Wenn die Freudenicht mehr da ist/Die zentrale Rolle des Gebets im Kampf um Freude

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English: When I Don't Desire God/The Focus of Prayer in the Fight for Joy

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Von John Piper Über Christian Hedonism
Kapitel 10 des Buches Wenn die Freudenicht mehr da ist

Übersetzung von Desiring God


Sättige uns am Morgen mit deiner Gnade, so werden wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen.
Psalm 90,14

Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude völlig sei!
Johannes 16,24

Ich bitte, Gott, lass mich dich erkennen, lass mich dich lieben, um mich an dir zu erfreuen. Und wenn ich (es) in diesem Leben nicht bis zur Vollendung kann, so lass mich wenigstens Tag für Tag voranschreiten, bis es zur Vollendung kommt. Es schreite voran hier in mir das Wissen um dich – und dort werde es vollkommen; es wachse die Liebe zu dir – und dort sei sie vollkommen, auf dass hier meine Freude sei in der Hoffnung groß und dort in der Wirklichkeit vollkommen. Herr, durch deinen Sohn befiehlst du, ja rätst uns zu bitten und versprichst zu empfangen, »dass unsere Freude vollkommen sei«. Ich erbitte, Herr, was du uns rätst durch unseren »wunderbaren Ratgeber«. Lass mich empfangen, was du versprichst durch deine Wahrheit, »dass meine Freude vollkommen sei«. Wahrhafter Gott, ich bitte, lass mich empfangen, »dass meine Freude vollkommen sei«. Inzwischen soll mein Geist über sie sinnen, meine Zunge von ihr sprechen. Es soll mein Herz sie lieben, mein Mund von ihr reden. Es soll meine Seele nach ihr hungern, mein Fleisch nach ihr dürsten, mein ganzes Sein sie begehren, bis ich »eintrete in die Freude meines Herrn«, »der da ist« der dreieinige Gott, »gepriesen in Ewigkeit. Amen.«
Anselm
Proslogion[1]

Inhaltsverzeichnis

Alles andere nur verlangen, weil wir Gott verlangen

Was macht man, wenn man kein Verlangen nach dem Wort Gottes hat? Oder wenn man es liest, aber nichts sieht, was einem Freude gibt? Oder wenn die eigene Freude schwach ist und vor den Verlockungen der Welt zerfällt? Was macht man, wenn man nicht in dem Gott der Bibel Zufriedenheit findet, sondern die Vergnügungen der Freude bevorzugt? Haben Paulus oder die Psalmisten oder die berühmten Heiligen der Geschichte jemals damit gekämpft? Ja, sie haben damit gekämpft. Und wir sollten Mut daraus schöpfen. Wir haben alle mit Zeiten der Lauheit und der geistlichen Gefühllosigkeit des Herzens zu kämpfen. Selbst im Leben der gottesfürchtigsten Menschen gibt es Zeiten, in denen der geistliche Hunger schwach wird und die Finsternis das Licht zu verzehren droht und alles bis auf eine schwache Erinnerung an den Geschmack der Freude dahinschwindet.

Das Elend Martin Luthers

Martin Luther zum Beispiel schien von außen für viele unverwundbar zu sein. Aber diejenigen, die ihm nahe standen, kannten sein Elend. Am 13. Juli 1521, als er in der Wartburg fieberhaft an der Übersetzung des Neuen Testaments hätte arbeiten müssen, schrieb er Folgendes an Melanchthon:

Ich sitze hier bequem, verhärtet und gefühllos – ach! Wenig betend, wenig um die Gemeinde Gottes bekümmert, aber umso mehr in den wilden Feuern meines ungezähmten Fleisches brennend. Hierauf kommt es hinaus: Ich sollte in den Flammen des Geistes stehen; in Wirklichkeit stehe ich in den Flammen des Fleisches, mit Begierde, Trägheit, Untätigkeit, Schläfrigkeit. Vielleicht liegt es daran, dass ihr alle aufgehört habt, für mich zu beten, dass Gott sich von mir abgewendet hat. … In den letzten acht Tagen habe ich nichts geschrieben und weder gebetet noch studiert, teilweise aus Maßlosigkeit, teilweise aufgrund einer anderen ärgerlichen Behinderung [Verstopfung und Hämmorrhoiden, wie wir an anderer Stelle erfahren]. … Ich kann es wirklich nicht länger aushalten; … bete für mich, ich bitte dich, denn in meiner Abgeschiedenheit hier bin ich von Sünden überhäuft.[2]

Die geistliche Sicht der Heiligen ist nicht immer klar. Wolken ziehen heran, und wenn die Herrlichkeit Christi verdunkelt ist, können die Feuer der Zuneigung nur noch ein Glimmen sein. Wir werden mehr dazu in Kapitel 12 sehen. Nur so viel sei jetzt gesagt: Das müssen keine vergeudeten Zeiten im Leben des Glaubens sein. Gott hat weise und heilige Absichten, wenn er seine geliebten Kinder an die Grenze der Verzweiflung bringt (siehe 2. Korinther 1,8-10).

