Wenn die Freudenicht mehr da ist/Der Kampf um Freude ist ein Kampf, um zu sehen

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English: When I Don't Desire God/The Fight for Joy Is a Fight to See

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Von John Piper Über Christian Hedonism
Kapitel 6 des Buches Wenn die Freudenicht mehr da ist

Übersetzung von Desiring God


… den Ungläubigen, bei denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, damit sie den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus, der Gottes Bild ist, nicht sehen.
2. Korinther 4,4

Schmecket und sehet, dass der HERR gütig ist!
Psalm 34,9

Die wahre Glückseligkeit des Menschen besteht aus der Freude an Gott; aber es ist nicht möglich, dass ein Mensch sich ausschließlich aus dem heraus an Gott erfreut, was er durch seine erste Geburt erhält. Daher gibt es diese Notwendigkeit, dass der Mensch von neuem geboren werden muss.
Jonathan Edwards
»Von neuem geboren«
The Works of Jonathan Edwards[1]

Inhaltsverzeichnis

Gott mit den Augen des Herzens und den Ohren des Kopfes schätzen

Es gibt mehr als eine Art des Sehens. Sonst hätte Jesus nicht gesagt: »Mit sehenden Augen sehen sie nicht« (Matthäus 13,13; Luther 1984). Es ist möglich, auf eine Art zu sehen, und gleichzeitig auf eine andere Art nicht zu sehen. Die Bibel beschreibt den Unterschied zwischen zwei Sorten von Augen – Augen des Herzens und Augen des Kopfes. Der Apostel Paulus betete, dass Gott »die Augen eures Herzens [erleuchte], damit ihr wisst, was die Hoffnung seiner Berufung, was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen « ist (Epheser 1,17-18). Also gibt es so etwas wie die Augen des Herzens. Und es gibt eine Art des Wissens oder des Sehens durch diese Augen, die sich von dem Sehen durch die Augen des Kopfes unterscheidet.

Es gibt auch andere Bibelstellen, die eine Verbindung zwischen dem Herzen und seinen Augen schaffen. Mose beklagte: »Der HERR hat euch bis zum heutigen Tag weder ein Herz gegeben zu erkennen noch Augen zu sehen« (5. Mose 29,3). Sie konnten immer noch mit ihren körperlichen Augen sehen. Gott hatte nicht das ganze Volk blind geschlagen. Aber sie konnten nicht mit den Augen ihres Herzens sehen. Mit sehenden Augen sahen sie nicht. Genauso war es auch zur Zeit Hesekiels: »Menschensohn, du wohnst mitten in dem widerspenstigen Haus, bei solchen, die Augen haben zu sehen und doch nicht sehen« (Hesekiel 12,2). Und Jeremia trauerte ebenfalls dieser geistlichen Blindheit nach: »Törichtes Volk, ohne Verstand, die Augen haben und nicht sehen« (Jeremia 5,21).

Blind wie die Dinge, die wir tun und auf die wir vertrauen

Der Psalmist beschrieb den Zusammenhang zwischen dieser inneren Blindheit und dem Götzendienst: »Die Götzen der Nationen sind … ein Werk von Menschenhänden. … Augen haben sie, sehen aber nicht. … Ihnen gleich sind die, die sie machen, ein jeder, der auf sie vertraut« (Psalm 135,15-18). Wenn man einen blinden Götzen macht und auf ihn vertraut, wird man selbst blind. Wenden Sie dieses Prinzip in der modernen Welt an und denken Sie an die Götzen unserer Zeit. Was machen wir, und worauf vertrauen wir? Sachen. Spielzeuge. Technik. Und so wird unser Herz mit seinen Zuneigungen danach geformt. Sie pressen die Form eines Spielzeugs in die Leere unseres Herzens. Als Resultat werden wir leicht von Sachen bewegt und begeistert – Computer, Autos, Geräte, Unterhaltungsmedien. Es scheint, dass diese Sachen in die Form unseres Herzens passen. Sie fühlen sich gut an, in dem Raum, den sie sich gemacht haben. Aber mit dieser Bereitschaft, Vergnügen durch Sachen zu bekommen, sind wir schlecht für Christus geformt. Er erscheint uns unwirklich und unattraktiv. Die Augen unseres Herzens werden schwer.

Paulus sagte das Gleiche über das Volk Israel damals, indem er den Propheten Jesaja zitierte: »Das Herz dieses Volkes ist dick geworden … und ihre Augen haben sie geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen … und mit dem Herzen verstehen« (Apostelgeschichte 28,27). Mit anderen Worten: Das Herz und die Augen versagen bei der ihnen bestimmten Aufgabe. Im Buch der Offenbarung sah Jesus, dass das mit der Gemeinde in Laodizea passierte, die dachte, dass sie nichts brauchte. Er sagte zu ihr: »Du [bist] der Elende und bemitleidenswert und arm und blind und bloß.« Und er riet ihr: »[Kaufe] von mir … Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du siehst« (3,17-18).

