Expositorisches Predigen und dessen Anwendung

Aus Biblische Bücher und Predigten

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Version vom 2. Februar 2011, 17:42 Uhr

Neulich wurde mir eine Frage gestellt, die oft gefragt wird, wenn man expositionell predigt, nämlich: wie kann die biblische Textpassage in der Predigt angewandt werden?

Erstens sollte man bedenken, dass hinter solche Fragen sich auch manche fragliche Annahme verbergen kann. Der Fragende erinnert sich vielleicht an “expositionelle” Predigten die er schonmal gehört hat (oder vielleicht sogar selber schonmal gepredigt hat), die sich nicht im Geringsten von Bibelvorträgen an der Hochschule oder im Priesterseminar unterscheiden. Diese mögen akkurat und gut strukturiert gewesen sein, obwohl sie recht wenig von der göttlichen Dringlichkeit oder Hirtenweisheit enthalten zu haben schienen. Diese expositionelle Predigten mögen nur wenig oder kaum Anwendung gefunden haben. Andererseits könnte der Fragende die Anwendung einfach nur misverstanden haben. Es mögen sich vielleicht einige verschiedene Anwendungsmölglichkeiten in den Predigten gefunden haben, der Fragende hat diese jedoch nicht recht erkannt.

William Perkins, der große Puritanische Theologe aus Cambridge im 16. Jahrhundert wies Prediger an, sich die verschiedenen Arten von Hörern, die sich ihre Predigten anhören vorzustellen, und sich die möglichen Anwendungen der Wahrheit ihrer Predigten durchzudenken, die an verschiedene sogenannten hartherzige Sünder, fragende Zweifler, träge heilige Herzen, junge Enthusiasten usw. gerichtet sind. Ich möchte diese Frage nochmal anders angehen. Viele von uns die dazu angehalten werden, Gottes Wort zu predigen, wissen dies sicherlich schon. Es ist jedoch gut sich diese Tatsache immer wieder in Erinnerung zu rufen: nicht nur gibt es verschiedene Arten von Hörern, sondern auch verschiedene Arten von Anwendungen, die allesamt als legitime Anwendungsmöglichkeiten betrachtet werden können.

Wenn ich das Wort predige, werde ich dazu aufgerufen die Schrift genauestens zu erklären, also eine Stelle aus Gottes Wort deutlich und fesselnd darzustellen und somit auch auf eine gewisse Drinlichkeit des Wortes hinzuweisen. Dieser Prozess besteht aus mindestens drei verschiedene Arten von Anwendungen die wiederum drei verschiedene Arten von Problemen aufbringen oder wiederspiegeln, die wir auch in unserer eigenen christlichen Pilgerfahrt finden können. Erstens leiden wir oft unter der Qual der Unwissenheit. Zweitens kämpfen wir gegen den Zweifel und dies vermutlich öfter als wir zu vernehmen glauben. Letztens sind wir Sünder. Ob durch ungehorsame Taten oder reine Nachlässigkeit ist unwichtig. Man sehnt sich nach einer Umkehrung dieser Probleme sowohl bei sich wie auch den Hörern, wenn man Gottes Wort predigt. Und jedes Problem fürht auch zu einer anderen Art von Anwendung.

Unwissenheit ist ein grundlegendes Problem in einer gefallenen Welt. Wir haben Gott von uns entfremdet. Wir haben uns von einer direkten Gemeinschaft mit Gott abgesondert. Es ist daher nicht überraschend, dass das Unterrichten von Menschen über die Wahrheit Gottes selber eine kraftvolle Anwendung an sich ist, und eine die wir dringend benötigen. Dies soll keine Entschuldigung für trockene oder leidenschaftslose Predigten sein. Man kann genauso (oder mehr noch) leidenschaftlich über einer indikativen Aussage wie über einer imperativen Aufforderung sein. Die Gebote Gottes im Evangelium, dass man bereuen soll und glauben soll bedeuten nichts ohne den wegweisenden Aussagen über Gott, den Menschen und Christus. Information ist lebenswichtig. Wir werden dazu angehalten, die Wahrheit zu unterrichten und die große Botschaft über Gott zu verkünden. Wir wollen, dass Menschen die unsere Botschaften hören, von Unwissenheit auf Kenntnis über die Wahrheit wechseln koennen. Solch eine tief empfundene Kenntnis ist Anwendung.