Aber es ist niemals unser Ziel, in das Tal der Finsternis zu gehen oder dort zu bleiben. Das biblische Gebot ist: »Freut euch im Herrn.« Und selbst wenn die Bibel gebietet: »Fühlt euer Elend und trauert und weint; euer Lachen verwandle sich in Traurigkeit und eure Freude in Niedergeschlagenheit!« (Jakobus 4,9) – selbst dann ist es das Ziel, nicht dort zu bleiben. Der nächste Vers lautet: »Demütigt euch vor dem Herrn! Und er wird euch erhöhen.« »Denn die Betrübnis nach Gottes Sinn bewirkt eine nie zu bereuende Buße zum Heil; die Betrübnis der Welt aber bewirkt den Tod« (2. Korinther 7,10). Das Ziel der Buße des zerbrochenen Herzens ist der Segen der demütigen Freude, die Christus verherrlicht.

Wie kämpfen wir also um Freude, wenn unser Verlangen ermattet und wir keine Zuneigung für das Wort Gottes haben? Die Antwort, auf die wir uns in diesem Kapitel konzentrieren, ist das Gebet. Der Schlüssel zur Freude an Gott ist Gottes allmächtige und verändernde Gnade, durch seinen Sohn erkauft, durch seinen Geist angewandt, durch das Wort erweckt und durch den Glauben mittels Gebet empfangen.

Gebet: »ein Darbringen unserer Verlangen zu Gott« 

Wie können wir Gebet definieren, damit wir wissen, wovon wir sprechen? B.B. Warfield erzählt eine Geschichte über D.L. Moody, den Evangelisten des 19. Jahrhunderts, als er Großbritannien besuchte und viel über den Wert des Westminster- Katechismus in Bezug auf Gebet lernte. Er war bei einem schottischen Freund in London untergebracht.

Ein junger Mann war gekommen, um mit Herrn Moody über religiöse Dinge zu sprechen. Er hatte mit einer Reihe von Dingen Schwierigkeiten, unter anderem auch mit dem Gebet und natürlichen Gesetzen. »Was ist Gebet?«, fragte er. »Ich weiß nicht, was Sie damit meinen!« Sie befanden sich im Flur eines großen Hauses in London. Bevor Moody antworten konnte, hörte man ein Kind auf der Treppe singen. Es war die Stimme eines kleinen Mädchens von neun oder zehn Jahren, der Tochter des Gastgebers. Sie lief die Treppe herunter und hielt an, als sie Fremde im Flur sitzen sah. »Komm her, Jenny«, sagte ihr Vater, »und sage diesem Herrn, was Gebet ist.« Jenny wusste nicht, was vorgefallen war, aber sie verstand, dass sie jetzt ihren Katechismus aufsagen sollte. Also richtete sie sich auf, faltete ihre Hände vor sich, wie ein braves kleines Mädchen, das sich bereitmachte, »ihre Bitten aufzusagen«, und sie sagte in ihrer klaren kindlichen Stimme: »Gebet ist ein Darbringen unserer Verlangen zu Gott, für Dinge, die in Übereinstimmung mit seinem Willen sind, im Namen Christi, mit Bekenntnis unserer Sünde und dankbarer Anerkennung seiner Barmherzigkeit.« »Ah! Das ist der Katechismus! «, sagte Moody, »Gott sei Dank für den Katechismus.«[3]

Die zentrale Definition des Gebets im Westminster-Katechismus ist »ein Darbringen unserer Verlangen zu Gott«. Daher ist das Gebet die Offenbarung des Herzens. Das, wofür ein Mensch betet, zeigt den geistlichen Zustand seines Herzens. Wenn wir nicht für geistliche Dinge beten (wie die Herrlichkeit Christi, die Heiligung des Namens Gottes, die Errettung der Sünder, die Heiligkeit unseres Herzens, die Ausbreitung des Evangeliums, Zerschlagenheit wegen Sünde, die Fülle des Geistes, das Kommen des Königreiches und die Freude der Kenntnis Christi), dann ist es wahrscheinlich so, weil wir kein Verlangen nach diesen Dingen haben. Das ist eine vernichtende Anklage unseres Herzens.

Deswegen sagte J.I. Packer: »Ich glaube, dass das Gebet die geistliche Messlatte eines Menschen ist, auf eine Weise, die es sonst nicht gibt, so dass es eine der wichtigsten Fragen für uns ist, wie wir beten.«[4] Wie wir beten, offenbart das Verlangen unseres Herzens. Und das Verlangen unseres Herzens offenbart, wo unser Schatz ist. Und wenn unser Schatz nicht Christus ist, dann gehen wir verloren. Jesus sagte: »Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig« (Matthäus 10,37).

