Ganz aus Gnaden/Keine Vergebung ohne Buße
Aus Biblische Bücher und Predigten
Aktuelle Version vom 24. August 2009, 16:21 Uhr
Von Charles H. Spurgeon
Über Konversion
Kapitel 15 des Buches Ganz aus Gnaden
Übersetzung von Oncken Verlag/Helmut Pohl
Aus Apostelgeschichte 5, 30—31 wird deutlich, dass Buße und Vergebung der Sünden zusammengehören. In Apostelgeschichte 5, 31 lesen wir, dass Jesus „erhöht ist, zu geben Buße und Vergebung der Sünden.“ Diese beiden Segnungen kommen aus jener heiligen Hand, die einst ans Kreuz genagelt wurde, aber nun zu Ruhm erhoben ist. Buße und Vergebung sind durch den ewigen Ratschluss Gottes auf das festeste miteinander verknüpft. Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Buße muss mit der Vergebung der Schuld zusammengehen. Du wirst es einsehen, wenn du ein wenig darüber nachdenkst. Es geht einfach nicht an, dass einem unbußfertigen Sünder vergeben wird. Man würde ihn nur auf seinem bösen Wege bestärken und ihn lehren, das Böse leicht zu nehmen. Wenn der Herr sagen würde: „Du liebst die Sünde, lebst darin und steigerst dich in das Böse hinein, aber ich vergebe dir trotzdem“, so bedeutete das, der Ungerechtigkeit freien Lauf zu lassen — zum Schrecken aller. Damit würden die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung beseitigt; sittliche Anarchie wäre die Folge. Es ist mir nicht möglich aufzuzählen, wie viele Übelstände sich daraus ergäben, wenn man Buße und Vergebung trennen und die Sünde verzeihen würde, während der Sünder ihr weiter so zugetan bliebe wie vorher. Wenn wir an die Heiligkeit Gottes glauben, dann muß es in der Natur der Sache liegen, dass uns nicht vergeben werden kann, solange wir fortfahren zu sündigen und die Sünde nicht bereuen wollen, und dass wir die Konsequenzen unserer Verbohrtheit zu tragen haben. Nach der unbegrenzten Güte Gottes ist uns verheißen, dass Gott treu und gerecht ist, uns unsere Sünden vergibt und uns reinigt von all unserer Ungerechtigkeit (vgl. 1. Johannes 1, 9), wenn wir unseren Sünden den Abschied geben, sie bekennen und im Glauben die Gnade annehmen, die in Jesus Christus bereitsteht. Aber solange Gott lebt, kann es keine Verheißung der Gnade für die geben, die auf ihrem bösen Weg beharren und sich weigern, ihre Untaten zuzugeben. Kein Rebell kann erwarten, dass der König ihm seinen Verrat verzeiht, solange er in offener Empörung bleibt. Niemand kann so töricht sein und sich einbilden, dass der Richter der Welt unsere Sünden hinweg tut, wenn wir selber uns weigern, es zu tun. Ja, es muss so sein wegen der Vollständigkeit der göttlichen Gnade! Eine Gnade, die die Sünde vergibt und den Sünder doch darin weiterleben lässt, wäre eine kärgliche und oberflächliche Gnade; eine ungleiche und mißgestaltete Gnade, mit einem lahmen Fuß und einer verdorrten Hand. Was hältst du für die größere Gnade: die Reinigung von Schuld und Sünde oder die Befreiung von der Macht der Sünde? Ich will nicht versuchen, zwei so unübertreffliche Gnadengaben gegeneinander abzuwägen. Keine von ihnen würde uns zuteil werden ohne das kostbare Blut Jesu. Wenn aber schon ein Vergleich gezogen werden muss, dann scheint mir die Gabe, von der Sünde befreit und heilig und Gott gleich gemacht zu werden, die größere von beiden zu sein. Vergebung zu erlangen, ist eine unermessliche Gunst. Wir geben ihr den ersten Platz in unserem Lobgesang: „der dir alle deine Sünden vergibt“ (Psalm 103, 3). Doch was nützte eine solche Vergebung, wenn uns hernach erlaubt würde, die Sünde zu lieben, uns auszutoben und auszuleben? Wäre sie nicht eine vergiftete Süßigkeit, die unseren Tod herbeiführt? Gewaschen zu werden und doch im Schlamm liegen zu bleiben, für rein erklärt zu werden und doch die Zeichen des Aussatzes an der Stirn tragen zu müssen, das wäre in der Tat eine Verspottung der Gnade. Was hat es für einen Sinn, einen Menschen wieder aus seinem Grab hervorzuholen, wenn er doch tot bleibt? Wir danken Gott, der unsere Sünden vergibt, dass er zugleich auch unsere Gebrechen heilt. Er, der die Flecken der Vergangenheit ab wäscht, hilft uns auch aus dem Schmutz der Gegenwart heraus