Wenn Sünder sich das „Ja-Wort“ geben/Vergebung – völlig und frei

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Inhaltsverzeichnis

Wie man vereint, was Sünde getrennt hat

Das Abkommen sah vor, 40 Milliarden US-Dollar an Schulden zu erlassen, eine bislang beispiellose Aktion in den internationalen Beziehungen. Die am G8-Gipfel teilnehmenden Nationen hatten beschlossen, die Schulden von achtzehn hoch verschuldeten Ländern Afrikas, die dafür in Frage kamen, zu erlassen.[1] Dabei handelte es sich um den größten Schuldenerlass der Geschichte. Die Handelnden der G8-Staaten beriefen sich dabei auf die Fähigkeit der Geberländer, die rein ökonomischen Interessen ihrer Länder großzügig zurückzustellen. 40 Milliarden US-Dollar – das sind eine ganze Menge Nullen! Als die Nachricht von dieser edlen Großzügigkeit um den Globus lief, wurde auch klar und deutlich: Eine enorme Menge an Schulden zu erlassen, ist zugleich auch eine enorm starke Botschaft.

Im vorangegangenen Kapitel haben wir besprochen, welche wunderbare Kraft die Gnade in der Ehe hat – besonders dann, wenn sie von dem, der sie empfangen hat, auch weitergegeben wird. In diesem Kapitel betrachten wir einen anderen Aspekt der Gnade: Vergebung.

In der Schrift sind die beiden Begriffe Vergebung und Gnade so eng miteinander verbunden, dass sie fast synonym gebraucht werden können. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied: Gnade kann jemandem widerfahren, ohne dass er es merkt. Vergebung ist jedoch ein Geschehen, das in der Regel zwei Parteien betrifft.[2]

Beim genannten G8-Abkommen handelten wohlhabende Nationen verantwortlich für eine Schuld, die von anderen verursacht worden war. Die davon betroffenen Schuldner nahmen diesen Erlass dankbar an und betrieben von da an ihre Staatsgeschäfte auf dieser neuen Grundlage. So bedeutsam dies auch für Staaten sein mag, berichtet Kapitel 18 im Matthäusevangelium jedoch von der Tilgung einer weitaus größeren Summe. Und die sollte bei Sündern, die sich das Ja-Wort geben, eine enorm starke Beachtung finden.

Simon Petrus kann offensichtlich nicht einsehen, dass man jemandem immer wieder vergeben muss, wenn der an einem immer wieder schuldig wird. Er war so ein typischer „dem-kann-ichwirklich- nicht-folgen“-Fragesteller und wollte in Vers 21 wissen, wie oft man seinem Bruder vergeben müsse. Petrus versuchte, Dinge zu berechnen, die man aber nicht berechnen kann. Seiner Frage war eine Unterweisung Jesu vorausgegangen, die den Umgang mit Sünden innerhalb der Glaubensgemeinschaft betraf.

Und nun wollte Petrus natürlich konkret werden. Wie oft muss ich jemandem vergeben, bevor ich meinerseits bei ihm wieder zur Sache kommen kann? Petrus hoffte also auf eine feste Abmachung nach dem Motto: „Herr, lass uns dies doch geschäftsmäßig regeln, sodass wir beide gewinnen. Wir wissen doch, was Vergebung auf dem freien Markt für einen Wert hat. Ich biete Dir hiermit sieben Mal an, und damit ist die Sache erledigt!“

Jesus schien jedoch eine andere Vorstellung vom Wert der Vergebung zu haben, denn Er antwortet Petrus mit einer göttlichen Mathematikübung. Wie viel ist 7 x 7? Petrus braucht an dieser Stelle mehr als nur einen Taschenrechner, er braucht eine völlige Erneuerung seines Verständnisses von der Liebe und Vergebung Gottes. Und so führt der Herr Petrus an ein Beispiel von Vergebung heran, das keinerlei Zweifel daran lässt, was wahre Vergebung wirklich wert ist. Lasst uns an dieser Stelle Jesus zuhören: „Deswegen ist es mit dem Reich der Himmel wie mit einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. Als er aber anfing, abzurechnen, wurde einer zu ihm gebracht, der zehntausend Talente schuldete.

Da er aber nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn und seine Frau und die Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und damit zu bezahlen. Der Knecht nun fiel nieder, bat ihn kniefällig und sprach:

Herr, habe Geduld mit mir, und ich will dir alles bezahlen. Der Herr jenes Knechtes aber wurde innerlich bewegt, gab ihn los und erließ ihm das Darlehen. Jener Knecht aber ging hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der ihm hundert Denare schuldig war. Und er ergriff und würgte ihn und sprach: Bezahle, wenn du etwas schuldig bist! Sein Mitknecht nun fiel nieder und bat ihn und sprach: Habe Geduld mit mir, und ich will dir bezahlen. Er aber wollte nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er die Schuld bezahlt habe. Als aber seine Mitknechte sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt und gingen und berichteten ihrem Herrn alles, was geschehen war. Da rief ihn sein Herr herbei und spricht zu ihm: Böser Knecht! Jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest. Solltest nicht auch du dich deines Mitknechtes erbarmt haben, wie auch ich mich deiner erbarmt habe? Und sein Herr wurde zornig und überlieferte ihn den Folterknechten, bis er alles bezahlt habe, was er ihm schuldig war. So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt“ (Matthäus 18,23-35).