Der Kampf um Freude: anbetungsvoll, liebevoll, ernsthaft und gefährlich

Deshalb ist der Kampf um Freude mit der Waffe des Gebets sehr ernst. Letztendlich geht es um die Ehre Gottes. Das ist wahr, weil Gott am meisten in uns verherrlicht ist, wenn wir zutiefst zufrieden sind in ihm. Es ist auch wahr, weil die Freude am Herrn unsere Stärke ist (Nehemia 8,10), wenn es um Barmherzigkeit und Gerechtigkeit und Mission geht. Denn wenn das Licht Christi auf diese Weise leuchtet, sehen Menschen unsere guten Werke und verherrlichen unseren Vater im Himmel (Matthäus 5,16). Wenn man mehr in Gott als in Wohlstand oder Menschenlob Zufriedenheit findet, wird man bereit, um Christi willen verfolgt zu werden. Über die frühen Christen wurde Folgendes gesagt: »Ihr habt … den Raub eurer Güter mit Freuden aufgenommen, da ihr wisst, dass ihr für euch selbst einen besseren und bleibenden Besitz habt« (Hebräer 10,34). Das ist es, was aus der Freude an Gott (nicht aus irdischer Sicherheit) kommt. Deshalb ist das Gebet für eine solch befreiende Freude an Gott eines der anbetungsvollsten und liebevollsten Dinge, die ein Mensch tun kann. Und es ist sehr gefährlich.[5]

Das Gebet um Freude ist nicht das emotionale Verwöhnen freudloser Menschen. Es ist Vorbereitung für Opfer. Im Kampf um Freude geht es um den strahlenden Glanz des Wertes Jesu, sichtbar für die Welt in Opfern der Liebe, die aus der Freude von Menschen hervorströmen, die durch Blut erkauft sind, eine zufriedene Seele haben und Christus erheben. Als Paulus zu den Korinthern sagte: »Wir sind Mitarbeiter an eurer Freude« (2. Korinther 1,24), sagte er nicht: »Wir verwöhnen euch.« Er sagte: »Wir bereiten euch auf radikale Opfer der Liebe vor, die Christus erheben.« 

Die Auswirkung der Freude in Mazedonien

Das wird ganz deutlich, wenn man sich 2. Korinther 8,1-4 ansieht. Paulus lobte, was mit den Christen in Mazedonien geschah, damit die Korinther das Gleiche suchen würden – nämlich die Gnade Gottes, die zu Freude an Gott führte, die dann zu Liebe führte. Dieses Muster sehen wir immer wieder.

Wir tun euch aber, Brüder, die Gnade Gottes kund, die in den Gemeinden Mazedoniens gegeben worden ist, dass bei großer Bewährung in Bedrängnis sich der Überschwang ihrer Freude und ihre tiefe Armut als überreich erwiesen haben in dem Reichtum ihrer Freigebigkeit. Denn nach Vermögen, ich bezeuge es, und über Vermögen waren sie aus eigenem Antrieb willig und baten uns mit vielem Zureden um die Gnade und die Beteiligung am Dienst für die Heiligen (2. Korinther 8,1-4).

Zuerst sehen wir die Kraft der Gnade. Und Paulus macht deutlich, dass diese Kraft auch den Korinthern zur Verfügung steht, nicht nur den Mazedoniern: »Gott aber vermag euch jede Gnade überreichlich zu geben, damit ihr in allem allezeit alle Genüge habt und überreich seid zu jedem guten Werk« (2. Korinther 9,8). Aufgrund der Gnade entsprang daraufhin im Herzen der »Überschwang der Freude«. Das geschah nicht aus besonderen Umständen oder aus Wohlstand. Es war bei »großer Bewährung in Bedrängnis« und in »tiefer Armut«. Dies ist kein Evangelium von Gesundheit, Reichtum und Wohlstand. Die Freude, die sie hatten, war in Christus, nicht in Dingen. Nachdem dann die Gnade reichliche Freude in Christus entspringen ließ, floss auch die Liebe über. Die Freude erwies sich als »überreich … in dem Reichtum ihrer Freigebigkeit« für die Armen. Und das war nicht erzwungen, sondern freiwillig und großzügig.

Das ist ernsthaft und gefährlich. Wenn Sie glauben, dass Freude nebensächlich ist und dass es bei der Großzügigkeit für die Hilfe der Armen von alleiniger Bedeutung ist, ob es Ihnen gefällt oder nicht, dann widersprechen Sie dem Wort Gottes.[6] Im selben Kontext sagt Paulus mit umwerfender Deutlichkeit: »Jeder gebe, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruss oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott« (2. Korinther 9,7). Gott erfreut sich nicht an unwilligem Gehorsam. Und wir fühlen uns auch nicht geliebt, wenn man uns ungern dient. Darum ist es nicht verwöhnend, wenn man für jemanden Mitarbeiter an seiner Freude an Christus ist. Es bereitet diesen Menschen auf die gefährlichsten Taten der Liebe vor.

