung nicht leidenschaftlicher als das Evangelium. Die Erwählung ist eine lebenswichtige Lehre, aber das Evangelium als Ganzes steht an erster Stelle. 3) Ein Mensch muss nicht an die Lehre der Erwählung glauben, sie verstehen oder mit ihr übereinstimmen, um errettet zu werden. Eine rettende Beziehung zu Gott erfordert eine bußfertige Abkehr von der Sünde und ein Vertrauen allein auf Christus, welches allein aus Gnade und allein durch Glauben geschieht. Obwohl die Lehre von der Erwählung wichtig ist und ein falsches Verständnis von ihr negative Konsequenzen haben kann, ist der Glaube daran nicht heilsnotwendig. 4) Die Lehre der Erwählung ist für Christen, nicht für Ungläubige. Deshalb sollte sie nicht Gegenstand bei evangelistischen Bemühungen sein. Der Theologe Bruce Milne hat klargestellt, dass die Lehre der Erwählung „kein Aspekt des Evangeliums ist, den ein Christ einem Ungläubigen ans Herz legt. Sie sollte nicht den universellen Aufruf bei ei- Souveräne Gnade und das herrliche Geheimnis der Erwählung 9 ner Evangelisation hemmen.“* Der englische Reformator John Bradford sagte: „Ein Mensch soll erst einmal die Grundschule des Glaubens und der Buße besuchen, bevor er sich auf die Universität der Erwählung und Vorherbestimmung begibt.“** 1 2 5) Unsere Einheit mit Christen außerhalb von Sovereign Grace Ministries erfordert nicht, dass diese voll mit der Lehre von der Erwählung übereinstimmen. Wir stimmen da folgenden Worten von Charles Spurgeon zu: „Wir reichen jedem Menschen, der den Herrn Jesus Christus liebt, die Hand, egal, woher er kommt oder wie er sich nennt. Die Lehre von der Erwählung ist, wie der Akt der Erwählung selbst, nicht dazu da, zwischen Israel und Israel, also den Christen unterschiedlicher Denominationen, Trennung herbeizuführen, sondern zwischen Israel und Ägypten, also den Christen und den Ungläubigen, nicht zwischen Heiligen und Heiligen, sondern Heiligen und den Kindern dieser Welt. Ein Mensch mag zwar of-

Varsity: Leicester, England, 1982. S. 183.

History, Issue 38. fensichtlich zu Gottes erwählter Familie gehören, aber dabei doch nicht an die Lehre von der Erwählung glauben, obwohl er erwählt ist. Ich bin überzeugt, dass noch viele zur Errettung berufen sind, die aber nicht an einen wirksamen Ruf glauben, und dass es noch viel mehr sind, die den Glauben bis ans Ende bewahren, die aber nicht an die Lehre des Ausharrens bis zum Ende glauben. Wir hoffen, dass die Herzen vieler Menschen sehr viel aufrichtiger sind als ihr Verstand. Deshalb schreiben wir ihre Fehlschlüsse nicht einer willentlichen Rebellion gegen die Wahrheit, wie sie in Jesus zu finden ist, zu, sondern einfach einem falschen Urteilsvermögen, das wir Gott zu berichtigen bitten. Wir hoffen, dass sie uns dieselbe christliche Höflichkeit erweisen, wenn sie der Meinung sind, dass wir falsch liegen. Doch wenn wir uns gemeinsam ums Kreuz versammeln, hoffen wir, dass jeder spürt, dass wir eins in Christus sind.“***3