Um Petrus (und uns allen) beim Verstehen zu helfen, erzählt Jesus das Gleichnis von einem König, der jemandem die Summe von 10.000 Talenten erlässt, eine Zahl, die weit über dem lag, was Seine Zuhörer sich vorstellen konnten – 1 Talent entsprach 6.000 Denaren. Der Schuldner wiederum, dem diese riesige Summe erlassen worden war, begegnet anschließend seinem Schuldner, der ihm lediglich 100 Denare schuldig ist – 1 Denar entspricht ungefähr dem Tageslohn eines Arbeiters. Als dieser seine Zahlungsunfähigkeit erklärt, lässt er ihn, anstatt ihm seine Schuld auch zu erlassen, doch glatt ins Gefängnis werfen. Der König findet heraus, was geschehen ist, wird zornig auf den Gauner und „überlieferte ihn den Folterknechten, bis er alles bezahlt habe, was er ihm schuldig war“. Um einer etwaigen Verwechslung vorzubeugen, fasst der Herr in Vers 35 das Ganze noch einmal mit diesen Worten zusammen: „So wird auch mein himmlischer Vater euch tun.“ In diesem Augenblick schaute Jesus nicht nur Petrus oder Seine Jünger an, sondern auch einen jeden von uns, deine und meine Ehe, und sagt uns genauso: „So wird auch mein himmlischer Vater euch tun.“

Falls dich das jetzt umhaut – denn es sieht ja so aus, als ob damit gesagt ist, dass Gott Seinen eigenen Kindern gegenüber unbarmherzig ist –, möchte ich die Kernwahrheit dieses Gleichnisses etwas mehr hervorheben: Echte Vergebung weiterzugeben, ist ein klarer Beweis dafür, dass uns von Gott vergeben ist! Die Grundaussage ist die, dass Sünder, denen vergeben wurde, auch anderen Sünde vergeben.

Im vorangegangenen Kapitel betrachteten wir „Nachsicht“, nämlich die Gnade, Beleidigungen gegen uns um Christi willen zu übersehen. Nachsicht kommt immer dann in Frage, wenn wir tatsächlich in der Lage sind, eine erlittene Beleidigung ohne den geringsten Groll mit Liebe zu bedecken. Dieses Kapitel betrachtet nun ein anderes Thema, nämlich die Sünde, die nicht übersehen werden kann, sondern um Christi willen betrachtet werden muss. Wir werden dabei über die Vergebung sprechen, die nötig ist, wenn Sünde eingestanden und bekannt wird. Und wir werden versuchen, Vergebung aus einer biblischen Perspektive zu definieren, vielleicht sogar in einer Art und Weise, wie du sie noch niemals gesehen oder praktiziert hast.

Nach meiner pastoralen Erfahrung ist kaum ein Gnadenmittel so wenig und so falsch angewandt worden wie die Vergebung. Wird aber in einer Ehe die Vergebung, so wie die Bibel sie vorsieht, ausgesprochen, dann gibt es keinen besseren Weg zur Hoffnung und Veränderung. Um uns zu helfen, die Diskussion über Vergebung praxisnah zu führen, möchte ich von einem tatsächlichen Erleben berichten, der Geschichte meiner Freunde Jeremy und Cindy.

Eine bankrotte Ehe

Wahrscheinlich kennst du Jeremy und Cindy. Du bist ihnen schon begegnet, zumindest einem von ihnen. Sie sind das Paar, bei dem einfach alles stimmt – attraktiv, begabt, zielstrebig. Dazu noch ein hervorragendes Beispiel im Gemeindeleben. Manches Mal jedoch verbirgt die Tatsache des perfekten Äußeren nur ein inneres Chaos, und diese Ehe war in der Tat im Chaos gelandet.

Als ehrgeizige Persönlichkeiten vom „Typ A“ waren sie beide in der Lage, eine Menge Dinge in ihrem Leben zu bewältigen. Sie verliebten sich und schienen füreinander bestimmt zu sein. Nach einer prachtvollen Hochzeit etablierten sie sich im Leben der oberen Mittelklasse, benötigten aber nicht lange, um herauszufinden, dass dies nicht das war, was sie beide wirklich ersehnt hatten.

Als Ehepaar, das zwei Karrieren vereinigte, hatten sie beide angenommen, dass sie ihre Ehe in Teamwork führen würden. Es entwickelte sich jedoch ein unterschwelliger Wettbewerb zwischen ihnen. Stolz und Selbstsucht dominierten zunehmend ihr persönliches Leben. Als sich dann ihre beruflichen Zielsetzungen in unterschiedliche Richtungen entwickelten, zeigten sich bald Risse und Spalten im schwachen Fundament ihrer Ehe. In der Geschäftigkeit ihres Lebens konnte keiner von ihnen erkennen, wie diese Kluft sich beständig erweiterte.

Jeremy begann abzuwandern, zuerst in Gedanken, dann zunehmend und immer kühner auch in Taten, bis er sich schließlich völlig in einer ehebrecherischen Beziehung befand. Er beschreibt dies so:

Meine Gedanken und Taten wurden von meinem Stolz angetrieben. Meine Überzeugungen empfand ich als die einzig richtigen, und ich hatte ein ‚Recht‘ darauf, dass meine Bedürfnisse auch befriedigt wurden. Wann auch immer Cindy einen Bereich meines Lebens erwähnte, wo ihrer Meinung nach Veränderung schön wäre, war ich sehr schnell dabei, sie auf das hinzuweisen, was sie dabei übersah, und dass sie es doch mit mir wirklich ‚gut‘ getroffen hätte. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich in Auseinandersetzungen öfters Dinge sagte wie „jede andere Frau wäre gerne mit mir verheiratet“. Anstatt mit den zunehmenden Problemen in demütiger Weise umzugehen, entschied ich mich dafür, vor meiner von Gott gegebenen Verantwortung und meinem Eheversprechen wegzulaufen, und begann eine Beziehung zu einer anderen Frau. Das Weglaufen führte allmählich zu einer Verhärtung meines Herzens. Diese zeigte sich in meinem arroganten Versuch, herauszufinden, wie nahe ich der Flamme kommen konnte, ohne mich zu verbrennen. Je mehr Gedanken und Zeit ich mit dieser ungöttlichen Beziehung verbrachte, umso weniger interessierten mich Cindy und mein Zuhause. Die oberflächliche Schale der Religion war dabei kein Hindernis, der Täuschung und Kraft der Lust zu erliegen. Was als Versuchung begann, entwickelte sich schließlich zum tätigen Ehebruch. Während der Monate auf dem Weg dorthin erlebte ich ungewohnte Schlaflosigkeit und Besorgnis. Es war, als rannte ich auf einem Gleis direkt auf einen zwar hörbaren, doch unsichtbaren Zug zu. Ich wusste, das einzig Richtige wäre gewesen, von den Schienen herunterzuspringen, doch stattdessen rannte ich immer schneller und schneller, angezogen von der Leidenschaft der Gefühle. Ich wies Gottes Geduld von mir, der mir monatelang Gelegenheit gab, mich von der Sünde abzuwenden, und stürzte mich stattdessen bewusst in den Abgrund.