Für Freude beten und für alles andere um der Freude willen beten

Deshalb wollen wir solchen Menschen folgen. Darum fragen wir uns: Wie beteten die frühen Christen für Freude? Als Erstes nehmen wir an, dass sie die Gebete aus der einzigen Bibel, die sie hatten, beteten, nämlich aus dem Alten Testament. Somit hätten sie gebetet: »Sättige uns am Morgen mit deiner Gnade, so werden wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen« (Psalm 90,14). »Lass mich Fröhlichkeit und Freude hören, so werden die Gebeine frohlocken, die du zerschlagen hast« (Psalm 51,10). »Lass mir wiederkehren die Freude deines Heils, und stütze mich mit einem willigen Geist!« (Psalm 51,14). »Erfreue uns so viele Tage, wie du uns gebeugt hast« (Psalm 90,15). »Willst du uns nicht wieder beleben, dass dein Volk sich in dir freue?« (Psalm 85,7). Übersehen Sie nicht, wie drastisch diese Gebete sind. Sie gehen davon aus, dass es nicht in unserer Macht liegt, unsere Zufriedenheit in Gott zu finden. Sondern sie gehen davon aus, dass Gott das Recht hat, dies zu tun, es tun kann und es in Antwort auf Gebet auch tut.

Zweitens beteten die frühen Christen für Freude in Übereinstimmung mit dem Beispiel der Apostel. Paulus betete: »Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben« (Römer 15,13). Und er betete für die Kolosser, dass sie »gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut, mit Freuden« sein mögen (Kolosser 1,11). Die frühe Gemeinde schaute also nicht nur in das Alte Testament, sondern auch in das entstehende Neue Testament für ihren Auftrag, durch das Gebet um Freude zu kämpfen.

Drittens nahmen sie Jesus beim Wort, als er sagte: »Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude völlig sei!« (Johannes 16,24). Also baten sie immer im Namen Jesu, darauf ausgerichtet, völlige Freude in ihm zu haben. Jedes Gebet war von der durch Blut erkauften Gnade begleitet. Wenn jedes Gebet mit den Worten »im Namen Jesu, Amen«, begleitet wurde, dann war das keine leere, abgenutzte Phrase für sie.

Paulus erklärte, warum: »Denn so viele Verheißungen Gottes es gibt, in ihm ist das Ja, deshalb auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre durch uns« (2. Korinther 1,20). Mit anderen Worten: Weil Christus an unserer Stelle starb, ist der ganze Zorn Gottes von uns abgewendet, und vom Himmel kommt nur Barmherzigkeit zu uns (Römer 5,9; 8,32). Das ist der Grund all unserer Gebete. Sie sind für uns durch das Blut Christi erkauft worden. In Jesu Namen beten heißt, dass wir das glauben und Antworten erwarten, nur aufgrund von Christi Gerechtigkeit, nicht unserer.

Jedes Gebet für Gottes Gaben ist ein Gebet für mehr von Gott

Im Gehorsam gegenüber Christus betete die frühe Gemeinde also in Jesu Namen, und sie betete mit dem Ziel, das Jesus ihr gegeben hatte: »dass eure Freude völlig sei«. Jedes Gebet, ganz gleich wofür, war ein Gebet für die Fülle der Freude in Christus. Sie wussten, dass Christus die Gemeinde nicht dazu aufrief, Gottes Gnade für materiellen Gewinn auszunutzen. Gebet war dazu bestimmt, Gott zu verherrlichen und seinen Sohn größer zu machen. Jesus sagte: »Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das werde ich tun, damit der Vater verherrlicht werde im Sohn« (Johannes 14,13). Die frühe Gemeinde wusste, dass ein Mensch im Gebet einen Diener aus Gott machen könnte, wenn er kein Verlangen nach Gott, sondern nur nach seinen Gaben hätte. Jakobus sagte: »Ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden« (Jakobus 4,3). Es ist nicht falsch, Gottes Gaben haben zu wollen und darum zu bitten. Die meisten Gebete in der Bibel sind für die Gaben Gottes. Aber letztendlich sollte man jede Gabe verlangen, weil sie uns mehr von ihm zeigt und uns mehr von ihm gibt.

Augustinus sagte es so in einem seiner Gebete: »Der liebt dich weniger, der neben dir etwas liebt, was er nicht um deinetwillen liebt.«[7] Jedes Christus erhebende Gebet für die Gaben Gottes ist an seiner Wurzel ein Gebet für die Herrlichkeit Christi. Christus wird erhoben, wenn wir ihn mehr als Gottes Gaben verlangen. »Denn deine Gnade ist besser als Leben; meine Lippen werden dich rühmen« (Psalm 63,4). Wenn seine Gnade besser als Leben ist, dann muss sie besser sein als alles, was das Leben geben kann.