vs. Hyper-Calvinism. Banner of Truth: Carlisle, PA, 1995. S. 111-112. 10 Sovereign Grace Perspektiven zuloten, egal wie tief sie sich in dieses theologische Wasser begeben haben. Und weit über ihnen schwimme ich mit meinen dürren Beinen an der Oberfläche und trete verzweifelt Wasser, damit ich nicht versinke. Das herrliche Geheimnis Epheser 1,4 ist die zentrale Textstelle, um ein biblisches Verständnis über die eigene Bekehrung zu erlangen. Und obwohl es sich hier nicht um die einzige Stelle über die göttliche Erwählung handelt, ist dieses Schriftwort ganz klar, besitzt Autorität und reicht für unsere jetzige Absicht aus. Trotz eines gewissen Geheimnisses tritt in dieser Stelle eine Klarheit zutage, die der menschliche Verstand begreifen kann. Dieser Vers erklärt nämlich, was wirklich bei unserer Bekehrung geschehen ist: das Inkrafttreten einer göttlichen Auswahl, die schon vor aller Ewigkeit getroffen wurde. Dieser Vers sagt uns, dass unsere Versetzung vom Tod zum Leben, vom Sünder zum Heiligen, von einem Objekt des Zorns zu einem Objekt der Gnade ausschließlich und komplett das Ergebnis souveräner Gnade ist. Oder hast du einen anderen ersten Eindruck von deiner Bekehrung? Sollte das der Fall sein, lass dich von der Wahrheit zurechtbringen: Er erwählte uns in Ihm vor Grundlegung der Welt. In diesem Vers lässt Paulus uns hinter die Kulissen blicken. Er wendet unseren Blick ab von unserer begrenzten, persönlichen Er- „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir, heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Souveräne Gnade und das herrliche Geheimnis der Erwählung 11 fahrung und hin auf den souveränen Gott, der seit Ewigkeit regiert. Inspiriert vom Heiligen Geist möchte Paulus eines klarstellen: die Errettung fließt aus der göttlichen Erwählung. Jede Bekehrung, egal in welcher Region und in welchem Land, wurde allein von der souveränen Gnade bewirkt. Mit Epheser 1,4 als Leitwort konzentrieren wir uns nun auf das, was bezüglich dieser Lehre klar und sicher ist. Lasst uns die Herrlichkeit der Erwählung erforschen, damit wir in den vollen Genuss dessen kommen, was Gott beabsichtigt. Er erwählte uns in Ihm Wenn wir diesen Satz betrachten, sollten wir das im Zusammenhang mit den Versen 3 bis 14 tun, weil diese im Griechischen als ein einziger Satz erscheinen. Die Aussage beginnt damit, dass Paulus die geistlichen Segnungen feiert: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus“ (Epheser 1,3). Dann beschreibt er eine Fülle von Segnungen, beginnend mit dem Faktum: Er erwählte uns! Die Wirkung dieses ersten Segens wird später in der Textpassage wieder aufgenommen, in Worten wie „vorherbestimmt“, „Sohnschaft“, „Erlösung“ und „Vergebung“. Paulus ergründet hier das Wunder unserer unverdienten Errettung. Wir lernen aus diesem Textabschnitt, dass die göttliche Auswahl unserer menschlichen Reaktion zuvorkam. Im Licht meiner Sündhaftigkeit, meiner abgrundtiefen Verdorbenheit und Feindschaft gegen Gott muss ich mit Charles Spurgeon bekennen: „Ich glaube der Lehre der Erwählung, weil ich mir sicher bin, dass ich Gott nie erwählt hätte, wenn Er mich nicht zuvor erwählt hätte. Erden ist. In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens; damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit - in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, daß wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.“ Epheser 1,3-14 12 Sovereign Grace Perspektiven Ich bin mir sicher, dass Er mich vor meiner Geburt erwählt hat, denn sonst hätte Er mich später niemals erwählt. Und Er muss mich aus Gründen, die mir unbekannt sind, erwählt haben, denn in mir selbst sehe ich keinen Grund, warum Er mir mit besonderer Liebe hätte begegnen sollen.“6 Wenn du dieses Zitat liest, kannst du es innerlich bestätigen? Kannst du diese Worte bejahen? Erkennst du, dass Gott dich erwählt hat und nicht du Ihn? Und begreifst du, dass Er dich erwählt hat, nicht weil du etwas Besonderes warst oder bist oder sein wirst – sondern einfach aus Seiner Ihm eigenen Gnade? Wenn du mit Spurgeons Aussage noch nicht übereinstimmst, unterliegst du vielleicht dem allgemeinen Missverständnis gegenüber der Natur der Erwählung, das so brillant in einer Anekdote von Mark Webb erzählt wird. Alles begann, als dieser eine Sonntagsschul-Klasse unterrichtete: „Nachdem ich einen kurzen Überblick über die Lehre der souveränen Gnade Gottes gegeben hatte, forderte ich die Klasse auf, Fragen zu stellen. Eine Frau7 war besonders aufgebracht. ‚Das ist das Schrecklichste, was ich je gehört habe‘, sagte sie. ‚Bei Ihnen klingt das so, als ob Gott mit voller Absicht Menschen abweist, die errettet werden würden, und stattdessen nur die Erwählten annimmt.