(Wenn ich hier einen Appell an Ehemänner und Ehefrauen richten kann, dann diesen: Solltest du zum Abgrund der Untreue unterwegs sein, sei es mit einer Person oder mit irgendeiner Form von Pornographie, dann kehre bitte um von deiner Sünde und wende dich an eine Person deines Vertrauens. Lies diese Geschichte als eine Warnung und einen Aufruf von Gott, der dich liebt und von dieser Sünde zu erretten sucht. Und den Männern möchte ich besonders ans Herz legen: Jungs, erhebt euch nicht über Jeremy, sondern identifiziert euch mit ihm. Wir sind ihm alle ähnlicher, als wir denken.)

Wir werden der Geschichte von Jeremy und Cindy in diesem Kapitel weiter folgen. Ich möchte es aber für den Moment hierbei belassen und noch etwas mehr darüber weitergeben, wie Vergebung wirkt, besonders in einer Ehe.

Vergebung rechnet mit dem heiligen Gott

Legen wir menschliche Bewertungsmaßstäbe an, dann können wir auf den Gedanken kommen, unsere ‚Gewohnheitssünden‘ gegen unseren Ehepartner (wie beispielsweise Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit oder unfreundliche Worte) entsprächen ungefähr der kleinen ,100-Denare-Sünde‘. Hingegen würden wir Jeremys Ehebruch als große ,10.000-Talente-Sünde‘ einordnen. Diese Denkweise kann uns zu der Annahme führen, dass unsere Sünde, wenn sie nicht so schlimm ist wie die von anderen Menschen (wie beispielsweise die meines Ehepartners), bei Gott deshalb auch nicht wirklich so negativ angesehen wird. Wenn ich meinen Gedanken aber diesen Weg erlaube, dann übersehe ich dabei vollkommen die Lektionen des Gleichnisses aus Matthäus 18 – und ich gehe auch am Herzen des Evangeliums vorbei.

Gewiss, viele Ehefrauen und Ehemänner werden Opfer schrecklicher Verfehlungen. Einige der Leser erleiden vielleicht immer noch unter das Trauma abscheulichen Missbrauchs, sei es körperlicher oder seelischer Art. Andere mögen Ehepartner haben, die sich weit von ihnen entfernt haben. Und doch – wie wir in Kapitel 2 gesehen haben – können wir die gute Nachricht von Jesus Christus im Evangelium nicht wirklich begreifen, bis wir erkannt haben, dass unsere eigene Sünde gegen den heiligen Gott eine weitaus größere Ungerechtigkeit darstellt als irgendetwas, was uns widerfahren sein mag.

Unser liebender Vater weiß sehr wohl um die Schwere der Sünde, die dir angetan wird. In Seiner vollkommenen Heiligkeit und Allwissenheit übersieht Er keine einzige Sünde. Aber in derselben Heiligkeit und Allwissenheit nimmt Er auch jede deiner Sünden wahr, egal wie groß oder klein sie dir erscheinen mögen und egal unter welchen Umständen du sie getan hast.

Damit will ich sagen: In den Augen unseres mitfühlenden und liebevollen Gottes ist Sünde gleich Sünde und Schuld gleich Schuld. Und alle Sünde ist gegen Seine grenzenlose Heiligkeit gerichtet. Meine läppische Gleichgültigkeit meiner Frau gegenüber ist ausreichende Berechtigung für den vollen Zorn Gottes über mir und bedarf des Blutes meines Erlösers, um sie zu tilgen.

Es ist richtig, dass manche Sünden, die Ehepartner einander antun, aus biblischer und rationaler Sicht als größer oder kleiner angesehen werden können, besonders was ihre Folgen angeht. Aber Jesus beabsichtigte mit Seinem Gleichnis nicht, große und kleine Sünden miteinander zu vergleichen, sondern Er wollte der Lehre von der Vergebung grundsätzlich eine solche Bedeutung verleihen, die unsere Vorstellung weit übertrifft und die uns die Herrlichkeit der Gnade Gottes offenbaren soll. Der König, der im Gleichnis Gott repräsentiert, war dem undankbaren Diener gegenüber, der uns darstellt, unvorstellbar gütig. Aber der demonstrierte mit seinem Verhalten deutlich, dass er die Tragweite dessen, was ihm widerfahren war, nicht begriffen hatte.

Wir müssen verstehen, dass das Entscheidende bei unserer Sünde nicht ihre Gewichtung ist, sondern der Status dessen, gegen den wir gesündigt haben. Hier liegt der Schlüssel. Und deshalb versetzt die Tatsache, dass jede Sünde gegen Gott gerichtet ist, uns in das ‚Lager der 10.000 Talente‘ – also in das Lager der schwersten Sünde. Das ist ein zentraler Punkt in diesem Gleichnis. In dem Gebetbuch „Das Tal der Visionen“ betete einer der Puritaner: „Lass mich nie vergessen, dass die Abscheulichkeit der Sünde nicht so sehr in der Art der begangenen Sünde liegt, sondern in der Größe der Person, gegen die gesündigt wurde.“[3] Die „Größe“ einer Sünde wird letztlich nicht durch die Sünde selbst festgelegt, sondern durch denjenigen, gegen den die Sünde gerichtet ist. Sünde ist deshalb unendlich böse, weil sie den Einen ablehnt, der unendlich heilig und gut ist. Je mehr wir die Vollkommenheit der Heiligkeit Gottes erkennen, umso offensichtlicher wird uns diese Wahrheit werden.