Zweifel ist anders als einfache Ignoranz. Bei Zweifel hinterfragen wir generell Ideen oder Wahrheiten, die uns vertraut sind. Diese Art der Hinterfragung ist nicht selten unter Christen. In der Tat kann Zweifel eine der wichtigsten Angelegenheiten in unseren Predigten sein die wir aufmerksam durchzudenken und gänzlich anzufechten versuchen. Wir mögen annehmen, dass Apologetik vor einer Konvertierung die einzige Zeit ist, wenn wir dieses Thema ansprechen müssen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Um genauer zu sein, einige Leute die letzten Sonntag zu einem Gottesdienst waren und sich eine Predigt angehört haben, und die auch alle Tatsachen die über Christus, Gott, oder Onesimus erwähnt wurden kennen, mögen trotzdem noch damit gekämpft haben, ob sie jenen Tatsachen auch wirklich Glauben schenken können. Manchmal wird solcher Zweifel nicht laut ausgesprochen. Wir mögen uns dieser Zweifel nicht einmal bewusst sein. Wenn wir jedoch anfangen in der Schrift nachzuforschen, stossen wir oft auf Fragen, Unsicherheiten und Unschlüssigkeiten, die uns nur zu genau jene Zweifel wieder vor Augen führen, die uns von unserem vertrauensvollen Pilgerweg wegzuführen vermögen. Es ist zu diesen Menschen, oder gar diesem Teil unseres eigenen Herzens, dass wir unsere Argumentation richten möchten, um sie auf die Dringlichkeit der Wahrhaftigkeit von Gottes Wort und auf die Wichtigkeit, dem auch Glauben zu schenken aufmerksam zu machen. Wir werden dazu angehalten die Hörer auf die Wahrhaftigkeit Gottes Wort hinzuweisen. Wir wünschen uns, dass Menschen die sich unsere Botschaft anhören sich vom Zweifler zum eifrigen Gläubiger dieser Wahrheit verwandeln können. Solch ein dringendes, wahrheitsuchendes Predigen ist Anwendung.

Sünde auch, ist ein Problem in dieser gefallenen Welt. Unwissenheit und Zweifel können selber Sünden oder bzw. das Resultat spezifischer Sünden sein, oder aber keines von beiden. Sünde ist jedoch mehr als nur Vernachlässigung oder Zweifel. Seien Sie sicher, dass Menschen die sich in der Woche bevor sie sich Ihre Predigten anhörten, die möglicherweise mit Ungehorsam kämpfen mussten zweifellos weiter, in der Woche die gerade beginnt mit Ungehorsam kämpfen werden. Die Sünden werden verschieden sein. Einige werden eine Tätigkeitmissachtung darstellen; andere wiederum eine Untätigkeitsmissachtung. Ob jedoch aus Handeln oder Nicht-Handeln, Sünden bedeuten ein Ungehorsam gegenüber Gott. Was teilweise durch Predigten erreicht werden soll ist, dass Gotteskinder dazu bewegt werden, ein heiliges Leben zu führen, das Gottes eigene Heiligkeit wiederspiegelt kann. So ist ein Teil der Anwendung der von uns gepredigten Textstellen, in der jeweiligen Woche den Hörern die Folgen ihrer Taten in Bezug auf dieser gegebenen Textstelle näher zu führen. Als Prediger sind wir dazu aufgefordert, Gotteskinder zur Gehorsamkeit zu ermahnen. Wir wollen Menschen die sich unsere Botschaft anhören, sich von sündenvollem Ungehorsam auf freudige, erfreuliche Gerhorsamkeit bewegen, gemäss Gottes Wille so wie in der Schrift offenbart. Solch eine Ermunterung zur Gehorsamkeit ist sicherlich auch Anwendung.

