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Von John Piper Über Christliche Biographie

Übersetzung von Simon Klein

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Warum ich Biografien lese

In meinen ersten sieben Jahren als Pastor (1980–1987) fühlte ich mich sehr „grün hinter den Ohren“ – unerfahren und in mancher Hinsicht unvorbereitet. Ehe ichmit 34 Jahren an die Bethlehem Baptist Church kam, hatteich noch nie als Pastor gearbeitet. Ich war bis zu meinem 28. Lebensjahr Vollzeitstudent und unterrichtete danachBibelkurse am College, bevor Gott mich in den Pastorendienst rief.

Am Bibelseminar hatte ich so viele Kurse zur Textauslegung belegt wie ich nur konnte, dafür aber Kursezu pastoralen Themen gemieden – ich hatte einfach nieerwartet, einmal Pastor zu werden. Als ich dann nachBethlehem kam, hatte ich noch nie eine Beerdigung durchgeführt, niemals an einem Sterbebett gestanden,noch nie eine Ältestensitzung geleitet (oder irgendeineandere Art von Rat in der Gemeinde), noch nie jemandengetauft, niemals eine Kindersegnung durchgeführt underst ein paar Dutzend Predigten gehalten. Das meine ich mit „grün hinter den Ohren“.

Ohren auf für die Vergangenheit

Ein Weg, in diesen ersten sieben Jahren nach Weisheit für meinen Pastorendienst zu streben, war für mich dasLesen von christlichen Biografien. Zwei Bücher von Warren Wiersbe, die zusammen über 30 Kurzbiografien von Männern im Hirten- und Ältestendienst enthielten, habe ich regelrecht verschlungen.

Aber um mein Verständnis für diese Arbeit zu vertiefen, war fast nichts unterhaltsamer und inspirierender, als einem meisterhaften Geschichten-Erzähler zuzuhören: Iain Murray. Murray war früher Assistenzpastor von Martin Lloyd-Jones in London und hatte in zwei Gemeinden in England und Australien als Pastor gedient. Er ist einer der Mitgründer des Banner of Truth Trusts (a.d.Ü.: eine Organisation, die Bücher aus der reformierten Tradition veröffentlicht und Konferenzen organisiert) und hat einen großen Teil seines Lebens dem Schreiben von Biografien gewidmet.

Weit bekannt sind seine Biografien von Martyn LloydJones und Jonathan Edwards, um nur zwei zu nennen. Weniger bekannt ist, dass Iain Murray auch ein großes Talent dafür hat, in etwa einer Stunde die Geschichte eines großen Christen in unterweisender und inspirierender Art und Weise zu erzählen. Selbst heute findet man online mit Leichtigkeit (über 40 Jahre alte) aufgenommene Vorträge über Charles Spurgeon, Robert Dabney, William Tyndale, Ashbel Green, George Whitfield, John Knox, John Newton, William Jay, Thomas Hooker und viele andere.

Mann mit Knopf im Ohr

In den 1980ern war der Walkman die neueste technische Errungenschaft. Der kleine Kassettenspieler ermöglichte es mir, Iain Murray zum Joggen oder ins Auto mitzunehmen und ich hörte mir alles Biografische an, das ich bekommen konnte. Das entfachte meine Leidenschaft für Biografien.

Ich empfand Biografien immer als einen der unterhaltsamsten, erbaulichsten und effizientesten Wege, sich mit Geschichte zu beschäftigen. Unterhaltsam, weil wir alle gute Geschichten lieben (und die Hochs und Tiefs des Lebens). Erbaulich, weil die Treue Gottes im Leben von reumütigen, mutigen, geretteten Sündern unseren eigenen Glauben stärkt. Effizient, weil man in einer guten Biographie nicht nur etwas über das Leben einer Person lernt, sondern auch über Theologie, Psychologie, Philosophie, Ethik, Politik, Ökonomie und Kirchengeschichte. Deshalb bin ich schon lange ein Liebhaber von Biografien.

1987 empfand ich den Bedarf, eine Konferenz für Pastoren zu organisieren. Mein Anliegen war es, eine Liebe zu den Lehren der Gnade, einen Eifer für die Schönheit des Evangeliums, eine Leidenschaft für Gott-zentriertes Predigen, eine Hingabe für die weltweite Mission und Freude am Lobpreis zu Jesu Ehre anzufachen.