Um der Wahrheit und um unserer Ehe willen müssen wir uns dringend in den Schuhen des 10.000-Talente-Schuldners sehen. Die Wertschätzung der gewaltigen Tatsache, dass uns eine massive Schuld erlassen wurde (unsere Sünde gegen Gott), bildet die Basis und den Ausgangspunkt für unser Vergeben anderen gegenüber, die gegen uns gesündigt haben, die wir nur Menschen und nicht Gott sind. Wir werden niemals in der Lage sein, einander zu vergeben, wenn wir nicht die Tiefe unserer eigenen Sünde gegen Gott und den Reichtum Seiner Vergebung uns gegenüber begreifen.

Wenn wir uns nun vor dem Hintergrund von Jeremy und Cindy betrachten, dann sollten wir uns sofort unsere 10.000- Talente-Schuld eingestehen. Denn jeder Ehepartner – egal um wie viel höher nach unserer Berechnung der Schuldanteil des anderen ist – braucht Einen, der zwischen ihm und dem berechtigten Zorn Gottes steht. Wir alle brauchen den Erretter. 2. Korinther 5 spricht darüber in dieser Weise: „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm.“ Jesus tilgte unsere Schuld und gab uns dadurch einen vollkommen gerechten Stand vor Seinem heiligen Vater.

Der Puritaner Matthew Henry kommentierte dieses Gleichnis folgendermaßen: „Wenn dieser Stand das Maß der Vergebung ist, das der Jünger durch Christus empfangen hat, dann ist jede Begrenzung von Vergebung, die er seinem Bruder gegenüber zeigt, undenkbar.“[4] Das ist der Grund dafür, warum dieses Gleichnis mit einer so düsteren Warnung endet. Gott wird nicht zulassen, dass Seine vollkommene Vergebung so verspottet und beleidigt wird.

Wie wir jetzt sehen werden, wurde Jeremy schließlich durch eine Begegnung mit dem heiligen Gott dazu gebracht, seiner Frau seinen Ehebruch zu bekennen. Er schreibt Folgendes:

Ich glaube, Gott gebrauchte das ungezügelte Wesen meiner Sünde und vor allem auch ihre vernichtende Auswirkung, um mich wieder zur Besinnung zu bringen und mir die Notwendigkeit eines Erretters einzugestehen; ich konnte keinem anderen die Schuld für mein Verhalten zuschieben. Ich warf alle bisherigen religiösen Ausflüchte über Bord und suchte stattdessen die Gnade Gottes. Ich sehnte mich sehr nach Cindys Vergebung und der Wiederherstellung unserer Ehe. Und doch wusste ich, dass meine größte Not war, Vergebung von Gott zu erlangen. Eines Nachts bekannte ich meine schreckliche Sünde vor dem Allerhöchsten und flehte: „Gott, selbst wenn Cindy sich zur Scheidung entschließt (und ich wusste, dass sie biblisch gesehen jedes Recht dazu besaß), so weiß ich doch, dass ich an dieser Ehe kein Recht habe. Alles, was ich jemals verdiente, war Zorn. Vergib mir meinen Ehebruch im Herzen und in Taten, gegen Dich und gegen sie, aufgrund des Blutes, das Dein Sohn vergossen hat. Ich nehme Ihn und Sein Werk an, wie auch jede Züchtigung, die Du verlangst, um mein Herz zu verändern.“ An jenem Tag erhob sich – aus der Asche meines Bekenntnisses – die erste echte Liebe zu Gott. Ich hatte sie so zuvor nicht gekannt. Ich empfand ein Verlangen danach, der Vater und Ehemann zu sein, zu dem Gott mich berufen hatte. Ich hatte aus mir selbst heraus ja schon den Beweis erbracht, einer solchen Bezeichnung nicht würdig zu sein. Denn ich war unfähig, sie mit Inhalt zu füllen. Zum ersten Mal in meinem Leben empfand ich nun meine Schwachheit und Unzulänglichkeit. Bislang hatte ich stets gedacht, ich könne alles erreichen, wenn ich mich nur ernsthaft darauf einließe. Nun aber erkannte ich, dass echte Frucht in meinem Leben ein Wirken Gottes sein musste und dass ich dabei lediglich der Empfänger Seiner Gnade und Gaben war. Ich konnte den Schmerz der Vergangenheit auch nicht einfach ausradieren oder Hoffnung für die Zukunft entwickeln und irgendwie Frieden herstellen. Auch konnte ich Cindys Herz nicht verändern, sodass sie mir vergab und mich neu liebte. Nur ein Gott, der die Kraft besaß, einen Sünder wie mich zu erretten, konnte eine solch zerstörte Ehe wie die unsere wiederherstellen.

Jeremys Umkehr begann auf seinen Knien am Fuße des Kreuzes. Er war ein schwacher und zerbrochener Mann geworden. Genau das, was seine Ehe brauchte.

Vergebung ist kostspielig

Und was war mit Cindy? Was hat Jeremys Ehebruch in ihr bewirkt? Sie schreibt:

Als ich vom Ehebruch meines Mannes erfuhr, schien es, als käme unser rasantes Leben mit einer Vollbremsung zum Stillstand. Eine Dunkelheit und Einsamkeit, wie ich sie bislang nicht gekannt hatte, hüllte mich ein. Alles, was ich in jener Zeit erlebte, war mit schier überwältigender Finsternis und Trauer behaftet – fast so, als ob jemand gestorben wäre. Ich wandte mich Gott zu und rief Ihn um Hilfe an, Tag und Nacht. Doch der Schmerz blieb so stark. Angst vor der Zukunft, der Stachel, verraten worden zu sein, und die Frage: „Wie konnte Gott so etwas zulassen?“ wirbelten unaufhörlich in mir herum. Meine Gefühle waren immer wieder hin- und hergerissen von großer Traurigkeit, Eifersucht, Wut, Angst und sogar Courage, die im Nachhinein betrachtet wahrscheinlich eine Art Selbstschutz war. Ich wollte es doch irgendwie auch nicht wahrhaben, dass meine Ehe gescheitert war. Ich begann, Gottes Charakter in Frage zu stellen, machte Ihm schwere Vorwürfe, sah Ihn als hart, untreu, ja als grausam an. Ich gab meinen Gedanken weiten Raum, was zu Weinkrämpfen und Zornausbrüchen führte. Danach ging ich zumeist über in eine Phase der Selbstverurteilung und Depression. Selbst meine Träume waren furchterregend und weckten mich manchmal mitten in der Nacht auf. Je länger, je mehr zog ich mich zurück und verbrachte viel Zeit mit mir selbst.