Diese göttliche »Augensalbe« ist das, wofür Paulus in Epheser 1,18 gebetet haben muss, als er den Herrn bat, dass die Augen unseres Herzens erleuchtet sein mögen, um unsere Hoffnung, unser Erbe und unsere Kraft zu kennen. Ohne die Arbeit unseres allmächtigen internen Augenarztes würden wir blind werden und nicht in der Lage bleiben zu sehen. Wie dringend wir doch die Gabe des geistlichen Sehens brauchen! Jegliche Freude, die wir ohne dieses Sehen haben würden, wäre keine geistliche Freude. Sie wäre keine spontane Reaktion darauf, die Schönheit Christi gesehen zu haben. Und deshalb würde eine solche Freude Christus nicht ehren. Sie würde oberflächlich und vergänglich sein.

Warum ist das Sehen von so entscheidender Bedeutung?

Warum ist geistliches Sehen von so entscheidender Bedeutung für Freude an Gott? Der Grund ist, dass geistliches Sehen die Handlung des Herzens ist, die für die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes zur Freude seines Volkes angemessen ist. Mit anderen Worten: Gottes letztendliche Absicht bei der Schöpfung des Universums und dem Herrschen über die Geschichte der Erlösung ist die Offenbarung seiner Herrlichkeit als ewige Freude eines erlösten Volkes. Jonathan Edwards, von dem ich mehr gelernt habe als von jedem anderen Menschen außerhalb der Bibel, sagte in seinem großartigen Buch über das Ende, zu dem Gott die Welt hin geschaffen hat: »Es scheint, dass alles, was jemals in der Schrift über die letztendliche Absicht der Werke Gottes geschrieben wurde, in dem einen Ausdruck zusammengefasst werden kann: die Herrlichkeit Gottes.«[2] Das ist der Grund unserer Existenz – den Wert und die Herrlichkeit Gottes zu sehen, uns daran zu erfreuen und sie zu reflektieren.[3] »Bring meine Söhne von fernher und meine Töchter vom Ende der Erde, jeden, … den ich zu meiner Ehre geschaffen … habe!« (Jesaja 43,6-7). Das ist es, warum wir geschaffen wurden und warum wir alles zur Ehre Gottes tun sollten: »Ob ihr nun esst oder trinkt oder sonst etwas tut, tut alles zur Ehre Gottes!« (1. Korinther 10,31).

Gott wird verherrlicht, wenn wir ihn sehen und uns an ihm erfreuen

In einer der wichtigsten Aussagen, die ich jemals gelesen habe, sagte Jonathan Edwards:

Gott verherrlicht sich selbst auf zweifache Weise in seiner Beziehung zu den Geschöpfen: 1. Indem er … ihrem Verstand erscheint. 2. Indem er sich ihrem Herzen mitteilt und sie sich an seinen Offenbarungen erfreuen und sie genießen. … Gott wird nicht nur verherrlicht, wenn man seine Herrlichkeit sieht, sondern auch, wenn man sich daran erfreut. Wenn diejenigen, die seine Herrlichkeit sehen, sich daran erfreuen, dann ist Gott mehr verherrlicht, als wenn sie sie nur sehen.[4]

Gott hat die Absicht, in allem, was er tut, sich selbst zu verherrlichen. Das beinhaltet sowohl den strahlenden Glanz Gottes als auch seine Widerspiegelung durch seine Schöpfung. Seine Herrlichkeit strömt aus ihm selbst heraus, und sie strömt auf vielfache Weise wieder zurück, insbesondere dann, wenn sein Volk ihn schätzt und sich an ihm erfreut. Edwards sagt: »Die Strahlen scheinen aufs und ins Geschöpf hinein, und sie werden zur Leuchte zurückgespiegelt. Die Strahlen der Herrlichkeit kommen von Gott und sind etwas von Gott und werden an ihr Original zurückgegeben. Also ist alles von Gott und in Gott und für Gott, und Gott ist Anfang, Mitte und Ende.«[5]

Die Herrlichkeit zu sehen, ist Voraussetzung dafür, sich an der Herrlichkeit zu erfreuen

Nichts im Universum ist zentraler als der strahlende Glanz der Herrlichkeit Gottes, die in Christus zur Freude seines Volkes offenbart wird. Deshalb kann man die Wichtigkeit, diese Herrlichkeit so zu sehen, wie sie wirklich ist, kaum überbewerten. Sie zu sehen, ist Voraussetzung dafür, sich an ihr zu erfreuen. Und diese Freude ist Voraussetzung dafür, der Welt den Wert Christi zu zeigen. Sie ist die Voraussetzung für ein Leben der Liebe und des Opfers und des Leidens.

Daher ist die Suche nach Zufriedenheit in Christus immer auch eine Suche nach dem Sehen der Herrlichkeit Christi. Alle Strategien im Kampf um Freude sind direkt oder indirekt Strategien, um Christus deutlicher zu sehen.