Wie können wir sonst die folgenden Worte aus Habakuk 3,17-18 erklären? »Denn der Feigenbaum blüht nicht, und an den Reben ist kein Ertrag. Der Ölbaum versagt seine Leistung, und die Terrassengärten bringen keine Nahrung hervor. Die Schafe sind aus der Hürde verschwunden, und kein Rind ist in den Ställen. – Ich aber, ich will in dem HERRN frohlocken, will jubeln über den Gott meines Heils.« Wenn diese Welt vollkommen zugrunde geht, verbleibt unser Grund zur Freude. Gott. Daher ist sicherlich jedes Gebet für Leben und Gesundheit und Heim und Familie und Beruf und Dienst in dieser Welt an zweiter Stelle. Und die große Absicht des Gebets ist, zu bitten, dass – in seinen Gaben und durch diese – Gott unsere Freude sei.

Wie die frühe Gemeinde für alles betete, um Freude zu haben

Es ist erstaunlich zu sehen, wie diese Wahrheit im Neuen Testament in die Wirklichkeit umgesetzt wurde. Schauen Sie sich mit mir für einige Minuten die Gebete der frühen Christen an, und Sie werden sehen, wofür sie beteten und wie das alles Teil des Kampfes um Freude an Gott war.

1. Die frühen Christen riefen Gott an, dass er seinen Namen in der Welt erhebe.

»Betet ihr nun so: Unser Vater, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name« (Matthäus 6,9). Das ist auf zwei Arten ein Gebet für Freude. Erstens: Den Namen Gottes geehrt zu sehen, ist die größte Freude für alle, die Gott lieben. Darum ist das Gebet, dass sein Name geehrt werde, ein Gebet für das, was wir mehr als alles andere verlangen. Zweitens: Da Gott am meisten in uns verherrlicht ist, wenn wir zutiefst zufrieden sind in ihm, ist ein Gebet, dass sein Name geheiligt (verherrlicht) werde, ein Gebet, dass wir und Millionen von anderen über alles in ihm befriedigt würden. Die Psalmisten verbinden die Freude, die wir an Gott haben, mit dem Lobpreis, den wir seinem Namen bringen. »In dir will ich mich freuen und frohlocken, will deinen Namen besingen, du Höchster« (Psalm 9,3).

2. Die frühen Christen riefen Gott an, dass er sein Reich in der Welt erweitere.

»Dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden!« (Matthäus 6,10). Wenn Gottes Reich in der Fülle seiner Herrlichkeit kommt, wird Gott »jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein« (Offenbarung 21,4). Darum ist ein Gebet für das Kommen dieses Reiches ein Gebet darum, dass die größtmögliche Freude die Schöpfung erfüllt.

Aber nicht nur weit entfernt in der Zukunft. Der geistliche Triumph von Gottes Reich in der Seele und in der Gemeinde und hier und dort in der heutigen Welt wird vom Apostel Paulus ausdrücklich als »Gerechtigkeit und Friede und Freude« beschrieben. »Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist« (Römer 14,17). Darum ist ein Gebet für die Herrschaft Gottes in einem Menschenleben (inklusive des eigenen) ein Gebet für Freude.

3. Die frühen Christen riefen Gott für die Fülle im Heiligen Geist an.

»Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater, der vom Himmel gibt, den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!« (Lukas 11,13; siehe auch Epheser 3,19). Die gemeinsame Erfahrung der frühen Gemeinde war, dass die Fülle des Heiligen Geistes die Auswirkung freudiger Freimütigkeit im Zeugnis (Apostelgeschichte 4,31) und freudiger Freiheit in der Anbetung hatte (Epheser 5,18-19). Das ist deshalb so, weil »die Frucht des Geistes … Freude« ist (Galater 5,22).

4. Die frühen Christen riefen Gott an, dass er Ungläubige rette.

»Brüder! Das Wohlgefallen meines Herzens und mein Flehen für sie zu Gott ist, dass sie errettet werden« (Römer 10,1). Dies ist in zweierlei Hinsicht ein Gebet für Freude. Erstens: Gerettet zu werden heißt, den größten Schatz des Universums zu finden und freudig alles andere als zweitrangig zu sehen. »Das Reich der Himmel gleicht einem im Acker verborgenen Schatz, den ein Mensch fand und verbarg; und vor Freude darüber geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft jenen Acker« (Matthäus 13,44). Zweitens: Wenn ein Sünder Buße tut, dann »wird Freude im Himmel sein … mehr als über neunundneunzig Gerechte, die die Buße nicht nötig haben« (Lukas 15,7). Darum freuen sich alle, die das Herz des Himmels haben, mit denen, die sich freuen – besonders den Engeln und Gott selbst.