Ich bin mir bewusst, dass mancher, der diese Passage liest, sich so fühlt, als ob Cindys Worte seine eigenen wären.

Stell dir vor, auch dich ereilt eiskalt eine so bittere Realität, verursacht durch die Untreue des Ehepartners oder durch irgendeine andere schwere und schmerzliche Sünde gegen dich. Nun findest du dich in einer Situation wieder, von der du wünschst, sie ginge einfach weg, obwohl du genau weißt, dass dies nicht der Fall sein wird. Das bedeutet, du stehst vor der Entscheidung, deinem Partner zu vergeben – oder nicht. Diese Entscheidung wird durch etwas verkompliziert, das alle Christen lernen müssen.

Vergebung ist kostspielig und kostet manchmal mehr, als wir zu haben meinen.

Es ist, als ob Vergebung unter uns wie durch eine Röhre mit drei Ventilen fließt. Alle drei müssen geöffnet sein, damit Vergebung von einer zur anderen Person fließen kann. Das erste Ventil wird von demjenigen betätigt, der gesündigt hat; es besteht aus Umkehr und der Bitte um Vergebung. Wir können sehen, wie Jeremy begann, dieses erste Ventil aufzudrehen. Er erkannte seine Sünde zuerst und zumeist als gegen Gott gerichtet und verzichtete auf jeglichen Anspruch eigener Gerechtigkeit. Er drückte seine Buße aus, indem er eine feste Entscheidung traf, sich von seiner Sünde ab- und Gottes Wegen zuzuwenden. Er akzeptierte auch alle Konsequenzen, die sich aus seinem früheren Handeln ergeben hatten. Und ebenso war er von Herzen bereit, zukünftig Gott zu gefallen, egal was der Preis dafür sein würde. Aus der Trauer über seine Sünde und aus dem festen Vorsatz der Umkehr heraus bat er Cindy demütig um Vergebung, ohne eine Forderung an sie zu erheben. Wahre Vergebung wird am ehesten dadurch ausgelöst, dass derjenige, der die Sünde begangen hat, sein Ventil weit öffnet.

Die anderen beiden Ventile werden von demjenigen betätigt, gegen den die Sünde gerichtet war. Diese Ventile zu öffnen, kann genauso schwierig sein wie das erste.

Ventil Nummer zwei ist das Ventil der Gnade. Es befreit den Sünder von der Haftung für seine Sünde, sodass er nicht bestraft wird. Um dieses Ventil zu öffnen, muss derjenige, gegen den gesündigt wurde, der Versuchung widerstehen, genauso zu reagieren wie jener Diener, der ohne Bereitschaft zur Vergebung einfach rief: „Bezahle mir, was du mir schuldest!“ Eine solche Bitterkeit gestoppt, wenn wir das Ventil der Liebe öffnen. Ruf dir Emmas Reaktion auf Gordons Bekenntnis aus unserem letzten Kapitel in Erinnerung. Wie einfach wäre es für Emma gewesen, gegen den jahrelang so herzlosen Gordon die Schleusen der Anklage zu öffnen? Stattdessen ‚bedeckte‘ Emma Jahre erlittener Sünde mit Barmherzigkeit und Gnade. Und genau diese Gnade stellte entscheidend die Weichen für die nachfolgende Entwicklung der ganzen Familie.

Das dritte Ventil, das nun noch geöffnet werden muss, ist die Bereitschaft dessen, gegen den die Sünde gerichtet war, den Preis dieser Sünde auch abzufangen. Zum Beispiel wurden deine Gefühle schwer verletzt, und das schmerzt. Wird dieser Schmerz bei dir nun abklingen, oder forderst du noch Bezahlung dafür? Dein Vertrauen wurde wegen dem, was dir angetan wurde, schwer erschüttert. Wird dein Herz nun versuchen, deinen Ehepartner zu zwingen, dir das, was er oder sie dir schuldet, wieder zu erstatten? Oder wirst du den Fußspuren des Herrn folgen und bereit sein, die Kosten dafür auf dich zu nehmen?

Unsere natürliche Reaktion auf Sünde ist in der Regel immer Matthäus 18, Vers 28 in Reinkultur: „Bezahle, was du mir schuldest, und bezahle es jetzt!“ Das heißt, unsere emotionale Reaktion ist nicht geistlich, auch nicht, wenn sie sich so anfühlt‚ als sei sie berechtigt. Wir haben nämlich sehr schnell den Verdacht, Gottes Methoden könnten nicht funktionieren. Darum erachten wir die biblische Reaktion, Sünde zu vergeben und auf jeden Haftungsanspruch an den Partner zu verzichten, als unmöglich schwer und natürlich auch als nicht gerecht.

Am Ende bleibt in solchen Fällen meist nur eine Art Wischiwaschi- Abmachung übrig, bei der man sich ungefähr in der Mitte trifft. Man besteht zwar nicht in Trotzhaltung auf volle Genugtuung, aber man schenkt auch nicht die volle und freie Vergebung Gottes weiter. Solch ein Kompromiss ist dann ungefähr so oberflächlich wie diese Worte: „Ach, lass mal, das ist schon okay so!“ Oder: „Natürlich vergebe ich dir“ (allerdings mit dem Unterton: ‚solange so etwas nicht mehr vorkommt!‘). Man kann aber auch schlicht die Vergebung verweigern und die Sünde des anderen wie einen alten Haftbefehl mit sich herumtragen, den man bei gegebenem Anlass sofort vollstrecken könnte. Die Bibel bezeichnet dies als Bitterkeit.