Die Fülle der Herrlichkeit ist noch nicht gesehen worden

Für den Zusammenhang zwischen Gottes Herrlichkeit und unserem Sehen ist es notwendig, dass wir die beiden Arten des Sehens verstehen, von denen wir gesprochen haben. Denn in einer Hinsicht ist die Herrlichkeit Gottes sichtbar, aber in einer anderen Hinsicht noch nicht. Paulus sagt in Römer 8,18: »Ich denke, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll.« Damit meint er die Herrlichkeit, die jetzt noch nicht zu sehen ist. Und so sagt er dann auch in Römer 8,24-25: »Denn wer hofft, was er sieht? Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren.« Und in dieser Hoffnung freuen wir uns: »Durch [Christus haben] wir im Glauben auch Zugang erhalten … zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns aufgrund der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes« (Römer 5,2).

Das ist die große weltweite Hoffnung aller Propheten. »Die Herrlichkeit des HERRN wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander wird es sehen. Denn der Mund des HERRN hat geredet« (Jesaja 40,5). »Ich bin gekommen, alle Nationen und Sprachen zu versammeln. Und sie werden kommen und meine Herrlichkeit sehen« (Jesaja 66,18). Beachten Sie dabei besonders: Sie werden die Herrlichkeit des Herrn sehen. Dieses Sehen entspricht der großartigen und letztendlichen Offenbarung der Herrlichkeit Gottes. Es gibt eine Art der Herrlichkeit Gottes, auf die wir hoffen und die wir noch nicht sehen.

Die Hoffnung der Herrlichkeit wird getragen von der Herrlichkeit, die wir gesehen haben

Aber das ist noch nicht alles. Der Grund, warum wir auf die Offenbarung von Gottes Herrlichkeit hoffen, ist der, dass wir schon so viel davon in Christus und in der Natur gesehen haben, so dass unser Herz davon für immer gefesselt ist. Der Apostel Petrus gesteht ein, dass wir in einer Hinsicht Christus jetzt nicht sehen. Aber hören Sie, was er dazu sagt: »… den ihr liebt, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt; an den ihr glaubt, obwohl ihr ihn jetzt nicht seht, über den ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude jubelt« (1. Petrus 1,8). Vielleicht seufzen wir manchmal, weil unser Sehen so unvollständig ist (Römer 8,23). Aber für Petrus war die Freude über das, was wir gesehen haben, sowie die Hoffnung auf das, was wir sehen werden, unaussprechlich und voller Herrlichkeit.

Deshalb rief Petrus Christen dazu auf, so sehr von der Hoffnung der Herrlichkeit gefesselt zu sein, dass sie bereit sein würden, jetzt jedes Opfer zu bringen, um Christus kennen zu lernen und bekannt zu machen: »Freut euch, dass ihr mit Christus leidet, damit ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben mögt« (1. Petrus 4,13). Die letztendliche Offenbarung der Herrlichkeit Christi wird die Vollendung unserer Freude sein. Jedes Opfer wird sich gelohnt haben. Diejenigen, die am meisten für Christus gelitten haben, werden sogar sagen, in einer sehr wahren Hinsicht: »Es war nie ein Opfer für uns. Das schnell vorübergehende Leichte unserer Bedrängnis hat für uns ›ein über die Maßen überreiches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit‹ bewirkt« (siehe 2. Korinther 4,17).

Die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in der Natur

Von der Herrlichkeit, die wir schon gesehen haben, und der Hoffnung, dass wir mehr sehen werden, wird unsere jetzige Freude verursacht und getragen. Es gibt prächtige Offenbarungen dieser Herrlichkeit in der Natur – auch wenn sie neben Christus verblassen. »Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und das Himmelsgewölbe verkündet seiner Hände Werk. Ein Tag sprudelt dem anderen Kunde zu, und eine Nacht meldet der anderen Kenntnis« (Psalm 19,2-3). Von den starken Worten des Paulus in Römer 1,20 wissen wir, dass wir in dieser weltweiten Zurschaustellung der Herrlichkeit Gottes sein »unsichtbares Wesen … wahrgenommen und geschaut« haben. »Denn sein unsichtbares Wesen, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, wird seit Erschaffung der Welt in dem Gemachten wahrgenommen und geschaut« [= deutlich gesehen, kathoratai]. Das ist erstaunlich. Paulus sagt, dass wenn wir die Darstellung der Herrlichkeit Gottes in der Natur (vom Atom bis hin zur Supernova) betrachten, die Herrlichkeit Gottes ganz deutlich sehen. Aber gleichzeitig ist es so, dass wir mit sehenden Augen nicht sehen.

Warum? Paulus sagt, der Grund sei die »Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten« (Römer 1,18). Wir sehen, aber wir »halten es nieder«. Wir haben sinnlose, unmoralische, lieblose Theorien der naturalistischen Evolution lieber als die Herrlichkeit Gottes. Oh, wie tief ist doch unsere Verdorbenheit! Das ist absolut tragisch. In einer Handlung des stolzen Niederhaltens schneiden wir uns von Gott und von Freude ab. Oh, welche Freuden Gott doch seinen Kindern durch die Schönheit der Natur geben möchte! Nicht in der Natur an sich, sondern als eine fast endlose Mischung von spektakulären Wundern, die immer auf Gottes Pracht verweisen.