5. Die frühen Christen riefen Gott für Heilung an.

»Leidet jemand unter euch? Er bete. Ist jemand guten Mutes? Er singe Psalmen. Ist jemand krank unter euch? Er rufe die Ältesten der Gemeinde zu sich, und sie mögen über ihm beten und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden« (Jakobus 5,13- 15). Wir können sehen, was in Samaria geschah, als Philippus Menschen dort heilte: »Viele Gelähmte und Lahme wurden geheilt. Und es war große Freude in jener Stadt« (Apostelgeschichte 8,7-8).

6. Die frühen Christen riefen Gott für strategische Weisheit an.

»Wenn aber jemand von euch Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der allen willig gibt und keine Vorwürfe macht, und sie wird ihm gegeben werden« (Jakobus 1,5; siehe auch Kolosser 1,9). Im Alltag leben wir weise, wenn wir auf Gott ausgerichtete Ziele erreichen, für die wir geschaffen worden sind, inklusive der Ehre Gottes in der Freude unserer Anbetung. Und so beschreibt Paulus die Auswirkung des Gelehrtwerdens »in aller Weisheit« – nämlich: »Mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern singt Gott in euren Herzen in Gnade!« (Kolosser 3,16).

7. Die frühen Christen riefen Gott für Einheit und Harmonie unter den Gläubigen an.

Jesus formulierte dieses Gebet für sie: »Nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben, damit sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast« (Johannes 17,20-21). Als Paulus an diese Art der Einheit dachte, sagte er zu den Philippern: »Erfüllt meine Freude, dass ihr dieselbe Gesinnung und dieselbe Liebe habt, einmütig, eines Sinnes seid« (Philipper 2,2). Die Einheit von Gottes Volk ist eine große Freude für diejenigen, die ein Verlangen danach haben, dass »die Welt glaube«, dass Gott Jesus Christus gesandt hat.

8. Die frühen Christen riefen Gott an, dass er ihnen helfe, ihn besser zu kennen.

»[Wir hören nicht auf, für euch zu beten] … dass ihr [wachst] durch die Erkenntnis Gottes« (Kolosser 1,9-10; siehe auch Epheser 1,17). Gott geistlich zu kennen (nicht nur intellektuell), ist das Fundament für alle Freude. Deshalb sagte Jesus, dass diejenigen, die reines Herzens sind, glückselig (glücklich) sind – weil sie Gott sehen (Matthäus 5,8).

9. Die frühen Christen riefen Gott an, dass er ihnen helfe, die Liebe Christi zu begreifen.

»Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater …, damit ihr imstande seid, mit allen Heiligen völlig zu erfassen, was die Breite und Länge und Höhe und Tiefe ist, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus« (Epheser 3,14.18-19). Um Freude für die Seele aus der Liebe Christi zu schöpfen, müssen wir wenigstens einen Teil des Unbegreiflichen begreifen. Solange die Liebe Christi nur eine Idee ist, wird sie nicht unsere Herzen bewegen. Aber ein Gebet für die Kraft, um zu begreifen, ist ein Gebet für die Erweckung der Freude.

10. Die frühen Christen riefen Gott für eine tiefere Empfindung der sicheren Hoffnung an.

»[Ich höre nicht auf,] für euch zu danken, und ich gedenke eurer in meinen Gebeten … damit ihr wisst, was die Hoffnung seiner Berufung [ist]« (Epheser 1,16.18). Es ist die allgemeine Erfahrung des Menschen und das ausdrückliche Zeugnis der Apostel, dass Hoffnung Freude bewirkt: »Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben« (Römer 15,13). »[Wir] rühmen uns aufgrund der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes« (Römer 5,2). »In Hoffnung freut euch« (Römer 12,12).

11. Die frühen Christen riefen Gott für Kraft und Ausharren an.

»[Wir hören nicht auf, für euch zu beten, dass ihr] … gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit [seid], zu allem Ausharren und aller Langmut, mit Freuden« (Kolosser 1,9.11; siehe auch Epheser 3,16). Es ist nicht überraschend, dass Kraft und Ausharren mit Freude verbunden werden, weil Nehemia 8,10 uns schon lehrte: »Die Freude am HERRN ist eure Stärke.« 

12. Die frühen Christen riefen Gott für die Bewahrung ihres Glaubens an.

Jesus gab zuerst ein Beispiel für ein solches Gebet, als er für Petrus kurz vor seinen drei Verleugnungen betete: »Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du einst zurückgekehrt bist, so stärke deine Brüder!« (Lukas 22,32). Jesus lehrte auch die Jünger, für ausharrenden Glauben zu beten: »Wacht nun und betet zu aller Zeit, dass ihr imstande seid, diesem allem, was geschehen soll, zu entfliehen und vor dem Sohn des Menschen zu stehen!« (Lukas 21,36). Und Paulus macht deutlich, dass wenn er für den Glauben der Gemeinden betet und arbeitet, er ausdrücklich für ihre Freude arbeitet. »Im Vertrauen hierauf weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen bleiben werde zu eurer Förderung und Freude im Glauben« (Philipper 1,25). »Nicht dass wir über euren Glauben herrschen, sondern wir sind Mitarbeiter an eurer Freude; denn ihr steht durch den Glauben« (2. Korinther 1,24).

