Die dunkle Nacht der Seele
Aus Biblische Bücher und Predigten
Von R.C. Sproul
Über Leiden
Teil der Right Now Counts Forever-Serie
Übersetzung von Andreas Enns
Die dunkle Nacht der Seele. Dieses Phänomen beschreibt ein Leiden, das die Größten unter den Christen von Zeit zu Zeit erdulden mussten. Es war das Leiden, das David dazu brachte sein Kissen mit Tränen zu durchnässen. Es war das Leiden, das Jeremiah den Beinamen „Der weinende Prophet“ bescherte. Es war das Leiden, das Martin Luther so sehr betrübte, dass seine Melancholie ihn zu zerstören drohte. Das ist keine gewöhnliche Gemütslage einer Depression, sondern eine Depression, die mit einer Glaubenskrise zusammenhängt, eine Krise, die hervorgerufen wird durch das Gefühl der Abwesenheit Gottes oder durch das Gefühl von Ihm verstoßen zu sein.
Geistliche Depression ist real und kann heftig sein. Wir fragen uns wie eine Person des Glaubens solch geistliche Tiefen erleben konnte. Unser Glaube ist kein unerschütterlich konstanter Prozess. Er ist beweglich. Er schwankt. Wir bewegen uns von Glaube zu Glaube, und dazwischen können wir Zeiten des Zweifels haben wenn wir rufen: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben.“
Wir könnten auch meinen, dass die dunkle Nacht der Seele absolut unverträglich ist mit der Frucht des Geistes, nicht nur die des Glaubens, sondern auch die der Freude. Wenn der Heilige Geist das Herz mit unaussprechlicher Freude gefüllt hat, wie kann dann in dieser Kammer Raum sein für solch eine Finsternis? Es ist wichtig für uns einen Unterschied zwischen der geistlichen Frucht der Freude und dem kulturellen Konzept von Glück zu machen. Ein Christ kann Freude im Herzen haben während in seinem Kopf noch geistliche Depression herrscht. Die Freude, die wir haben, trägt uns durch diese dunklen Nächte und wird von der geistlichen Krise nicht ausgelöscht. Die Freude des Christen ist eine, die alle Tiefen des Lebens übersteht.
In seinem zweiten Brief an die Korinther, legt Paulus seinen Lesern die Wichtigkeit der Predigt und des Vermittelns des Evangeliums ans Herz. Aber darin erinnert er die Gemeinde, dass der Schatz den wir von Gott haben ein Schatz ist, der nicht in Gold- und Silbergefäßen ist, sondern in „irdenen Gefäßen“, wie es der Apostel nennt. Aus diesem Grund sagt er: „auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.“ Unmittelbar nach dieser Erinnerung, fügt der Apostel hinzu, „Wir werden allenthalben bedrängt, aber nicht erdrückt; wir kommen in Verlegenheit, aber nicht in Verzweiflung; wir werden verfolgt, aber nicht verlassen; wir werden niedergeworfen, aber wir kommen nicht um; wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe herum, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“ (2. Kor. 4:8-10).
Dieser Abschnitt zeigt die Grenzen der Niedergeschlagenheit die wir erleben. Die Krise kann tiefgreifend sein, aber sie ist nicht dauerhaft oder verhängnisvoll. Bemerkenswert ist, dass der Apostel unseren Zustand auf verschiedene Weise beschreibt. Er sagt, dass wir „bedrängt“ werden, in „Verlegenheit“ kommen, „verfolgt“ und „niedergeworfen“ werden. Das sind eindringliche Bilder, die den Konflikt beschreiben, den Christen erdulden müssen. Aber jedes Mal wenn er dieses Phänomen beschreibt, nennt er auch dessen Grenzen. Bedrängt, aber nicht erdrückt. In Verlegenheit, aber nicht in Verzweiflung. Verfolgt, aber nicht verlassen. Wir werden niedergeworfen, aber wir kommen nicht um.
Wir müssen also diesen Druck ertragen, aber auch wenn er hart sein kann, bringt er uns nicht zu Fall. Wir können irritiert und verlegen sein, jedoch bringt uns dieser tiefe Punkt zu dem uns die Verlegenheit geführt hat nicht in totale Verzweiflung. Sogar in Verfolgung, so hart sie auch sein kann, sind wir nicht verlassen, und wir können überwältigt und niedergeschlagen sein, wovon Jeremiah gesprochen hat, und doch Raum zur Freude haben. Denken wir an den Propheten Habakuk, der in seinem Elend zuversichtlich blieb, dass Gott ihm, trotz seiner Rückschläge, die er erduldete, Füße wie Hirschfüße geben würde, Füße, die ihn befähigten auf Höhen zu gehen.
An einer anderen Stelle, im Brief an die Philipper ermahnt sie der Apostel Paulus sich um nichts Sorgen zu machen, während er ihnen klar macht, dass die Befreiung von ängstlichen Sorgen auf den Knien zu finden ist, dass es der Friede Gottes ist, der unseren Geist beruhigt und unsere Angst verschwinden lässt. Wieder ist es so, dass wir ängstlich und nervös und besorgt sein können ohne letztendlich in totale Verzweiflung zu fallen.
Diese Koexistenz von Glaube und geistlicher Depression gibt es auch in anderen biblischen Aussagen von emotionalen Verfassungen. Uns wird gesagt, dass es völlig legitim für Gläubige ist Leid zu tragen. Selbst unser Herr war ein Mann des Leidens und kannte den Kummer. Obwohl Betrübnis bis zu den Wurzeln unserer Seele dringen kann, muss es nicht in Verbitterung enden. Kummer ist ein legitimes Gefühl, manchmal sogar eine Tugend, aber es darf in der Seele keinen Platz für Bitterkeit geben. In gleicher Weise sehen wir, dass es gut ist in das Haus der Trauer zu gehen, aber selbst im Trauern muss dieses tiefe Gefühl nicht zu Hass führen. Die Anwesenheit des Glaubens gibt keine Garantie für die Abwesenheit von geistlicher Depression; trotzdem, die dunkle Nacht der Seele weicht immer der Helligkeit des Tageslichts der Anwesenheit Gottes.