‘ Ich antwortete ihr Folgendes: ‚Sie missverstehen die Situation. Sie sehen vor Ihrem geistlichen Auge einen Gott, der wie ein Türsteher an der Himmelstür steht, an der sich die Menschen drängen, um in den Himmel hineinzukommen. Und Er wählt Einzelne aus, die hereinkommen 6 Charles Spurgeon. Zitiert in: Table Talk, September 8, 1994. 7 In vielen Ländern gibt es nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene am Sonntag „Sonntagsschule“ (Anm. d. dt. Hrsg.). Das Verb „erwählen“ bedeutet „jemanden aussondern“ oder „herauslesen“. Die biblische Lehre der Erwählung besagt, dass Gott schon vor der Schöpfung aus dem Menschengeschlecht, dessen Fall Er vorhersah, diejenigen aussonderte, die Er in Christus erlösen, zum Glauben bringen, rechtfertigen und verherrlichen wollte. Die göttliche Auswahl ist ein Ausdruck freier, souveräner Gnade, rückhalt- und bedingungslos, und diejenigen, denen sie zuteilwird, haben sie nicht verdient. Gott schuldet Sündern keine Gnade irgendeiner Art, sondern nur die Verdammnis. Darum ist es ein Wunder und Grund zu endlosem Lobpreis, dass Gott überhaupt einen von uns errettet hat, ganz besonders, weil Seine Gnadenwahl die Gabe Seines Sohns als Sündenträger für die Erwählten einschließt. – J.I. Packer8 Souveräne Gnade und das herrliche Geheimnis der Erwählung 13 dürfen. Aber die Situation ist doch ganz anders. Zwar steht Gott mit ausgebreiteten Armen an der Himmelstür und lädt alle zu sich ein. Doch die Menschen laufen ohne Ausnahme in die entgegengesetzte Richtung auf die Tore der Hölle zu. Und deshalb wählt Gott in Seiner Gnade Einzelne aus, stoppt einen hier, den anderen dort und zieht sie zu sich, indem Er ihre Herzen verändert und sie willig macht, zu Ihm zu kommen. Die Erwählung hält niemand vom Himmel fern, der ohnehin dort hingekommen wäre, aber sie errettet eine Menge an Sündern vor der Hölle. Gäbe es keine Erwählung, wäre der Himmel ein leerer Ort, und die Hölle wäre zum Bersten gefüllt.‘ Diese Art Reaktion, die fest in der biblischen Wahrheit verankert ist, lässt alles in einem ganz anderen Licht erscheinen, nicht wahr?8 Wenn du in der Hölle umkommst, darfst du nur dir die Schuld dafür geben, denn es ist allein deine Schuld. Aber wenn du im Himmel ankommst, gib Gott alle Ehre, denn es ist allein Sein Werk. Ihm sei alle Ehre und Herrlichkeit, denn die Errettung von Sündern geschieht allein aus Gnade vom Anfang bis zum Ende!“9 Erkennst du, dass Er dich in deinem willentlichen Streben auf die Höllentore zu gestoppt hat? Das Wort Gottes bezeichnet uns in unserem unerlösten Zustand als „Feinde“ Gottes und drückt damit aktiven Hass und Feindschaft aus (Kolosser 1,21; Römer 5,10; Philipper 3,18-19). Und doch entschied sich der Gott, den du gehasst hast, schon vor Beginn der Schöpfung, dich zu retten. Und zu Seiner Zeit rief Er dich durch die Verkündigung des Evangeliums beim Namen und hielt dich in deiner heillosen Flucht auf. Warum tat Er das? Ganz bestimmt nicht, weil Er etwas Liebenswertes an dir entdeckt hätte, sondern wegen des Geheimnisses Seiner Gnade. Weil Er dich in Seinem Sohn erwählt hat, hielt Er dich auf, wegen Seines Sohnes. Versetzt dich das nicht in heiliges Erstaunen? Denn je mehr du dir Gottes Rettungsinitiative und deine abgrundtiefe Verdorbenheit bewusst machst, desto mehr wirst du über die Gnade staunen. 8 J.I. Packer. Concise Theology. Tyndale: Wheaton, IL, 1993. S. 149. 9 Mark Webb. “What Difference Does it Make?” Reformation and Revival Journal, Bd. 3, Nr. 1, Winter 1994. S. 53-54. 14 Sovereign Grace Perspektiven Zur Erinnerung: Du und ich, wir waren tot in unseren Sünden (Epheser 2,1; Kolosser 2,13). Gott hat diesen Satz mit Absicht in die Bibel schreiben lassen. Wir waren nicht nur geschwächt oder verletzt. Auch nicht krank oder hatten Mangel. In Bezug auf Gott und Seine Errettung waren wir tot. Mausetot! Ein Haufen von Leichen! Gleichzeitig waren wir der Sünde und unserem Selbst gegenüber aber äußerst lebendig. Wir liebten die Dunkelheit, und diese Liebe bedeutete Feindschaft mit Gott. Wir hassten Ihn. Bitte gib dich nicht dem Trugschluss hin, dass es anders gewesen sei. Lass dir von der Klarheit der Heiligen Schrift Verständnis schenken. Du hast Gott nie gesucht, du hast Ihn nie für dich entdeckt. Und du hast Ihn auch nie gefunden, obwohl Er sich nicht versteckt hat. Auch hast du dich Gott gegenüber nie neutral verhalten, sondern warst Ihm gegenüber arrogant und feindlich gesinnt – du hasstest Gott wie einen Feind. Vielleicht hat es dich zu einer Karikatur von Gott hingezogen, oder du hast pseudoreligiöse Erfahrungen bei Göttern gesucht, die Menschen nach ihrem Geschmack erdacht haben, die aber leere Hoffnungen und sündhafte Einbildungen sind. Aber den wahren und lebendigen Gott – den souveränen, durch sich selbst existierenden, ewigen Gott – hast du verachtet. Du warst vor Ihm auf der Flucht, weg von Seinem kompromisslosen Anspruch vollkommener Heiligkeit – du ranntest, und du ranntest schnell.