13. Die frühen Christen riefen Gott an, dass sie nicht in Versuchung kommen mögen.

»Führe uns nicht in Versuchung« (Matthäus 6,13). »Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt!« (Matthäus 26,41). Was ist Versuchung? Sie ist immer in der einen oder anderen Form die Täuschung, dass etwas begehrenswerter ist als Gott und seine Wege. Das Gebet für Befreiung davon ist daher, dass wir uns nicht täuschen lassen, sondern immer schmecken und wissen, dass Gott und seine Wege begehrenswerter als alles andere sind.

14. Die frühen Christen riefen Gott an, dass er ihr Wohlgefallen vollende und sie befähige, gute Werke zu tun.

»Deshalb beten wir auch allezeit für euch, dass unser Gott … alles Wohlgefallen an der Güte und das Werk des Glaubens in Kraft vollende« (2. Thessalonicher 1,11). »[Wir hören nicht auf, für euch zu beten, dass ihr] des Herrn würdig [wandelt] zu allem Wohlgefallen, fruchtbringend in jedem guten Werk« (Kolosser 1,9.10). Wir wissen aus Erfahrung und aus dem Wort Jesu in Apostelgeschichte 20,35: »Geben ist seliger als Nehmen.« Darum, wenn wir für die Befähigung beten, so zu geben, dann beten wir für große und freudige Seligkeit.

15. Die frühen Christen riefen Gott um Vergebung ihrer Sünden an.

»Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben « (Matthäus 6,12). Das ist ein Gesuch nach der andauernden Anwendung und des andauernden Genusses des großen Urteils, das über uns in Christus verhängt wurde: Gerechtfertigt! Diese Stellung in Christus, die uns Gottes Gunst versichert, ist das Fundament für all unsere Freude.

16. Die frühen Christen riefen Gott für Bewahrung vor dem Bösen an.

»Errette uns von dem Bösen!« (Matthäus 6,13). Der Teufel ist ein großer Betrüger, und das Ziel des Betrugs ist, wie bei der Versuchung, dass wir irgendetwas – sogar gute Dinge – mehr als Gott verlangen. Er bietet uns tausend andere Dinge an und droht uns tausend Nöte in dieser Welt an. Wenn wir für Errettung von dem Bösen beten, meinen wir: Lass uns niemals von anderen Dingen angezogen werden, und lass uns niemals aus unseren Nöten schließen, dass Gott nicht unser Freund ist, in dem wir vollkommene Zufriedenheit finden.

Alles, wofür die frühe Gemeinde betete, war Teil ihres Kampfes um Freude in Gott. Wenn das nicht wahr wäre, dann wären die Gebete gewinnsüchtig. Sie hätten Gott zu einem Flaschengeist gemacht – und Gebet zur Wunderlampe Aladins. Aber als Jesus sagte: »Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude völlig sei!« (Johannes 16,24), meinte er: »Sucht in all eurem Bitten die Fülle der Freude in mir. Auf diese Weise verherrlicht ihr mich in all eurem Bitten.« Lassen Sie uns um Freude kämpfen, indem wir Gott ernsthaft darum bitten, und lassen Sie uns um Freude kämpfen, indem wir um alles andere mit diesem einen großen Ziel bitten: in und durch all seine Gaben mehr von Christus zu sehen und zu schmecken.

Gebet und Nachsinnen sind genauso untrennbar wie Gottes Wort und Gottes Geist

Es mag seltsam erscheinen, dass in diesem und im nächsten Kapitel so viel Wert auf das Gebet gelegt wird, im Anschluss an zwei Kapitel über die äußerst unerlässliche Rolle des Wortes Gottes. Der Grund dafür ist, dass Gebet und Nachsinnen im Kampf um Freude untrennbar sind. Diese Untrennbarkeit hat ihre Wurzeln im Plan Gottes, den Geist Gottes und das Wort Gottes untrennbar zu machen. Sein Vorhaben für unser Leben ist, dass das Werk seines Geistes durch sein Wort geschieht – und das Werk seines Wortes durch seinen Geist geschieht. Der Geist und das Wort sind untrennbar in dem Wecken und Bewahren der Freude, vom ersten Akt der Wiedergeburt bis zum letzten Akt der Verherrlichung. Gott wirkt mit dem Geist durch sein Wort, um seinen Sohn zu verherrlichen und sein Volk zu befriedigen.

Gebet und Nachsinnen entsprechen dem Geist Gottes und dem Wort Gottes. Gebet ist unsere Antwort an Gott im Vertrauen auf seinen Geist; und Nachsinnen ist unsere Antwort an Gott im Vertrauen auf sein Wort.