Wahre Vergebung sieht die Sünde des anderen ungeschönt als so böse an, wie sie tatsächlich ist, kommt auch definitiv auf sie zu sprechen, aber übernimmt anschließend die Kosten – durch die Kraft der überfließenden Gnade Gottes. Solche Vergebung setzt den Sünder wieder frei, das Sündenkonto wird gelöscht, geschlossen und aufgelöst. Genau so, wie wir es in Matthäus 18 gesehen haben. Ken Sande sagt dazu:

„Vergebung kann eine sehr kostspielige Angelegenheit sein. Übernimmt man eine Schuld, dann verschwindet diese nicht einfach. Stattdessen wird eine Haftung übernommen, die jemand anderes hätte tragen müssen. In vergleichbarer Weise verlangt es die Vergebung, die Auswirkungen der Sünde einer anderen Person zu übernehmen und sie nicht mehr für ihre Schuld haftbar zu machen. Das ist genau das, was Christus auf Golgatha vollbracht hat.“[5]

Das ist es also. Nichts in uns würde uns von Natur aus auf den Gedanken bringen, solch weitgehende, biblische Vergebung zu praktizieren; das empfinden wir einfach als viel zu hart. Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass das Gewähren einer solch tiefgreifenden Vergebung noch nicht einmal eine Garantie dafür ist, dass uns dieselbe Sünde nicht doch noch einmal angetan wird. Warum sich also darum bemühen? Nun, einfach deshalb, weil Christus uns genau diese völlige und kostenfreie Vergebung auf Golgatha geschenkt hat. Und das, obwohl Er wusste, dass wir Ihm dieselbe Sünde wieder antun würden. Nachdem wir nun eine solche Vergebung empfangen haben, sind wir durch die Kraft des Heiligen Geistes in der Lage, auch anderen dieselbe Vergebung zu schenken. Sünder, denen vergeben wurde, vergeben Sünde.

Diese Wahrheit war es, die letztendlich die richtige Reaktion Cindys auf Jeremys Bekenntnis ausgelöst hat. Es mag dich schockieren, aber damit Cindy Jeremy wirklich vergeben konnte, musste sie zuerst noch einmal ihre eigene Sünde näher betrachten.

Ich wusste, was das Wort Gottes über Vergebung sagt – dass ich im Lichte der großen Gnade Christi am Kreuz doch immer wieder freimütig vergeben sollte. Aber ich konnte auf diesem Gebiet meine eigene Sünde nicht deutlich genug erkennen. Und das wurde mir in der Tat zum Hindernis, Jeremy zu vergeben. Dieser Prozess nahm Zeit in Anspruch, wie mir schien viel zu viel Zeit. Manchmal dachte ich, ich würde es überhaupt nicht schaffen, andere Male wollte ich alles hinschmeißen und die Ehe beenden. Ich war kurzsichtig und wollte ein sofortiges Ende meiner Schmerzen, hier und jetzt. Denn ich hoffte, wenn mit der Ehe Schluss ist, wird auch Schluss mit meinen Schmerzen sein. Ich machte mir aber nur wenige Gedanken über die langfristigen Konsequenzen einer Ehescheidung. Nur durch Gottes Gnade beschritt ich diesen Weg nicht. Ich verfiel aber oft in Bitterkeit, tat dann darüber Buße – und fing wieder von vorne an. Je mehr ich aber in dieser Zeit das gepredigte Evangelium hörte, umso mehr war ich in der Lage, es zu verstehen und auf meine Situation anzuwenden. Allmählich erkannte ich meine eigene, tiefe Sündhaftigkeit und Gottes Erbarmen mit mir. Es war sehr hart, meinen eigenen Anteil am Zerbruch unserer Ehe einzugestehen. Ich wollte nur seine Seite in Augenschein nehmen und es dabei belassen. Aber Gott half mir, zu sehen, dass ich – obwohl Opfer der Sünde meines Mannes – auch für mich selbst nicht auf unschuldig plädieren konnte – schon gar nicht vor einem heiligen Gott. Das Evangelium gab mir die Kraft, meinem Mann zu vergeben. Christus war für unsere beider Sünden gestorben und hatte den vollen Kelch des Zornes Gottes, den wir beide verdient hatten, ausgetrunken. Durch die Offenbarung dieser Wahrheit wurde ich entwaffnet und demütig gemacht; ich sah, dass wir in Sachen Sünde mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede hatten. Aus dieser Erkenntnis heraus entstand dann echte Vergebungsbereitschaft. Dies praktisch auszuleben, gelang allerdings nicht immer ganz reibungslos. Es gab Zeiten, da offenbarte sich mir Gott und zeigte mir dieses Sein Evangelium in unglaublicher Weise. Ich erlebte dann echte Hoffnung, spürte Vergebung – und Freude. Es gab aber auch die gewöhnlichen Tage, den routinierten Alltag, wo ich überhaupt nichts verspürte; Gott lehrte mich aber, nicht auf meine Gefühle zu bauen, sondern auf Seine Gnade, die durch das Kreuz für mich da war. Ich erkannte schließlich, dass Gott mir diese fundamentale Veränderung meines Charakters schenken wollte. Ich sollte lernen, das Evangelium im Zentrum zu haben und aus dieser Mitte heraus zu leben.

Es war menschlich gesehen wohl äußerst schwer, aber Cindy war durch die Kraft des Evangeliums doch in der Lage, Jeremy aufrichtig, voll und ganz zu vergeben. Es bedurfte dieser Erkenntnis, dass das Evangelium von der Vergebung Christi ihre eigene Sünde genauso umfasste wie seine.

Vergebung gebraucht Altes zum Bau von Neuem

Wir haben die ernüchternde Warnung aus dem Gleichnis in Matthäus 18 gelesen: Es wird dem nicht vergeben, der selbst nicht vergibt. Jesus wollte Petrus klarmachen, dass sich seine Vorstellung von Vergebung völlig von dem unterschied, was sie im Reich Gottes bedeutet – und was Christus in diese Welt brachte. Petrus musste erkennen – und das müssen auch wir –, dass Vergebung dieser himmlischen Art nicht nur für den außergewöhnlichen Heiligen gedacht ist. Vergebung gehört zum Kern des Evangeliums und soll deshalb Wesensbestandteil eines jeden sein.

