Norma Normata: Eine Regel, die regiert wird
Aus Biblische Bücher und Predigten
Von R.C. Sproul
Über Wahrheit
Teil der Right Now Counts Forever-Serie
Übersetzung von Monica Ryan
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‘Credo’ bedeutet auf Lateinisch einfach ‘Ich glaube’. Es entspricht dem ersten Wort des apostolischen Glaubensbekenntnisses. Um den christlichen Glauben zu verdeutlichen und auch um wahren Inhalt von Irrtümern und falscher Darstellung zu unterscheiden ist es während der ganzen Kirchgeschichte notwendig gewesen, glaubensbekennende Aussagen einzubeziehen und zu begrüssen. Solche Glaubens-bekenntnisse sind insofern von der Heiligen Schrift zu unterscheiden indem die Heilige Schrift norma normans ist (d.h. “die Regel, die regiert"), während Glaubensbekenntnisse norma normata sind (d.h. “die Regel, die regiert wird").
Geschichtlich gesehen haben christliche Glaubensbekenntnisse alles umfaßt, von kurzen bis zu umfangreichen Glaubensbekräftigungen. Das früheste christliche Glaubensbekenntniss befindet sich im Neuen Testament und es besagt, dass Jesus „Gott der Herr“ ist. Das neue Testament gibt einen etwas rätselhaften Hinweis auf dieses Bekenntnis, nämlich, dass niemand es vortragen kann es sei denn durch den Heiligen Geist. Wie soll man das verstehen? Einerseits gibt das Neue Testament kund, dass man auch dann Gott durch Lippenbekenntnis ehren kann, wenn man in seinem Herzen von Gott weit entfernt ist. Das bedeutet, dass man auch dann solche Glaubensbekenntnisse rezitieren und bejahen kann, wenn man dem Inhalt dessen nicht wirklich glaubt. Warum bekräftigt das Neue Testament dann gleichzeitig, dass niemand dieses Bekenntnis außer durch den Heiligen Geist geben kann? Vielleicht versteht man es im Rahmen des Alten Roms und den Kosten, die zu der Zeit mit solch einem Ausspruch verbunden waren.
Der von den römischen Bürgern geforderte Loyalitätseid, der ihre Untertanentreue allgemein zum Reich und insbesondere zum Kaiser demonstrieren sollte bestand daraus, den Ausspruch „Kaisar Kurios“, d.h. „Caesar ist Herr“, öffentlich zu verkünden. In ihrem Bemühen ihr Gehorsam unter Beweis zu stellen haben sich Christen in der Kirche des ersten Jahrhunderts den Zivilrichtern, sowie den erdrückenden Massnahmen Caesars, vollkommen untergeben; und doch wenn es darum ging Caesar oeffentlich als Herr zu verkünden, konnten es viele nicht bei bestem Gewissen tun. Als Ersatz dafür verkündeten frühe Christen stattdessen, dass Jesus der Herr ist, was demnach jedoch den Zorn der römischen Regierung auf sich zog und vielen von ihnen das Leben kostete. Folglich neigten viele dazu, dieses öffentliche Bekenntnis ganz zu unterlassen, es sei denn, sie fühlten sich durch den Heiligen Geist besonders dazu bewogen. Das einfache Glaubensbekenntnis, dass „Jesus Herr“ ist, oder andere, vollständigere Glaubensbekenntnisse, wie die der Apostel, weisen auf die Grundlagen und das Wesentliche der christlichen Lehre hin. Glaubensbekenntnisse umfassen den Inhalt des neuen Testaments.
Ferner haben sich die Glaubensbekenntnisse zusätzlich auf diesen umfassenden Inhalt berufen, um Ketzereien des vierten Jahrhunderts auszuschließen. Bei der Affirmation des Credos von Nizäa bestätigte die Kirche kategorisch ihren Glauben an die Gottheit Christus und die Lehre der Dreieinigkeit. Diese Affirmationen wurden als wesentliche Wahrheiten des christlichen Glaubens angesehen. Sie waren wesentlich, da ohne Einbezug dieser Wahrheiten jeglicher Anspruch an das Christentum falsch wäre.
Zur Zeit der Reformation gab es eine wahre Proliferation von Glaubensbekenntnissen, zumal die protestantische Gemeinschaft es im Rahmen der bestehenden Kontroversen der Zeit für notwendig hielt, endgültige Aussagen hinsichtlich ihres Glaubens und die darin enthaltenen Unterschiede zur römisch-katholischen Theologie zu unterbreiten. Rom selbst fügte Mitte des sechzehnten Jahrhunderts und als Antwort auf die protestantische Bewegung ihre eigenen glaubensbekennende Affirmationen dem Rat von Trent hinzu. Darafhin empfanden andere protestantische Gruppe wie die Lutheraner, die Schweizer Reformierten und die Schottish Reformierten es wiederum für notwendig, die Wahrheiten ihres eigenen Glaubens auch hervorzubringen. Dies wurde nicht nur wegen den Uneinigkeiten innerhalb der einzelnen reformierten Parteien notwendig, sondern auch, um die allgemeine protestantische Position gegenüber der häufigen Misrepräsentationen seitens der römisch-katholischen Antagonisten zu widerlegen. Die als “Westminster Confession” bzw. Westminster-Versammlung bekannte Aussage des siebzehnten Jahrhunderts ist eine der exaktesten und umfangreichsten konfessionellen Aussagen, die aus der Reformationsbewegung herausgewachsen ist. Es stellt ein Modell an Präzision und biblischer Orthodoxy dar obwohl es jedoch aufgrund seines Umfanges und Vollständigkeit schwierig ist, zwei Fürsprecher der Westminster-Versammlung zu finden, die sich über jeden einzelnen Punkt einig sind. Aus diesem Grund wurden die Anforderungen an Kirchen für die Befolgung der Westminster-Versammlung oder anderer solcher Konfessionen üblicherweise auf eine einfache Kenntnisnahme des „innewohnenden Systems der Glaubenslehre“ beschränkt. Diese späteren protestantischen Glaubensbekenntnisse dienten nicht nur dazu, die sogenannten Wesensmerkmale des Christentums zu bejahen, sondern auch jegliche religiöse Einzelheit bei anderen Gemeinschaften abzuklären.
Zu unserer Zeit hat sich eine wahre Antipathie gegen jeglicher Art von neuer Konfessionen entwickelt. Nicht nur vermeidet der durchdringende Relativismus der modernen Kultur jedes mögliche Geständnis absoluter Wahrheiten, sondern es kann auch eine starke negative Reaktion auf die rationale und aussagende Natur der Wahrheit beobachtet werden. Glaubensbekennende Aussagen sind ein Versuch, ein zusammenhängendes und einheitliches Verständnis des vollständigen Gültigkeitsbereichs der Heiligen Schrift zu zeigen. In diesem Sinne sind das kurze Bekundungen von dem was historisch „systematische Theologie“ genannt wurde. Die Idee der systematischen Theologie nimmt an, dass alles, was Gott sagt, einen Zusammenhang hat und sich nicht im Innern widerspricht. Das beudetet, dass obwohl diese Glaubensbekenntnisse nicht aus reiner rationaler Betrachtung heraus entstanden sind, wurden diese dennoch auf eine Art und Weise geschrieben, um von dem Verstand verständlich aufgenommen zu werden. Ohne solche Konfessionen würde in der Welt theologische Anarchie regieren.