Wie konnte ein heiliger Gott Sünder wie uns erwählen? Die Heilige Schrift gibt uns die Antwort auf diese alles entscheidende Frage: Er erwählte uns „in Ihm“. Das heißt, in dem Retter, der in den ersten 14 Versen des Epheserbriefs nicht weniger als 15-mal genannt wird. Er ist das Mittel, das Gott gebraucht hat, um uns zu erretten. Souveräne Gnade finden wir in Ihm. Ich bin in Christus und allein wegen Christus erwählt. Von Christus entfernt bin ich nicht erwählt oder weil etwas Gutes in mir wäre. Die Erwählung, Erlösung, Annahme an Sohnes statt und die Vergebung der Sünden haben wir nur durch Ihn, und keines dieser Dinge haben wir außerhalb von Ihm. Er war das Lamm, das zu Gottes Zeit geschlachtet wurde. Gott erwählte uns in Ihm …

… vor Grundlegung der Welt.

Hier finden wir einen der wenigen Hinweise darauf, was Gott vor der Erschaffung der Welt gemacht hat. Er erwählte Sünder wie dich und mich. Schon vor der Schöpfung wurden wir ausgesondert und zur Errettung bestimmt. Das übersteigt meinen Verstand, aber ich bin ergriffen von der Gnade, die hier zum Tragen kommt. Der Gott, den ich hasste, entschied sich, mich zu retten. Und als Seine Zeit gekommen war, rief Er mich durch die Verkündigung des Evangeliums und erklärte: „Stopp! Du wirst nicht zur Hölle fahren! Stattdessen bekommst du Vergebung deiner Sünden und unendliche Freude in Meinem Sohn.“ Und alles geschah schon vor Urzeiten, vor Grundlegung der Welt.

Eine würdige Antwort

„Wenn Paulus den Gedanken der Erwählung in seine Lehre einführt“, schreibt J.I. Packer, „dann nur aus einem Grund: damit Christen sehen, wie groß die Gnade ist, die sie errettet hat, und damit sie zu einer würdigen Antwort dieser Gnade in ihrem Leben und ihrer Anbetung gelangen.“[5] Wer die biblische Lehre der Erwählung verstanden hat, lebt ein Leben, was dieser Lehre würdig ist. Zu erkennen, dass wir vor aller Zeit erwählt wurden, befähigt uns, für Ihn zu leben – in dieser Zeit, mit Freude, Leidenschaft und einem klaren Ziel für die Ewigkeit.