Um Vergebung mit all ihren segensreichen Auswirkungen praktizieren zu können, müssen wir eine weitere, letzte Komponente verstehen: Unsere Motivation, aus der heraus wir Vergebung gewähren, muss mit Gottes Absicht im Einklang sein.

Eine weitere Perspektive, die Gott mit dem Vergebungsgedanken verfolgt, zeigt uns Jesus durch den biblischen Zusammenhang auf, in dem das Gleichnis in Matthäus 18 steht. Unmittelbar davor spricht Jesus nämlich davon, wie mit fortgesetzter bewusster Sünde in einer lokalen Gemeinde umgegangen werden soll. Er beschließt diesen Abschnitt mit einer Bekräftigung der Herrschaft Seines Königreiches, indem Er sagt: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Matthäus 18,20). Das ist die Stelle, an der Petrus dann seine Frage stellt, wie oft man jemandem vergeben müsse.

Wir sehen also, wie der gesamte Abschnitt, sowohl das Gleichnis aus Matthäus 18, 21-35 als auch die sieben Verse davor, auf dasselbe zielt, wie nämlich Sünder im Reich Gottes miteinander umgehen sollen. Die Worte „wenn zwei oder drei versammelt sind“ gehen unausgesprochen davon aus, dass dabei Sünde vorkommt, doch soll diese niemals trennend wirken. Hier trifft die Botschaft von der Vergebung auf die blanke Realität des Lebens nach dem Sündenfall. Aber sie bewirkt Hoffnung auch für die am tiefsten zerrüttete Ehe.

Die Motivation zur Vergebung soll also weit darüber hinausgehen, als nur Gottes Missbilligung zu entgehen oder den durch die Sünde bewirkten Schmerz loszuwerden. Es geht auch um die so grundsätzliche Frage der Gemeinschaft, die ohne Gottes Vergebungskonzept überhaupt nicht möglich wäre. Christus kam und hat die Basis für Vergebung geschaffen, damit wir untereinander auch Harmonie und Herzensfrieden haben können. Eben auch darum lehrte und praktizierte der Sohn Gottes Vergebung. Gott möchte uns, nachdem Er uns vergeben hat, nicht als ‚Bummelanten‘ in Seinem Reich haben, sondern Er ruft uns zu aktiver Vergebungsbereitschaft auf, damit Sein Volk in der Tat auch eins ist und dies gerade auch in einzigartiger und außergewöhnlicher Weise in der Ehe.

Das Evangelium hat – wenn wir uns erinnern – etwas Erstaunliches geschaffen: Beziehungen unter Sündern, durch die die Herrschaft des Königs erlebt und ausgedrückt wird! Siehst du deine Ehe in diesem Licht? Siehst du sie als Ort, an welchem zwei Sünder in ihrer Beziehung die Herrschaft Christi erleben und erfahren? Wenn Sünder sich das Ja-Wort geben, anerkennen sie damit auch die Gegenwart des Sohnes Gottes und Seine Herrschaft in ihrem ‚Unternehmen Ehe‘.

Taumelst du unter der bedrückenden Sünde deines Ehepartners? Wenn er beziehungsweise sie nun mit einem zerbrochenen Herzen und aufrichtigem Bekenntnis zu dir käme, wärst du dann bereit zu vergeben? Erinnere dich: Sünder, denen vergeben ist, vergeben Sünde. Vielleicht kann Cindy dich mit ihrer Erfahrung inspirieren.

Im Laufe der Zeit veränderte Gott uns beide. Ich konnte echte Veränderungen im Verhalten meines Mannes erkennen, doch war ich sehr zurückhaltend, ihm wieder zu vertrauen. Allmählich geschah aber eine Wiederherstellung. Ich begann, mich wieder darauf zu freuen, mit ihm zusammen zu sein, und diese Vorfreude hat über die Jahre zugenommen – und tut es noch heute. Gott hat uns beide wiederhergestellt. Und in dem Maße, wie wir Ihm folgten und unsere Erfüllung in Ihm fanden, schwappte die persönliche Beziehung zu Gott jeweils auf den anderen über. Es schien einen nicht endenden Vorrat an Gnade zu geben, und Hoffnung und Freude fingen wieder an, mein Herz zu erfüllen. Mittlerweile hat Gott mich dahin gebracht, dass ich aufrichtig sagen kann, dass ich meinen Mann von Herzen liebe und ihm in allem folgen möchte, so wie er Gott nachfolgt. Dies ist schlicht ein Wunder der Gnade. Ein Bereich, der sich für mich nachhaltig geändert hat, ist meine Ansicht über den Charakter Gottes. Ich erkannte Ihn – wie nie zuvor – als so gut, so treu und so gütig. Ich glaube, dies kam hauptsächlich daher, dass ich immer wieder das Evangelium von Seiner unverdienten Gnade hörte und mir dadurch die Vergebung meiner eigenen Schuld so groß wurde. Und gewiss kam es auch daher, dass später mein Mann, unsere Familie und andere um mich herum dieses herrliche Evangelium auslebten. Das führte mich zu immer mehr Hoffnung und Zuversicht, dass die Wiederherstellung unserer Ehe wirklich nachhaltig war. Seither zeigt mir Gott immer wieder durch das Kreuz Seine große Liebe. Ich habe lernen dürfen, dass ich das Evangelium niemals erschöpfen kann, sondern dass ich täglich etwas mehr davon für mich in Erfahrung bringen darf. Ich stehe erstaunt vor dem stillen Wunder, das mein Mann und ich erlebt haben. Es war möglich aufgrund des Sieges Jesu über meine Sünde auf Golgatha. Er hat mir gezeigt, dass es in meinem Leben nicht um mich geht, sondern zuerst um Ihn, und das wiederum ist gut für mich. Des Herrn Wege sind nicht meine, aber sie sind gut und vertrauenswürdig. Und der Reichtum des Evangeliums, diese Perle von so großem Wert, gehört mir in Christus. Das ist mir sichere Grundlage auf meinem verbleibenden Weg nach Hause!

Wenn es in deiner Ehe an Vergebung mangelt, dann hat Gott vielleicht auch für dich und deinen Ehepartner ein stilles Wunder bereit.