»Wie zahlreich sind deine Werke, o HERR! Du hast sie alle mit Weisheit gemacht, die Erde ist voll deines Eigentums. Da ist das Meer, groß und ausgedehnt nach allen Seiten. Dort ist ein Gewimmel ohne Zahl: Tiere klein und groß. Da ziehen Schiffe einher, der Leviathan, den du gebildet hast, um mit ihm zu spielen« (Psalm 104,24-26). Der Herr ist freigebig in der Schöpfung, weil seine Herrlichkeit unendlich in Schönheit und Verschiedenheit und Größe ist. Ach, unglücklicherweise ist es aber so, dass wir mit Augen nicht sehen! Und wir vertrauen uns den Arten von Vergnügungen an, die kultivierte menschliche Tiere fühlen können, wenn ihre Chemikalien aufeinander einwirken.

Die Blindheit, die unsere Freude raubt, kann geheilt werden

Aber das kann sich ändern, und wir sollten darum kämpfen, es mit all unserer Kraft zu ändern. Unser Herz kann sich so verändern, dass wenn die Wüste wie eine Narzisse blüht, wir »die Herrlichkeit des HERRN, die Pracht unseres Gottes « (Jesaja 35,2) sehen. Die Veränderung kommt, wenn wir uns zu Christus wenden. Hier wird die Decke über dem verdunkelten Herz weggenommen. Was Paulus über das jüdische Volk sagte, trifft für uns alle zu, wenn wir die Bibel oder das Buch der Natur lesen: »Ihr Sinn ist verstockt worden … [Die] Decke … [bleibt] … und wird nicht aufgedeckt, weil sie nur in Christus beseitigt wird. … Wenn [man] sich zum Herrn wendet, wird die Decke weggenommen« (2. Korinther 3,14-16).

Die Errettung ist der Erwerb und die Bereitstellung der Sicht für Blinde. Gott sandte Christus in die Welt, um für unsere geistliche Blindheit zu sterben, deren Strafe zu bezahlen, den verdienten Zorn auf sich zu nehmen und eine perfekte, angerechnete Gerechtigkeit für alle bereitzustellen, die glauben. Das ist die wundervollste Darstellung von Gottes Herrlichkeit, die es jemals gab oder geben wird. Wir wurden erlöst, um die göttliche Herrlichkeit zu sehen, und es ist die Erlösung selbst, die uns diese Herrlichkeit am schönsten zeigt. Der vollkommen herrliche Christus ist sowohl das Mittel als auch das Ziel unserer Errettung von der Blindheit. Sein Leben, sein Tod, seine Auferstehung und seine jetzige Herrschaft im Himmel sind sowohl das Mittel, mit dem wir Sünder unsere Sicht wiederbekommen, als auch die größte Herrlichkeit, zu deren Sicht wir errettet wurden.

Warum Blindheit nur in der Gegenwart Christi beseitigt werden kann

Aus diesem Grund hat Gott bestimmt, dass wir uns zu Christus wenden müssen, um unsere Sicht wiederzubekommen. Die Blinden bekommen ihre Sicht wieder, damit sie die Herrlichkeit Christi sehen und genießen können. Das ist der Grund, warum wir Augen haben – sowohl körperliche als auch geistliche. Deshalb würde es dem eigentlichen Zweck zu sehen widersprechen, wenn Gott uns unsere Sicht durch irgendein anderes Mittel als die Offenbarung der Herrlichkeit Christi wiedergeben würde. Wenn wir Augen bekämen, um zu sehen, und wir Christus nicht sehen könnten, dann würde die Freude unseres Sehens Christus nicht verherrlichen. Aber der Geist, der unsere innere Sicht erweckt, wurde gesandt, um Christus zu verherrlichen. Jesus sagte: »Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er … mich verherrlichen« (Johannes 16,13-14). Deshalb wird der Geist die Augen der Blinden nur in der Gegenwart der Herrlichkeit Christi öffnen.

Wie ist die Herrlichkeit Christi gegenwärtig sichtbar?

Aber wie ist das möglich, wenn Christus jetzt doch im Himmel ist und die Herrlichkeit seines erlösenden Werks Jahrhunderte zurückliegt? Der Apostel Paulus gibt uns die Antwort darauf in einer der wichtigsten Stellen in der Bibel über das Evangelium:

(3) Wenn aber unser Evangelium doch verdeckt ist, so ist es nur bei denen verdeckt, die verloren gehen, (4) den Ungläubigen, bei denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, damit sie den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus, der Gottes Bild ist, nicht sehen. (5) Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus als Herrn, uns aber als eure Sklaven um Jesu willen. (6) Denn Gott, der gesagt hat: Aus Finsternis wird Licht leuchten! er ist es, der in unseren Herzen aufgeleuchtet ist zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi (2. Korinther 4,3-6).

