Pflicht und Ehre

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Aktuelle Version vom 3. August 2010, 14:26 Uhr

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Von R.C. Sproul Über Wahrheit
Teil der Right Now Counts Forever-Serie

Übersetzung von Thomas Menz

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Vor mehreren Jahren nahm ich an einer Diskussion mit einigen Geschäftsleuten in Jackson, Mississippi teil. Im Verlauf des Gespräches erwähnte einer der Männer einen Mann, der an dem Treffen nicht teilnahm. Er sagte: „Er ist ein ehrenwerter Mann.“ Als ich diese Bemerkung hörte, stellten sich meine Ohren auf, da ich einen Moment lang dachte, ich hätte etwas in einer fremden Sprache gehört. Ich war mir im Klaren, dass ich mich mitten im tiefen Süden befand, wo die alten Bräuche nicht vollständig ausradiert waren, jedoch kam ich nicht darüber hinweg, dass jemand in diesen Tagen und in diesem Alter das Wort Ehre als Beschreibung für einen Menschen benutzte. Das Wort Ehre ist etwas altmodisch geworden. Wir denken an die berühmte Rede, die General Douglas MacArthur in West Point unter dem Titel “Pflicht, Ehre und Vaterland” hielt, aber das lag mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. Heute ist das Wort Ehre aus der englischen Sprache beinahe verschwunden. Eigentlich sehe ich dieses Wort nur noch auf Autoaufklebern, die verkünden, dass der Eigentümer des Autos ein Kind hat, das auf der „Ehrenrolle“ eingetragen ist, aber „Ehrenrolle“ ist wahrscheinlich der letzte, verkümmerte Überrest eines vergessenen Begriffes.

Ich spreche über Ehre, weil das Wörterbuch den Begriff Ehre als das Hauptsynonym für das Wort Rechtschaffenheit erwähnt. In diesem Artikel ist mir die Frage wichtig: „Was bedeutet Rechtschaffenheit?“ Falls wir die langweiligen Definitionen verwenden, die uns von Lexikographen gegeben werden, wie wir sie in Webster’s Wörterbuch finden, lesen wir verschiedene Einträge. Zuerst wird Rechtschaffenheit als „das unnachgiebige Festhalten an moralischen und ethischen Prinzipien“ definiert. Zweitens bedeutet Rechtschaffenheit „Charakterfestigkeit“. Drittens bedeutet Rechtschaffenheit „Ehrlichkeit“. Viertens bezieht sich Rechtschaffenheit darauf, „ganz oder vollständig“ zu sein. Fünftens und letztens bedeutet Rechtschaffenheit, dass jemandes Charakter „unbeschädigt“ ist.”

Nun, diese Definitionen beschreiben Personen, die beinahe genauso selten sind wie der Gebrauch des Begriffes Ehre. Im ersten Beispiel würde Rechtschaffenheit jemanden beschreiben, den wir alle als einen Menschen mit Prinzipien bezeichnen würden. Ein Mensch mit Prinzipien ist nach der Definition des Wörterbuches kompromisslos. Dieser Mensch ist nicht in jeder Verhandlung oder Diskussion kompromisslos, jedoch mit Blick auf moralische und ethische Prinzipien. Es ist eine Person, die ihre Prinzipien über den persönlichen Vorteil stellt. Die Kunst des Kompromisses ist eine Tugend in einer politisch korrekten Kultur, wobei die politische Korrektheit selbst von der jeweiligen Politik abhängt. Politisch zu sein bedeutet oftmals eine Person zu sein, die bei allem Kompromisse eingeht, einschließlich bei ihren Prinzipien.

Wir sehen auch, dass Rechtschaffenheit sich auf Charakterfestigkeit und Ehrlichkeit bezieht. Wenn wir ins Neue Testament schauen, zum Beispiel beim Apostel Jakobus, so gibt uns Jakobus eine Liste von Tugenden, die im Leben eines Christen offenbar werden sollten. Im fünften Kapitel seines Briefes in Vers 12 schreibt er: „Vor allen Dingen aber, meine Brüder, schwört nicht, weder bei dem Himmel noch bei der Erde noch mit einem andern Eid. Es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht dem Gericht verfallt.“ Hier hebt Jakobus die Vertrauenswürdigkeit des Wortes einer Person hervor, die einfache Aussage „Ja“ oder „Nein“, als eine Tugend, die über allem steht. Was Jakobus sagen will ist, dass Rechtschaffenheit eine Art von Ehrlichkeit erfordert, die anzeigt, dass wir an unser Wort gebunden sind und dass, wenn wir etwas sagen, dies auch tun. Wir sollten keine heiligen Schwüre und Gelübde benötigen, damit andere uns vertrauen. Rechtschaffenen Menschen kann man auf der Basis dessen, was sie sagen, vertrauen.