und bewahrt uns für die Zukunft davor, wieder hineinzufallen. Freudig sollen wir beides annehmen, Buße und Vergebung; sie können nicht getrennt werden. Das Bundeserbe ist unteilbar und kann nicht in Stücke zerlegt werden. Das Werk der Gnade teilen, hieße ein lebendiges Kind in zwei Hälften zerschneiden; und die es zulassen, haben nichts davon (vgl. 1. Samuel 3, 16 ff.). Ich möchte dich fragen, der du den Herrn suchst, ob du dich mit einer der beiden Gaben zufrieden geben würdest. Würde es dir genügen, lieber Leser, wenn Gott dir deine Sünde vergebe und dir dann gestattete, so weltverhaftet und so schlecht wie vorher zu sein? Ganz gewiß nicht! Der von Gott neu belebte Geist fürchtet sich mehr vor der Sünde als vor der Strafe. Der Schrei deines Herzens lautet nicht: „Wer wird mich erlösen von der Strafe?“, sondern: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“ (Römer 7, 24). Wer macht mich fähig, unbeschadet von Versuchungen zu leben und heilig zu werden, wie Gott heilig ist? Da die Einheit von Buße und Vergebung dem Wunsch derer entspricht, die die Gnade suchen, und da sie notwendig ist für die Vollständigkeit der Errettung und wegen der Heiligkeit, kannst du gewiss sein, dass sie bestehen bleibt. In der Erfahrung aller Gläubigen gehören Buße und Vergebung zusammen. Es hat noch niemand gegeben, der aufrichtig und gläubig Buße tat und nicht Vergebung empfing. Auf der anderen Seite hat noch niemand Vergebung empfangen, der nicht für seine Sünden Buße getan hätte. Ich zögere nicht, zu behaupten, dass es unter dem weiten Himmel keinen einzigen Menschen gegeben hat, gibt oder geben wird, der von seinen Sünden gereinigt wurde, ohne dass gleichzeitig das Herz zur Buße und zum Glauben an Christus geleitet wurde. Abscheu vor der Sünde und Gewissheit der Vergebung begegnen sich in unserem Herzen und bleiben beieinander, solange wir leben. Beide Gaben wirken wechselseitig aufeinander. Der Mensch, der Vergebung empfangen hat, tut Buße, und derjenige, der Buße tut, empfängt ganz gewiß auch Vergebung. Denke zuerst daran, dass die Vergebung zur Buße führt. Wenn wir uns unserer Vergebung gewiß sind, dann verabscheuen wir die Sünde. Wenn der Glaube volle Gewißheit erlangt, so dass wir über jeden Zweifel hinaus gewiß sind, dass Jesu Blut uns weißer als Schnee gewaschen hat, dann erreicht damit auch die Buße ihren Höhepunkt. Die Buße wächst mit dem Glauben. Irre dich nicht darin: Buße ist nicht eine Sache von Tagen und Wochen, ein vorübergehendes Geschäft, das man so schnell wie möglich abwickeln möchte! Nein, sie ist eine Gnade für ein ganzes Leben, so wie der Glaube selber. Die Kindlein Gottes tun Buße, die jungen Männer und die Väter tun es auch. Buße ist die unzertrennliche Gefährtin des Glaubens. Solange wir im Glauben wandeln und noch nicht im Schauen, schimmert die Träne der Buße im Auge des Glaubens. Buße, die nicht aus dem Glauben kommt, ist keine wahre Buße; und Glaube an Jesus, der nicht mit Buße verknüpft ist, ist kein wirklicher Glaube an Jesus. Glaube und Buße sind wie siamesische Zwillinge eng miteinander verwachsen. In demselben Maße, wie wir an die vergebende Liebe Christi glauben, tun wir auch Buße; und in dem Maße, wie wir die Sünde bereuen und das Böse lassen, erfreuen wir uns der vollen Vergebung, die Jesus, der Erhöhte, schenkt. Du wirst die Gnade niemals schätzen lernen, wenn du nicht bereust, und du wirst niemals den Gewinn wahrer Buße haben, wenn du nicht weißt, dass du begnadigt bist. So seltsam es klingt: Die Bitterkeit der Buße und die Süße der Vergebung vereinen sich im Leben eines jeden, der Gnade empfangen hat, und machen zusammen eine unvergleichliche Glückseligkeit aus. Diese beiden Bundesgaben verbürgen sich gegenseitig. Weiß ich, dass ich in der Buße stehe, so weiß ich auch, dass mir vergeben worden ist. Wie kann ich wissen, dass mir vergeben ist, wenn ich nicht zugleich weiß, dass ich bekehrt worden bin von meinem früheren sündigen Wandel? Ein Gläubiger sein, heißt, in der Buße leben. Glaube und Buße sind nichts weiter als Speichen desselben Rades, als die beiden Handgriffe an demselben