Hier beschreibt Paulus die Bekehrung – was Satan mit seiner ganzen Kraft verhindern möchte – als »den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus … [zu] sehen« (V. 4). In Vers 6 sagt er es auf eine andere Weise: Die Bekehrung ist die Aufleuchtung unseres Herzens zum »Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi«. Diese Beschreibungen der Bekehrung implizieren zwei Sachen. Die eine ist, dass das Evangelium die Verkündigung der »Erkenntnis« Christi ist, und zwar auf eine Weise, dass die Herrlichkeit des Evangeliums mit den Augen des Herzens gesehen werden kann. Die andere ist, dass dieses »Sehen« das Werk Gottes ist. Er leuchtet unser Herz auf, genauso, wie am ersten Tag der Schöpfung, als er sagte: »Es werde Licht!« Mit anderen Worten: Die Herrlichkeit Christi im Evangelium zu sehen, ist eine Gabe.

Wenn ich also zuvor sagte, dass der Geist die Augen der Blinden nur in der Gegenwart der Herrlichkeit Christi öffnen wird, meinte ich damit, dass nur im Hören des Evangeliums Christi Gott im Herzen sagt: »Es werde Licht.« Gott stellt unsere Sicht nur in der Gegenwart Christi im Evangelium wieder her, denn er tut dies durch die Herrlichkeit Christi im Evangelium und für die Herrlichkeit Christi im Evangelium. Auf diese Weise, wenn unsere Augen geöffnet sind und das Licht scheint, ist es Christus, den wir sehen und genießen und verherrlichen.

Wenn wir das Evangelium des Todes Christi für unsere Sünden und seiner Auferstehung (1. Korinther 15,1-4) weitererzählen, dann ist das eine Darstellung der Herrlichkeit Christi, die zu einer bestimmten Zeit in der Geschichte offenbart wurde. Zu dieser Zeit sagte der Apostel Johannes: »Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit « (Johannes 1,14). Mit anderen Worten: Das ewige »Wort« – der Sohn Gottes – kam zur Welt und offenbarte die »Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi«. Wenn also jetzt das Wort Gottes gepredigt wird (»das Evangelium von der Herrlichkeit des Christus«), dann strahlt diese selbe Herrlichkeit (»der Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi«) nach außen. Christ zu werden bedeutet, diese Herrlichkeit zu sehen, wenn wir das Evangelium hören.

Gott offenbart sich durch sein Wort

Die Beziehung zwischen dem Wort Gottes und der Herrlichkeit Gottes – zwischen Hören und Sehen – ist nichts Neues. In 2. Mose 33,18 sagte Mose zu Gott am Berg Sinai: »Lass mich doch deine Herrlichkeit sehen!« Er wollte die Herrlichkeit Gottes sehen. Gott antwortete, indem er sich durch das Wort offenbarte. Er sagte: »Ich werde all meine Güte an deinem Angesicht vorübergehen lassen und den Namen Jahwe vor dir ausrufen« (V. 19). Und dann tat er dies auf dem Berg mit einer vollständigen Verkündigung der Bedeutung seines Namens: »Der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Jahwe, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue, der Gnade bewahrt an Tausenden von Generationen, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, an der dritten und vierten Generation « (2. Mose 34,6-7). Das war Gottes tiefste Antwort auf die Bitte des Mose: »Lass mich deine Herrlichkeit sehen.« Er verkündigte in Worten das Wesen seines gnädigen Namens.

Gott offenbarte sich auf ähnliche Weise durch das Wort an den Propheten Samuel. In 1. Samuel 3,21 heißt es: »Und der HERR fuhr fort, in Silo zu erscheinen; denn der HERR offenbarte sich dem Samuel in Silo durch das Wort des HERRN.« Das ist das, was wir als Menschen wollen: Wir wollen eine Offenbarung von Gott selbst. Wir möchten mit Mose sagen: »Lass uns deine Herrlichkeit sehen.« Und es kommt auch die Zeit, in der die »Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll« alle »Leiden der jetzigen Zeit« als Nichts erscheinen lassen wird (Römer 8,18). Aber für jetzt, für dieses Zeitalter, hat Gott es bestimmt, dass er uns seine Herrlichkeit hauptsächlich »durch das Wort des HERRN« offenbart. Hören ist in dieser Zeit die hauptsächliche Weise des Sehens.

Die Herrlichkeit zu sehen, ist das Resultat eines erfolgreichen Hörens

Der Zusammenhang zwischen dem Wort Gottes und der Herrlichkeit Gottes ist bemerkenswert, und wir sollten diesen Gedanken fest ergreifen. Gott hat bestimmt, dass geistliches Sehen hauptsächlich durch Hören geschieht. Christus ist nicht auf sichtbare Weise gegenwärtig, dass wir ihn sehen könnten. Er wird uns heute im Wort Gottes gezeigt, besonders im Evangelium. Paulus sagte: »Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch das Wort Christi« (Römer 10,17). Aber aus 2. Korinther 4,4 wissen wir, dass der Glaube dadurch kommt, »den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus« zu sehen. Daher können wir sagen, dass das Sehen der Herrlichkeit Christi dann passiert, wenn das Hören des Evangeliums durch den Heiligen Geist wirksam gemacht wird. Das heißt, wenn durch das Evangelium die allmächtige, schöpferische Stimme Gottes sagt: »Es werde Licht in der Dunkelheit dieses Herzens«, dann führt das Evangelium zum Glauben. Wenn Hören, durch Gnade, Sehen produziert, dann entsteht der Glaube.