Meiner Erfahrung nach bewirkt ein klares Verständnis von Gottes Gnade bei der Erwählung zumindest Demut vor Ihm, Heilsgewissheit, Dankbarkeit Ihm gegenüber und einen Missionseifer zur Ehre Gottes. Durch Gottes Gnade prägen diese „würdigen Antworten“ in großem Maße die Sovereign-Grace-Gemeinden. Es ist mein Ziel, dass das auch so bleibt und sogar noch zunimmt, damit Gott mehr und mehr verherrlicht wird.

Demütig sein vor Gott

In 1. Korinther 1,26-29 bezieht sich Paulus viermal auf die Erwählung und verknüpft diese Lehre mit der Demut, „damit sich kein Mensch vor Gott rühme“ (Vers 29). „Gott bereitete die Errettung bewusst vor, auf dass sich kein Mensch rühme“, schreibt Mark Webb. „Er schuf diesen Weg nicht, damit der Mensch sich nur ein wenig rühmen kann, sondern damit Rühmen ausgeschlossen ist. Das bewirkt die Erwählung.“[6]

„Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung.

Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme.“

1. Korinther 1,26-29


Die göttliche Auswahl lässt keinen Raum, sich selbst auf die Schulter zu klopfen, denn sie schließt jeglichen menschlichen Beitrag komplett aus. Wenn deine Buße zu deiner Rettung beigetragen hätte, wenn sie geholfen hätte, deine Auferstehung vom geistlichen Tod zum ewigen Leben zu bewirken, oder wenn du Gott überzeugt hättest, Seine Meinung über dein ewiges Schicksal zu ändern, dann wäre das ein toller Trick. Ich wäre wirklich beeindruckt, und du hättest etwas, dessen du dich vor Gott und Menschen rühmen könntest. Doch es ist, wie Philip Ryken treffend beschreibt: „Buße ist keine Methode, um uns selbst zu erretten, sondern sie ist ein Weg zu bekennen, dass wir uns selbst nicht retten können. Sie bewirkt, dass wir uns allein auf die Gnade Gottes werfen und unseren Erretter bitten, uns zu erretten.“[7]

Ein Grund, warum ich Gott so dankbar bin, dass wir uns Sovereign-Grace-Bewegung nennen dürfen, ist der, dass ich erwarte, dass dieser Name allen Stolz eindämmen und Demut zutage fördern wird. Bei Sovereign Grace („Souveräne Gnade“) geht es aber um weit mehr als die Erwählung. Wir sprechen von allen Taten und Eigenschaften Gottes, wie wir sie in unserem Leben erfahren, denn alle Dinge sind unter der souveränen, gütigen und umsorgenden Obhut Gottes. Nichts, was ein Mensch für Gott tut, beruht auf seiner eigenen Leistung. Denn alles wird von Gottes Gnade, Seiner Freundlichkeit und Güte bewirkt. „Denn wer gibt dir einen Vorrang? Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich dann, als hättest du es nicht empfangen?“ (1. Korinther 4,7). Ein rechtes Verständnis von Gnade bewirkt immer Demut. Daher sehe ich den Namen „Sovereign Grace“ als ein Geschenk, einen Katalysator für Demut, der heute wirkt, aber auch noch in zukünftigen Generationen, die ich nicht mehr erleben werde.

Heilsgewissheit

Ich treffe viel zu viele Menschen, die sich der Liebe Gottes für sich persönlich nicht sicher oder nicht bewusst sind. Sie wissen, dass Gott andere Christen liebt. Er liebt ihren Pastor und auch die anderen Gemeindemitglieder. Aber sie sind sich weit weniger sicher, dass der Schöpfer ein Individuum mit ihrem Namen liebt, das ihre Fingerabdrücke und ihre einzigartige DNA trägt.