Oder wäre es denkbar, dass es, ähnlich wie damals bei Jeremy, in deinem Leben eine sündige, gegen deinen Ehepartner gerichtete Gewohnheit gibt, wovon du noch nicht umgekehrt bist oder sie bekannt hast? Sollte dies der Fall sein, dann strebe doch nach der Gnade Gottes. Ich bin der Überzeugung, dass Er sie dir zukommen lassen möchte, auch durch das, was du hier gelesen hast. Es bedarf dazu der Demütigung deines Herzens, des Fallenlassens aller Rechtfertigungen, Erklärungen und Verteidigungen vor dem durchdringenden Blick Gottes – der um alles weiß. Bist du bereit, durch Bekennen und Umkehr die Verantwortung für deine Sünde gegen Gott und andere zu übernehmen? Lass uns noch ein letztes Mal auf Jeremy hören:

Das Nachwort zu unserer Geschichte hat die Treue Gottes zu einem untreuen Sünder zum Inhalt. Die Tiefe meiner Sünde steht in starkem Kontrast zu der unerschöpflichen Herrlichkeit der Gnade Gottes. Aus meiner eigenen Tragödie heraus habe ich gelernt, dass niemand jemals zu weit entfernt von der Gnade Gottes sein kann. Die Wiederherstellung unserer Ehe durch Gott hat Jahre in Anspruch genommen. Obwohl unsere Erinnerungen an die dunklen Jahre unserer Vergangenheit niemals ausgelöscht werden können, so hat es doch eindeutig eine Reinigung der Vergangenheit in uns gegeben. Wenn die Schrift sagt, dass Gott die Jahre, die die Heuschrecken aufgefressen haben, wiederherstellen wird, dann glaube ich, dass diese Stelle extra für uns geschrieben wurde. Ich liebe Cindy von Jahr zu Jahr mehr, und sie hat mir ihre bedingungslose Vergebungsbereitschaft unzählige Male unter Beweis gestellt. Ich weiß, dass dies nur wegen des vergossenen Blutes unseres Erretters möglich ist. Er hat mir eine Gerechtigkeit gegeben, die nicht meine eigene ist und die alle meine Sünden bedeckt hat. Es ist, als ob wir zwei unterschiedliche Ehen geführt hätten – und tatsächlich ist dem auch so. Ich wünschte mir so vieles anders; ich wünschte mir, ich hätte keinen Ehebruch begangen und Cindy nicht diesen Schmerz zugefügt. Ich wünschte mir, zu meinen Kindern sagen zu können, dass ich meiner Frau treu geblieben bin vom Tage unserer Hochzeit an. Wegen meiner Sünde sind dies jedoch nur Wünsche. Schlussendlich verblassen meine Wünsche im Vergleich mit Gottes gewaltigem Vorsatz. Ich werde wahrscheinlich in diesem Leben nicht mehr dahinterkommen, warum alle diese Umwege nötig waren, um dahin zu kommen, wo wir jetzt sein dürfen. Wir haben deshalb einfach aufgehört, Fragen dieser Art zu stellen, weil sie von der Herrlichkeit der Vergebung Gottes und Seinen Segnungen überstrahlt werden. Durch Gottes Gnade blicken wir nicht mehr mit Bedauern zurück, sondern mit Vorfreude nach vorne auf das, wozu Er uns berufen hat. Die Erinnerungen bleiben, jedoch beeinflussen sie unser beider Leben nicht mehr. Unsere Ehe wird von Jahr zu Jahr befriedigender und angenehmer. Dadurch, dass wir unsere Augen auf den Erretter richten durften, haben wir gesehen, wie viel Er für uns getan hat, mehr als wir jemals hätten erbitten oder erdenken können. Wie wunderbar ist das!

Die Gnade der Vergebung und Umkehr ist das kraftvolle Werkzeug, das Gott uns gegeben hat, um den Schaden zu reparieren, den die Sünde in Ehebeziehungen angerichtet hat. Wo Vergebung gewährt und Umkehr ausgelebt wird, da bewirkt sie Veränderung. Vergebung, die demütig gesucht und demütig gewährt wird, drückt die Herrlichkeit Gottes auf sehr tiefgehende Weise aus. Warum? Weil Vergebung dem Herzen des Evangeliums entspricht, der wahren Demonstration der Liebe Gottes zu denjenigen, die Seinen Zorn verdient hatten. John Newton hat dies so unnachahmlich ausgedrückt: „Die Unveränderlichkeit der Liebe Gottes und der Reichtum Seiner Gnade werden durch die vielfältige Vergebung, die Er Seinem Volk zuteilwerden lässt, weitaus stärker kundgetan, als wenn nie Vergebung nötig gewesen wäre.“[6] Uns selbst ist die größte Schuld vergeben; lasst uns lernen, wie man dem Schuldner, den man geheiratet hat, auch vergibt. Das weist den Weg nach vorne, wenn Sünder sich das Ja-Wort gegeben haben!


  1. Vgl. www.tagesschau.de/wirtschaft/meldung178896.html.
  2. Es wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass man jemandem vergeben kann, der persönlich nicht mehr ansprechbar ist, z.B. wegen Tod, Entfernung oder Verweigerung. Dies aber ist ein Buch über die Ehe, wobei die Sünde zwischen zwei Menschen zum Tragen kommt, die miteinander im selben Bett schlafen. Deshalb werden wir im vorliegenden Rahmen die von Person zu Person zum Tragen kommende Erfahrung der Vergebung betrachten.
  3. Demütigung“. in: Arthur S. Bennet (Hrsg.). The Valley of Vision: A Collection of Puritan Prayers and Devotions. Banner of Truth: Edinburgh, 1975. S. 143.
  4. R.T. France. Tyndale New Testament Commentaries: Matthew. IVP: Leicester, 1985. S. 277.
  5. Ken Sande. The Peacemaker. Baker Books: Grand Rapids, MI, 1991. S. 163.
  6. John Newton. Letters of John Newton, Nr. 24. Banner of Truth: Edinburgh, 1988. S.132-133.