Das ist von entscheidender Bedeutung, weil die Herrlichkeit Gottes die größte Realität ist. Die Herrlichkeit Gottes ist größer als das Wort Gottes. Also ist auch Sehen größer als Hören. Dennoch: Wir erfahren die Herrlichkeit Gottes nicht auf eine andere rettende Weise außer durch das Wort Gottes. Deshalb gibt es kein Sehen der Herrlichkeit außer durch das Hören des Evangeliums. Das Wort entspricht dem Hören, und die Herrlichkeit entspricht dem Sehen. Letztendlich ist es so, dass Gott gesprochen hat, um seine Herrlichkeit zu offenbaren, zur Freude seines Volkes. Deshalb müssen wir hören, was er sagt, um zu sehen, was er offenbart. Die Bibel spricht nicht davon, die Herrlichkeit Gottes zu hören, sondern davon, sie zu sehen. Hören ist das Mittel. Sehen ist der Zweck. Das Ziel all unseres Hörens der Wahrheit Gottes ist das Sehen der Herrlichkeit Gottes.

Das Ziel des Sehens ist es, Christus zu genießen und bekannt zu machen

Ja, die göttliche Herrlichkeit zu sehen, ist das Ziel des Hörens der göttlichen Wahrheit. Aber die Herrlichkeit Gottes zu sehen, ist nicht unser letztendliches Ziel. Unser letztendliches Ziel ist es, Gott zu verherrlichen, indem wir uns an ihm für immer erfreuen. Wenn das Sehen keinen Genuss hervorrufen würde, dann wäre Gott durch unser Sehen nicht verherrlicht. Daher ist das letztendliche Ziel in unserem Herzen die Freude an der Herrlichkeit Gottes, nicht nur das Sehen. Und das letztendliche Ziel im Universum ist die vollste, größtmögliche Zurschaustellung der Herrlichkeit Gottes. Diese Fülle entsteht vor allem, aber nicht nur, durch die glühende, freudenvolle Anbetung seines Volkes, wenn es in der Herrlichkeit seines Sohnes frohlockt.

Der Grund, warum ich »nicht nur« sage, ist der, dass der Zorn Gottes wegen des Unglaubens auch seine Gerechtigkeit und Weisheit verherrlichen wird. Und der Grund, warum ich »vor allem« sage, ist der, dass das Gericht nicht Gottes größtes Vorhaben für die Ehre seines Namens ist; vielmehr ist es sein größtes Vorhaben, dass »die Nationen aber Gott verherrlichen möchten um der Barmherzigkeit willen« (Römer 15,9). Die Offenbarung der Herrlichkeit seiner Gnade, widergespiegelt im freudigen Frohlocken seines Volkes, ist Gottes höchstes und größtes Vorhaben in der Schöpfung. »Er [hat] uns in ihm auserwählt … vor Grundlegung der Welt … zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade« (Epheser 1,4.6).

Die Herrlichkeit anzuschauen bedeutet, in Verzückung zu geraten

Dies wird zustande kommen, und unser Herz wird darüber voller Freude sein, wenn wir darum kämpfen, die Herrlichkeit Gottes zu sehen. 2. Korinther 3,18 gibt das entscheidende Wort über die Notwendigkeit zu sehen, damit man sich an der Herrlichkeit Gottes erfreuen und sie widerspiegeln kann: »Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden so verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht.« Indem wir die Herrlichkeit Christi sehen, werden wir verwandelt. Auf welche Weise? Nicht zuerst äußerlich, sondern zuerst innerlich. Was ist diese innerliche Veränderung, die durch das Anschauen der »Herrlichkeit des Herrn« kommt?

Es ist die Erweckung der Freude an Christus selbst und an allem, was Gott für uns in ihm ist. Es ist die Erweckung eines neuen Geschmacks an geistlicher Realität mit Christus im Mittelpunkt. Es ist die Aufnahmefähigkeit für eine neue Süße und für eine neue Freude an der Herrlichkeit Gottes im Wort Gottes. Deshalb ist nichts wichtiger für uns im Leben, als »die Herrlichkeit des Herrn« anzuschauen. Satan, so sagt Paulus vier Verse später (2. Korinther 4,4), setzt alles daran, uns davon abzuhalten, »den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus« zu sehen. Das ist die grundlegendste Strategie im Kampf um Freude – der strategische Kampf, um zu sehen. Das ist immer das Ziel jeder Strategie, die ich in diesem Buch über den Kampf zur Freude empfehle. Jede Strategie ist direkt oder indirekt eine Strategie, um die Herrlichkeit Christi zu sehen und von seiner Schönheit über alles entzückt zu werden.