Vor Kurzem erkannte mich ein Mann auf einem Flug. Nach der Landung stellte er sich mir vor und sagte: „Ich wusste, wenn Sie an Bord sind, würden wir niemals abstürzen.“ Ich fühlte mich in dem Moment einfach nur hilflos. Leider hatte ich keine Zeit, um all die falschen Annahmen in seinem kurzen Statement richtigzustellen. Doch ich versicherte ihm, dass, wenn er bekehrt sei, Gottes Liebe für ihn vollkommen sei, ihm ganz persönlich gelte und für ihn völlig ausreichend sei. Doch während wir weitersprachen, wurde mir klar, dass er sich dieser großartigen Wahrheit noch nicht ganz bewusst war.

Solche Gläubigen denken oft, dass Gott sie liebe, weil sie einer bestimmten Gruppe oder Gemeinde angehören, nach dem Motto: „Gott liebt Christen. Ich bin ein Christ. Und weil Gott Christen Seine Liebe schenkt, kann ich vielleicht ein wenig von dieser allgemeinen Liebe Gottes für Seine Heiligen profitieren.“

Aber das hieße, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Du bist nur ein Christ, gehörst nur zu den Erlösten, bist nur an Sohnes statt angenommen und nur ein Erbe von Gottes großen Reichtümern, weil Gott dich erwählt hat und liebt. Dich ganz persönlich!

Selbst wer nur ein geringes Verständnis der Erwählung hat, erfährt Gottes Liebe auf einer persönlichen Ebene. Beachten wir, wie Paulus sehr schnell dazu kommt, was die Errettung für ihn persönlich bedeutet, während er in Galater 2 die Feinheiten der Lehre der Rechtfertigung erklärt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben“ (Galater 2,19a-20; Hervorhebungen vom Autor).

Philip Ryken illustriert das Wunder und Erstaunen, welches ein Mensch erlebt, der sich selbst als Empfänger von Gottes erwählender Gnade erkennt:

„Der berühmte amerikanische Bibellehrer Donald Grey Barnhouse (1895-1960) gebrauchte oft eine Illustration, damit die Menschen göttliche Auswahl verstanden. Er bat seine Zuhörerschaft, sich ein Kreuz vorzustellen wie das, an dem Jesus starb. Nur sollte dieses Kreuz so groß sein, dass es unten eine Tür hat. Über dieser Tür stand das Wort aus der Offenbarung: ‚Wer immer kommen will, darf kommen.‘ Diese Worte stehen für das freie und universelle Angebot des Evangeliums. Durch Gottes Gnade ist die Botschaft der Errettung für jeden da. Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind, alle Menschen, die zum Kreuz kommen, sind eingeladen, an Jesus Christus zu glauben und ins ewige Leben einzugehen.
Auf der anderen Seite der Tür erwartet dann diejenigen, die hereingekommen sind und glauben, eine freudige Überraschung. Wenn Souveräne Gnade und das herrliche Geheimnis der Erwählung 19 man sich nämlich umdreht und zum Kreuz zurückblickt, sieht man dort die Worte aus dem Epheserbrief: ‚Erwählt in Christus, vor Grundlegung der Welt.‘ Erwählung versteht man am besten im Nachhinein, denn erst wenn man zu Christus gekommen ist, kann man wissen, dass man in Ihm erwählt wurde. Diejenigen, die eine Entscheidung für Christus fällen, entdecken, dass Gott sich schon vor ewigen Zeiten für sie entschieden hat.“
[8]

Die Erwählung ist also eine Erklärung für den Vorgang der Bekehrung, nachdem man sich bekehrt hat. Eine wahrhaft freudige Überraschung.

Möge der Name „Sovereign Grace“, wie wir unsere Bewegung nennen, eine beständige, tiefe Heilsgewissheit von Gottes nie versagender, ewiger Liebe hervorbringen. Gottes Liebe begann vor Urzeiten. Sie ist immun gegen die Trends unserer Tage und steht außerhalb von Zeit und Schöpfung. Sie wird ewig bleiben. Welch eine freudige Überraschung! Erkenne Gottes Liebe für dich persönlich. Spüre sie, erfahre sie. Und dreh dich um und sieh über der Tür die Worte:

„Erwählt in Ihm vor Grundlegung der Welt.“

Dankbarkeit Gott gegenüber

Epheser 1,3-14 ist ein nicht enden wollender Ausbruch von Lobpreis. Das geschieht, wenn man die souveräne Gnade der Erwählung verstanden hat. Bruce Milne schreibt von diesen Versen: „Paulus steht hier nicht auf irgendeinem Lehrerpult und betreibt ein dialektisches Streitgespräch; vielmehr befindet er sich auf den Knien, verloren in Anbetung und Lobpreis.“[9] Deshalb ist die Lehre von der Erwählung auch kein theologisches Streitthema, sondern ein Aufruf zum Lobpreis.