In unserer Kultur sehen wir wieder und wieder den Unterschied zwischen einem Politiker und einem Staatsmann. Eine mir bekannte Person beschrieb diesen Unterschied wie folgt: Ein Politiker ist ein Mensch, der an die nächste Wahl denkt, während ein Staatsmann ein Mensch ist, der an die nächste Generation denkt.

In solch einer Unterscheidung findet sich zugegebenermaßen ein gewisser Zynismus, der Gedanke, dass Politiker Menschen sind, die bei Tugenden und Prinzipien Kompromisse machen, um gewählt zu werden oder im Amt zu bleiben. Solch ein Mangel an Tugenden findet man nicht nur bei Politikern, sondern auch jeden Tag in den Gemeinden, bei denen es zeitweise scheint, als seien sie mit Geistlichen gefüllt, die in der Tat bereit sind, um ihrer aktuellen Beliebtheit willen bei der Wahrheit des Evangeliums Kompromisse zu machen. Dies ist der selbe Mangel an Rechtschaffenheit, der die Nation Israel im Alten Testament zerstörte, als die falschen Propheten lieber das verkündeten, was die Menschen hören wollten, als das, was Gott ihnen zu sagen befohlen hatte. Das ist das klassische Beispiel eines Mangels an Rechtschaffenheit.

Wenn wir das Neue Testament betrachten, sehen wir das größte Beispiel des Mangels an Rechtschaffenheit bei der Verurteilung Jesu durch den römischen Prokurator Pontius Pilatus. Nachdem er Jesus verhört hatte, kündigte Pilatus der schreienden Menge an: „Ich finde kein Falsch an ihm.“ Dennoch war Pilatus nach dieser Erklärung bereit, den Fehlerlosen in die Hände des rasenden Mobs auszuliefern. Dies war ein klarer Akt des politischen Kompromisses, wobei Prinzipien und Ethik außer Acht gelassen wurden, um eine hungrige Menschenmasse zu beschwichtigen.

Wir schauen wieder in das Alte Testament, um den Propheten Jesaja in seiner Vision zu erleben, die in Kapitel 6 dieses Buches aufgeschrieben ist. Wir erinnern uns, dass Jesaja den hohen und erhobenen Herrn sah, sowie die Seraphim, die das Trisagion (christliche Hymne) singen: „Heilig, heilig, heilig.“ Als Antwort auf diese Erscheinung rief Jesaja aus: „Wehe mir“ und verfluchte sich selbst. Er nannte den Grund für diesen Fluch: „Ich vergehe.“ Was Jesaja in diesem Moment erlebte, war ein menschlicher Zerfall. Vor dieser Vision wurde Jesaja als der gerechteste Mensch der Nation angesehen. Er stand sicher und überzeugt in seiner eigenen Rechtschaffenheit. Alles wurde von dieser Tugend zusammengehalten. Er betrachtete sich selbst als eine ganze, ausgeglichene Persönlichkeit, aber sobald er das endgültige Vorbild und den Standard für Rechtschaffenheit und Tugend im Charakter Gottes gesehen hatte, erlebte er Zerfall. Er fühlte sich an den Nähten auseinanderfallen, und er erkannte, dass seine Auffassung von Rechtschaffenheit bestenfalls eine Täuschung war.

Calvin zeigt, dass dies das übliche Los der Menschen ist, die, solange sie ihren Blick auf die horizontale oder irdische Ebene einer Erfahrung richten, in der Lage sind, sich selbst zu gratulieren oder die sich selbst mit allen Schmeicheleien beinahe für Halbgötter halten. Aber wenn sie einmal ihren Blick zum Himmel richten und nur für einen Moment darüber nachdenken, was für eine Art Wesen Gott ist, stehen sie erschüttert und bebend da und rücken von jeder weiteren Illusion ihrer Rechtschaffenheit ab.

Christen sollten den Charakter Gottes widerspiegeln. Christen sollten in Bezug auf ihre ethischen Prinzipien kompromisslos sein. Christen sind berufen ehrbare Menschen zu sein, deren Wort man vertrauen kann.