Die Liebe Christi in einem letzten Gebet

Über Jesu letzter Nacht vor der Kreuzigung sagt Johannes, der geliebte Jünger, folgende Worte: »… da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende« (Johannes 13,1). Eine der Äußerungen dieser Liebe war das große Gebet, das Jesus für seine Jünger betete – und auch für uns, die wir an ihn durch ihr Wort glauben würden (Johannes 17,20). Und der Höhepunkt des Gebets war in diesen Worten: »Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt« (V. 24). Warum würde der liebevollste Mensch, der jemals gelebt hat, zur liebevollsten Stunde seines Lebens darum beten, dass wir die Ewigkeit verbringen können, um seine Herrlichkeit zu schauen?

Die Antwort ist nicht schwer: Es wird unser Herz befriedigen und seinen Wert verherrlichen. Das ist es, was es bedeutet, von Christus geliebt zu sein. Er betet für das, was für uns unendlich befriedigend und für ihn unendlich verherrlichend ist. Seine Herrlichkeit für immer zu sehen, ist die größte Gabe, die er uns geben kann. Daher ist es Liebe, darum zu beten und dafür zu sterben, dass wir diese Gabe haben könnten. Und wenn wir entschlossen sind, mit all unserer Kraft zu kämpfen, um das zu sehen, wofür er gestorben ist, dann geben wir Christus damit große Ehre. Der Rest dieses Buches ist ein Versuch, Ihnen zu helfen, dies zu tun. Ich selbst bin noch dabei, es zu lernen. Möge der Herr uns mehr und mehr die Gnade geben, dem Beispiel des Paulus zu folgen und »nicht das Sichtbare an[zu]schauen, sondern das Unsichtbare« (2. Korinther 4,18). Möge diese Art des Schauens uns ermöglichen, mehr von Christus zu sehen, als wir sonst jemals gesehen hätten, wenn unser Schauen nur auf das Sichtbare begrenzt wäre.

Was bedeutet es, Christus mit den Augen des Herzens zu sehen?

Was ist dann dieses Sehen mit den Augen des Herzens? Es ist eine geistliche Wahrnehmung der Wahrheit und der Schönheit und des Wertes Christi als das, was sie wirklich sind. Um die Worte von Jonathan Edwards zu gebrauchen: Es ist »eine wahre Empfindung für die göttliche Vortrefflichkeit der Dinge, die im Wort Gottes offenbart werden, und eine Überzeugung der Wahrheit ist die Verwirklichung dieser Dinge«.[6] Das Schlüsselwort hier ist »Empfindung«. Der Mensch, der mit den Augen des Herzens sieht, »glaubt nicht nur rational, dass Gott herrlich ist, er hat auch eine Empfindung für die Herrlichkeit Gottes in seinem Herzen. Es gibt nicht nur einen rationalen Glauben, dass Gott heilig ist und dass Heiligkeit etwas Gutes ist, sondern es gibt auch eine Empfindung für die Schönheit der Heiligkeit Gottes.«[7]

Diese »Empfindung« oder Wahrnehmung unterscheidet sich von körperlicher Wahrnehmung, hängt aber dennoch mit ihr zusammen. Wenn das Evangelium gehört wird und Christus objektiv in seiner Perfektion und in seinen Werken dargestellt wird, kann die körperliche Wahrnehmung dieser Dinge zu einer Annahme oder zu einer Ablehnung führen. Aber die geistliche Wahrnehmung führt immer zu einer Annahme. Sie mag sogar so sehr mit der Annahme verflochten sein, dass man diese beiden Arten von Wahrnehmungen nicht voneinander unterscheiden kann. Ist es denn überhaupt möglich, zwischen der Wahrnehmung von etwas als unendlich Wünschenswertem und der Erweckung des Verlangens danach zu unterscheiden? Ist nicht die Erweckung eines Verlangens nach Christus die Anerkennung, dass er wünschenswert ist?

Die Worte Davids in Psalm 34,9 scheinen dies anzudeuten: »Schmecket und sehet,dass der HERR gütig ist!« Was kommt zuerst: zu schmecken, dass der Herr gütig ist, oder zu sehen, dass der Herr gütig ist? Oder ist das Schmecken und das Sehen dasselbe? Hören Sie auf die Gedanken von Thomas Binney zu diesen Worten:

Es gibt einige Dinge, besonders in den Tiefen des religiösen Lebens, die nur durch die Erfahrung verstanden werden können, und die selbst dann nicht angemessen in Worte gefasst werden können. »Schmecket und sehet, dass der Herr gütig ist!« Der Genuss muss vor der Erleuchtung kommen, oder vielmehr: Der Genuss ist die Erleuchtung. Es gibt Sachen, die wir erst lieben müssen, bevor wir sie als liebenswürdig erkennen können.[8]

Das ist der Unterschied zwischen körperlicher Wahrnehmung und geistlicher Wahrnehmung. Geistliche Wahrnehmung ist die Schaffung eines neuen Geschmacks in der Seele. Vor unserer Bekehrung hatte der Honig Christi einen sauren oder überhaupt keinen Geschmack und war daher von unseren Seelen unerwünscht. Durch Gnade haben wir dann eine neue Aufnahmefähigkeit für die Süße bekommen, und der Honig Christi hat uns so geschmeckt, wie er wirklich ist: süß und wünschenswert. Das ist das Sehen, das uns den Genuss an Christus gibt. Das Sehen und das Genießen sind unzertrennlich. Es scheint sogar, als sei das Genießen das Sehen. Oder, wie Jonathan Edwards sagt, wenn das Herz eine Person als lieblich ansieht, dann deutet dies darauf hin, dass die Person für die Seele erfreulich ist.