Mein Gebet und meine Bitte ist, dass der Name unseres Werkes dazu dienen mag, Menschen beständig an Gottes gütige Initiative gegenüber Seinen Erwählten zu erinnern und sie zum Lobpreis aufzurufen. Mögen unser persönliches Leben und unsere Gemeinden frei sein von Nörgeleien, aber erfüllt von einem leidenschaftlichen und dankbaren Lobpreis Gott gegenüber.

Mögen diese äußeren Ausdrucksformen Gott gegenüber nie oberflächlich oder zur Gewohnheit werden. Vor Grundlegung der Welt erwählte Er mich in Christus. Die einzig angemessene Reaktion darauf kann nur Dankbarkeit sein, selbst wenn ich die Lehre von der Erwählung nur in Ansätzen verstanden habe, Ihn zu preisen, mein ganzes Leben lang, bis zum letzten Atemzug.

Mission zur Ehre Gottes

Vor der Schöpfung war Gott also mit der Erwählung beschäftigt. Und so wie Er vor Ewigkeit errettete, errettet Er auch in der Gegenwart. Und das tut Er, wenn Seine Kinder die gute Nachricht verkünden. Als Familie von Gemeinden hat Gott Sovereign Grace Ministries zur Evangelisation vor Ort und zur weltweiten Gemeindegründung gerufen.

In dieser Welt leben wir unter Männern, Frauen und Kindern, die noch keine Errettung erfahren haben. Aufgrund der Lehre der Erwählung wissen wir, dass die Errettung Einzelner absolut sicher ist. Wir wissen nicht – genauer: wir können nicht im Voraus wissen, wer diese Menschen sind. Aber sie sind da, in jedem Stamm, jeder Sprache und jeder Nation. Und wir wissen, dass für jeden, der vor aller Zeit erwählt wurde, einmal der Moment kommt, an dem Gott eine einfache Predigt des Evangeliums gebrauchen wird, um diesen Menschen zu erretten.

In Seiner Gnade hat Gott uns ein biblisches Verständnis der Errettung gegeben wie schon zahllosen Gläubigen vor uns. Das Wissen, dass Gott unsere Errettung bewirkt hat und nicht wir selbst, stärkt unser Vertrauen und unseren Glauben, auch andere errettet zu sehen. Dieser „erste Eindruck“ unserer Errettung, den Gott uns geschenkt hat, ist ein bleibender und hat herrliche Aus- Souveräne Gnade und das herrliche Geheimnis der Erwählung 21 wirkungen auf unser tägliches Leben und unseren Dienst. So ausgerüstet gehen wir im Glauben in die Welt und wissen, dass das Evangelium Gottes Kraft ist und dass der Siegeszug des Evangeliums schon vor aller Zeit feststand.

Im Hinblick auf Gemeindegründung sowohl in Amerika als auch international sind wir bislang nicht sehr eifrig gewesen. Wenn wir vorwärtsgehen, um Gemeinden aufzubauen und zu stärken, erkennen wir, dass wir nicht vor Gott oder zur gleichen Zeit wie Er ankommen. Vielmehr stellen wir fest, dass Er schon vor uns dort war. Alle Ehre für jede fruchtbare Arbeit oder Erweiterung unseres Werkes, die wir erleben oder erleben werden, muss Ihm gehören.

Ein richtiges Verständnis der Lehre der Erwählung lässt uns nicht weniger evangeliieren oder Gemeinden gründen, sondern spornt uns geradezu dazu an, weil wir erkannt haben, dass es Erfolg haben wird. Wie gut ist es zu wissen, dass das Evangelium des gekreuzigten und auferstandenen Retters nicht leer zurückkehrt. „Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist“ (Epheser 1,9-10). Durch Gnade wird der Plan des souveränen Gottes ganz sicher zur Erfüllung kommen. Welche kleine Rolle auch immer unser Werk bei dieser Erfüllung spielen mag – souveräne Gnade begleitete uns in der Vergangenheit, und sie wird auch in der Zukunft mit uns sein.


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