Die wichtigste Botschaft, die wir jedes Mal verkünden und anwenden müssen, wenn wir predigen, ist das Evangelium. Einige Menschen kennen die frohe Botschaft von Jesus Christus noch nicht. Menschen die möeglicherweise sogar bei Ihren Predigten teilgenommen haben, können abgelenkt worden sein, oder anderweitig geistig abwesend gewesen sein. Sie müssen noch über das Evangelium unterrichtet werden. Man muss es ihnen nahebringen.

Andere wiederum mögen die Wahrheit gehört, es verstanden und es sogar ehrlich akzeptiert haben, befinden sich nun jedoch mitten im Zweifel über die Angelegenheiten, die Sie in Ihrer Botschaft adressiert haben, oder die Sie gedacht haben, addressiert zu haben. Diese Menschen brauchen dringend die Unterstützung die es Ihnen ermöglicht, die Wahrhaftigkeit der frohen Botschaft von Jesus Christus wahrlich glauben zu können.

Ferner kann es Menschen geben, die die Botschaft auch gehört und verstanden haben, jedoch nur zögerlich ihre Sünden zu bereuen vermögen. Sie mögen vielleicht nicht einmal an der Wahrhaftigkeit dessen, was von Ihnen gepredigt wird zweifeln, sind jedoch etwas Träge in ihrer Reue. Sie wenden sich auch nur zögelich an Christus. Daher konnte die kraftvollste Anwendung die Sie diesen Hörern bieten können darin liegen, sie dazu zu bewegen, dass sie anfangen ihre Sünden zu verabscheuen und sich somit langsam die Nähe Christus suchen. In allen unseren Predigten können wir somit das Evangelium direkt anwenden, indem wir es durch Informationsweitergabe, Ermunterung und Dringlichkeit an den Menschen bringen.

Eine oft erlebte Herausforderung für alle Prediger besteht darin, Menschen zu begegnen, die ihre Probleme hauptsächlich in dem einen oder anderen Bereich sehen und oft der Meinung sind, dass der Prediger die Schrift nicht wirklich auf ihr Problem in der Predigt angewandt hat, wenn ihr Problem nicht angesprochen wurde. Sind sie im Recht? Nicht unbedingt. Während Sie Ihre Predigten dadurch verbessert werden können, dass Sie das problem des Zweifels vielleicht öfter und in dessen Ganzheit ansprechen, ist es durchaus nicht falsch diejenigen durch die Predigt zu informieren, die es am Meisten benöetigen, oder vielleicht intensiver dazu ermuntert werden müssen, sich von ihren Sünden zu trennen. Auch dann, wenn die Person zu der Sie predigen sich dessen Notwendigkeit nicht bewusst ist.

Eine Schlussbemerkung noch. Sprüche 23:12 in der Bibel besagt: "Gib dein Herz zur Zucht und deine Ohren zu vernünftiger Rede". In englischen Übersetzungen scheint es, dass das Wort "apply" (=anwenden) sich in der Bibel fast immer (oder möglicherweise) ausschliesslich auf die Arbeit jener Menschen, die das Wort hören richtet, anstatt auf die Arbeit des Predigers (wie uns Homiletik lehrt), oder gar des Heiligen Geistes (wie Systematik uns recht lehrt). Wir werden dazu aufgerufen, das Wort auch bei unserem eigenen Herzen anzuwenden, damit wir uns dann auch an diese Arbeit richten können.

Dies ist möglicherweise die wichtigste, einzelne Anwendung die wir am einem kommenden Sonntag und zugunsten aller Kinder Gottes ausrichten könnten.