Es ist ein Unterschied, ob man ein rationales Urteilsvermögen hat, dass Honig süß ist, oder ob man dessen Süße empfindet. … Genauso ist es ein Unterschied, ob man glaubt, dass eine Person wunderschön ist, oder ob man etwas für die Schönheit der Person empfindet. Ersteres kann man vom Hörensagen bekommen, aber Letzteres nur, wenn man das Antlitz sieht. … Wenn das Herz ein Empfindungsvermögen für die Schönheit und Liebenswürdigkeit einer Sache hat, dann empfindet es zwangsläufig Freude. Wenn jemand durch das Herz ein Empfindungsvermögen für die Lieblichkeit einer Sache hat, dann deutet das darauf hin, dass diese Sache süß und erfreulich für diese Seele ist.[9]

In welcher Beziehung stehen das Sehen und das Genießen Christi zu der Erkenntnis Christi?

Christus geistlich zu sehen und ihn zu genießen – oder diese geistliche Empfindung für seine Schönheit und die entsprechende Freude in der Seele – sind zusammen das, was Paulus die »Erkenntnis Christi« nennt. Paulus betet in Epheser 3,19, dass wir »die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft« (Luther 1984). Und in Philipper 3,8 sagt er: »Ich halte auch alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen. Diese Erkenntnis ist nicht nur eine intellektuelle Erkenntnis. Die Dämonen haben eine solche Erkenntnis und zittern (Jakobus 2,19). Die Erkenntnis, von der Paulus spricht, »übertrifft« alle Erkenntnis. Diese Erkenntnis beinhaltet Schmecken und Sehen. Es ist die Kenntnis des Honigs, die man nur dann hat, wenn man ihn in den Mund nimmt und schmeckt, dass er süß ist. Deshalb bedeutet diese Erkenntnis Christi, ihn als den zu sehen, der er wirklich ist, und ihn über alles andere zu genießen.

Deshalb ist die prophetische Herausforderung: »Lasst uns ihn erkennen, ja, lasst uns nachjagen der Erkenntnis des HERRN!« (Hosea 6,3), die gleiche Herausforderung wie die, die dieses Buch zum Ziel hat: Lasst uns kämpfen, um zu sehen, lasst uns weitermachen in dem Kampf, die Herrlichkeit Christi zu sehen und zu genießen.


  1. Jonathan Edwards, »Born Again«, in: The Works of Jonathan Edwards, Bd. 17, Sermons and Discourses, 1730-1733, Hrsg. Mark Valeri (NewfckLRHaven: Yale University Press, 1999), S. 192.
  2. Zitiert aus Jonathan Edwards, The End for Which God Created the World, in: John Piper, God’s Passion for His Glory: Living the Vision of Jonathan Edwards (Wheaton: Crossway Books, 1998), S. 242.
  3. Ich habe in anderen Büchern ausführlich aus der Schrift für diese WahrheitfckLRargumentiert. Siehe dazu Sehnsucht nach Gott – Leben als »christlicher Genießer« (Friedberg: 3L, 2005), S. 329-344; Let the Nations Be Glad: The Supremacy of God in Missions, 2. Aufl. (Grand Rapids: Baker,fckLR2003), S. 21-28.
  4. Jonathan Edwards, The Works of Jonathan Edwards, Bd. 13, The »MiscellaniesfckLR«, a-500, Hrsg. Thomas Schafer (New Haven: Yale University Press, 1994), S. 495. Für Edwards’ erweiterte Entfaltung dieser WahrheitfckLRsiehe The End for Which God Created the World, in: Piper, God’s PassionfckLRfor His Glory: Living the Vision of Jonathan Edwards, S. 117-251.
  5. Edwards, in: God’s Passion for His Glory, S. 247.
  6. Jonathan Edwards, »A Divine and Supernatural Light«, in: The Works of Jonathan Edwards, Bd. 17, S. 413.
  7. Ebd., S. 413.
  8. Zitiert aus den »Sermons« von Thomas Binney, in: Charles Haddon Spurgeon, The Treasury of David, 3 Bände (Mclean: Macdonald Publishing Company, ohne Datum), Bd. 1, S. 131, Hervorhebung hinzugefügt (deutschefckLRAusgabe: Die Schatzkammer Davids, Bielefeld: Christliche Literatur- Verbreitung, 1996). Thomas Binney (1798-1874) war ein englischerfckLRPastor und Liederdichter der Kongregationalisten.
  9. Edwards, »A Divine and Supernatural Light«, S. 414.