Eine Serie beginnt …

Die erste Konferenz für Pastoren in Bethlehem fand 1988 statt. Inspiriert von Iain Murray hielt ich dort die nächsten 27 Jahre lang jedes Jahr eine biographische Botschaft. Im Jahr vor jeder Konferenz las ich mich in das Leben und den Dienst einer Schlüsselfigur in der Kirchengeschichte ein. Ich entschied mich für einen thematischen Fokus, um der Botschaft ein einheitliches Gerüst zu geben, und versuchte, alle gesammelten Informationen zu einer einstündigen Botschaft einzudampfen. Die Vorträge – undihre bearbeiteten Versionen – sind unverhohlen ermahnend. Mein Ziel ist es, zu lehren und zu ermutigen. MeinZiel ist es auch, das wahre Leben und Wirken eines Mannes niemals zu verzerren. Ich setze mich aber für die biblischen Wahrheiten ein, die sein Leben veranschaulicht.

Meine kurzen Biografien wurden unter dem Titel „Die Schwäne schweigen nicht“ veröffentlicht, was aus der Biographie Augustinus’ stammt. Dessen Nachfolger fühlte sich nach Augustinus’ Tod so unzureichend für diese Aufgabe, dass er sagte: „Die Grille zirpt, der Schwan schweigt.“ Der Titel sollte deutlich machen, dass durch Biografien die Schwäne nicht schweigen! Augustinus war nicht die einzige große Stimme, die noch gehört wird. Tausende Stimmen reden immer noch. Und ihre Geschichten sollten erzählt und gelesen werden.

Biblisch verfügt

Es wäre für mich ein großer Gewinn zu hören, dass das Lesen von Biografien dir so viel Freude gebracht hätte wie mir beim Recherchieren und Schreiben derselben. Wenn du einen größeren Anreiz brauchst, erinnere dich an Hebräer 11. Mit Sicherheit ist dieser Bibeltext ein göttlicher Fingerzeig, christliche Biografien zu lesen. Die unmissverständliche Schlussfolgerung des Kapitels ist, dass wenn wir vom Glauben unserer Vorväter (und -mütter) hören oder lesen, wir „jede Bürde und die uns so leicht umstrickende Sünde ablegen“ werden und „mit Ausdauer laufen den vor uns liegenden Wettlauf“ (Hebr 12,1) . Würden wir den Autor des Hebräerbriefes fragen: „Wie sollen wir einander zur Liebe und zu guten Werken anreizen?“ (Hebr 10,24), wäre seine Antwort: „Durch Ermutigungen der Lebenden (Hebr 10,25) und der Toten (Hebr 11,1–40).“ Biografien sind der Weg, wie das geistliche Leben der Gemeinde die Kluft der Zeit überwindet und uns vom Glauben unserer Geschwister vergangener Jahrhunderte profitieren lässt.

Schnatternde Schwäne

Ich denke, dass über jeden Heiligen, dessen Geschichte erzählt wird, das Gleiche gesagt werden kann, was in Hebräer 11,4 über Abel geschrieben steht: „… durch diesen Glauben redet er noch, obgleich er gestorben ist.“ Mir war es eine große Freude, den Heiligen der Vergangenheit zuzuhören. Aber nicht nur eine Freude. Sie haben wieder und wieder meine Hände zum Dienst gestärkt. Sie haben mir das Gefühl gegeben, Teil von etwas zu sein, das viel größer ist als ich selbst oder mein Jahrhundert. Sie haben mir gezeigt, dass die schlimmsten Zeiten nicht die letzten Zeiten sind, und sie haben das Versprechen Gottes, dass alle Dinge zu unserem Guten mitwirken, sichtbar gemacht. Sie haben ein Beispiel für Mut und Beharrlichkeit angesichts vergänglichen Widerstands gegeben. Sie haben mir geholfen, mein Leben für die Wahrheit und die Liebe und die weltweite Evangelisation zu verwenden. Sie haben meine Liebe für die Gemeinde Jesu immer wieder neu entfacht. Sie haben meinen Entschluss bestärkt, ein treuer Ehemann und Vater zu sein. Sie haben es mir zum Anliegen gemacht, die Schönheit Gottes zu sehen und zu genießen. Sie haben mich dazu bewegt, mir Mühe zu geben, von dieser Schönheit in einer Weise weiterzusagen, die andere nicht langweilt. Sie haben meine Liebe zu meinen Geschwistern beflügelt, mit denen ich an der gewaltigsten Aufgabe der Welt arbeite. Und sie haben all das – und mehr – auf eine Weise gemacht, die meine Freude am Herrn weckte und mich froh machte, unter seiner Herrschaft und in seinem Dienst zu stehen.

Mein Gebet ist, dass dir Biografien, die du hörst oder liest, in gleicher Weise und darüber hinaus zur Freude undzum Nutzen sind. Denn die Schwäne schweigen nicht.