Pflug. Man hat die Buße treffend verglichen mit einem Herzen, das unter der Sünde zerbrochen ist und mit der Sünde gebrochen hat. Man könnte auch von einem Abwenden und Hinwenden sprechen. Sie ist eine Sinnesänderung der gründlichsten und radikalsten Form, verbunden mit dem Schmerz über die Vergangenheit und mit dem Entschluss, sich in Zukunft zu bessern. Wer wirklich Buße tut, sagt der Sünde ab, die er einst geliebt hat. Indem er die Sünde nicht mehr tut, zeigt er, dass es ihm mit seiner Klage über die sündige Vergangenheit ernst ist. Wenn das der Fall ist, dürfen wir gewiß sein, dass uns vergeben ist. Denn der Herr ließ noch niemals ein Herz unter der Sünde zerbrechen und mit der Sünde brechen, ohne ihm zu vergeben. Wenn wir andererseits uns freuen dürfen über die Vergebung durch das Blut Christi, gerechtfertigt sind und Glauben und Frieden mit Gott haben durch Jesum Christum, unseren Herrn, so wissen wir, dass unsere Buße und unser Glaube echt sind. Aber sieh die Buße nicht als die Ursache deiner Begnadigung an, sondern als ihre Gefährtin! Erwarte nicht, dass du Buße tun kannst, bevor du die Gnade unseres Herrn Jesus und seine Bereitschaft, deine Sünde hinwegzunehmen, erfahren hast. Lasse beide Gaben an ihrem Platz und Ort und betrachte sie in ihrem Verhältnis zueinander. Sie sind zwei Säulen der Heilserfahrung. Ich denke dabei an die gewaltigen Pfeiler vor dem salomonischen Tempel, die das Portal flankierten (1. Könige 7, 21). Niemand gelangt zu Gott, der nicht zwischen den beiden Säulen Buße und Vergebung hindurchgeht. Wenn das Licht völliger Vergebung auf die Tränen der Buße gefallen ist, dann hat sich über deinem Herzen der Regenbogen der Bundesgnade in all seiner Schönheit ausgespannt. Buße für die Sünde und Glaube an die göttliche Vergebung sind der Einschlag und der Aufzug in dem Gewebe einer echten Bekehrung. Durch diese Zeichen wirst du ein Kind Gottes werden. Um nun zu dem Vers zurückzukehren, von dem wir ausgingen: Beide, Vergebung und Buße, fließen aus derselben Quelle und werden von demselben Heiland gegeben. Der Herr Jesus verleiht in seiner Herrlichkeit beide Gaben denselben Personen. Von niemand anders sind Vergebung und Buße zu haben. Jesus hält beide bereit; er will sie jetzt allen umsonst geben, die sich von ihm beschenken lassen wollen. Wir wollen niemals vergessen, dass Jesus alles gibt, was zu unserem Heil notwendig ist. Es ist sehr wichtig, dass alle, die die Gnade suchen, das nicht vergessen. Der Glaube ist ebensosehr eine Gabe Gottes wie der Heiland selbst, auf den der Glaube sich gründet. Buße für die Sünden ist ebenso ein echtes Werk der Gnade wie die Darbringung des Sühneopfers, durch das die Sünde hinweggenommen wird. Die Errettung geschieht allein aus Gnaden. Aber bitte, versteh mich recht: Es ist nicht der Heilige Geist, der Buße tut. Er hat niemals etwas getan, wofür er Buße tun müßte. Wenn er Buße tun könnte, so würde das uns nichts nützen. Wir selber müssen für unsere persönlichen Verfehlungen Buße tun, sonst werden wir nicht frei. Es ist auch nicht der Herr Jesus Christus, der Buße tut. Wofür sollte er Buße tun? Wir selber tun Buße mit vollem Bewußtsein. Unser Wille, unsere Neigungen und unsere Empfindungen, sie alle wirken zusammen bei der Segen bringenden Reue über unsere Sünden; und doch steht hinter all unserem persönlichen Tun ein verborgener, heiliger Einfluß, der das Herz umstimmt, in die Reue führt und eine vollkommene Änderung bewirkt. Der Geist Gottes erleuchtet uns, so dass wir erkennen, was Sünde ist, und erzeugt in uns einen Abscheu davor. Der Geist Gottes lenkt auch unseren Sinn auf die Heiligkeit hin, so dass wir sie von Herzen schätzen, lieben und begehren, und verleiht uns somit den Antrieb, durch den wir Stufe um Stufe in der Heiligung weitergeführt werden. Der Geist Gottes wirkt in uns das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen. Wir wollen uns diesem guten Geist unterordnen, damit er uns zu Jesus führt, der uns bereitwillig den doppelten Segen der Buße und Vergebung verleihen will nach dem Reichtum seiner Gnade. „Aus Gnaden seid ihr errettet.“