Im Gebet loben wir die Vollkommenheit Gottes durch seinen Geist, danken Gott für das, was er durch seinen Geist getan hat, bekennen unsere Versäumnisse, auf das Versprechen seines Geistes zu vertrauen, und bitten um die Hilfe seines Geistes – alles im Namen Jesu. Gebet ist der menschliche Ausdruck für ein Wertschätzen des Geistes Gottes und ein Vertrauen auf ihn.

Im Nachsinnen, als Gegenstück zum Gebet, hören wir das Wort Gottes, denken darüber nach und schätzen es. Nachsinnen bedeutet, die Bibel zu lesen und daran zu kauen, um die Süße und Ernährung davon zu bekommen, die Gott zu geben vorgesehen hat. Es sollte beinhalten, dass man das Wort auswendig lernt, damit man daran kauen und Tag und Nacht davon gestärkt werden kann. Das Wesen des Nachsinnens ist, sich in die Gedanken der Schreiber hineinzudenken, denen es durch Eingebung gewährt wurde, die Gedanken Gottes zu denken (vgl. 2. Timotheus 3,16-17; 2. Petrus 1,21). Überlegen Sie, denken Sie nach, erwägen Sie und kauen Sie, bis Sie Gott so sehen, wie diese Menschen ihn sahen – nämlich als kostbar und wertvoll und schön und begehrenswert. Auf diese Weise dient das Wort zur Freude.

Deshalb, genauso wie der Geist und das Wort untrennbar in unserem Leben sind, so sind auch Gebet und Nachsinnen untrennbar. Der Kampf um Freude beinhaltet immer beides. Gebet ohne Nachsinnen über dem Wort Gottes wird in humanistische Spiritualität zerfallen. Es wird einfach unsere eigenen gefallenen Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringen – nicht die Gottes. Und Nach sinnen ohne die Demut des inständigen Gebets wird stolze Gesetzlichkeit oder hoffnungslose Verzweiflung schaffen.

Ohne Gebet werden wir versuchen, das Wort in unserer eigenen Kraft zu erfüllen, und denken, dass wir damit erfolgreich sind, und so zu stolzen Pharisäern werden; oder wir werden merken, dass wir damit nicht erfolgreich sind, und in Verzweiflung aufgeben. Das sind die einzigen Alternativen für diejenigen, die versuchen, das Wort Gottes ohne den Geist Gottes zu leben – das heißt diejenigen, die versuchen, die Disziplin des Nachsinnens von der Abhängigkeit des Gebets zu trennen.

Der Geist erweckt Freude, wo das Wort Christus erhebt

Es gibt einen entscheidenden, Christus verherrlichenden Grund, warum der Geist nur durch das Wort Gottes Freude schafft und erhält, die auf Gott ausgerichtet ist. Der Grund ist dieser: Der Geist bindet sein errettendes, Freude schaffendes Werk an das auf Christus ausgerichtete Wort Gottes, damit Jesus Christus verherrlicht wird durch die Freude, die der Geist eingibt. Jesus sagte, dass der Geist gegeben wurde, um den Sohn Gottes zu verherrlichen (Johannes 16,14). Deshalb wirkt der Geist durch das Wort, das den Sohn erhebt. Und darum ist Gebet, das sein Werk sucht, untrennbar von dem Nachsinnen, das sein Wort genießt.

Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels veranschaulichen. In Lukas 2,10- 11 hören wir ein Wort Gottes an die Hirten: »Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die für das ganze Volk sein wird. Denn euch ist heute ein Retter geboren, der ist Christus, der Herr, in Davids Stadt.« Was war die Absicht dieses Wortes? Die Absicht war mindestens, Freude zu schaffen. »Ich verkündige euch große Freude.« Mit anderen Worten: Die Wahrheit über Jesus – dass er Retter und Messias und Herr ist und dass er in der prophezeiten Stadt Davids geboren wurde – all diese Wahrheit war dazu gedacht, große Freude zu geben. Und wer bekam die Ehre, als die Freude da war? Jesus. Warum? Weil der Geist eine Verkündigung über ihn benutzt, um Freude zu geben. Er ist Retter, Christus, Herr.

Aber nehmen wir einmal an, dass die Hirten auf ihrem Feld in der Nacht Wache hielten über ihre Herde, und plötzlich käme der Heilige Geist unidentifiziert auf sie und füllte sie mit großer Freude, aber ohne irgendeine Verkündigung. Kein Wort. Keine Offenbarung. Nur das vom Geist gegebene Gefühl der Freude – wie ein Hochgefühl, das durch die Einnahme von Drogen kommt. Wer bekäme dann die Ehre? Es gibt kein Wort über Christus, und der Geist bleibt inkognito. Die Antwort ist, dass niemand für diese Freude die Ehre bekäme, außer vielleicht die Hirten, dafür dass sie sich nicht von der kalten Winternacht unterkriegen lassen.

Wie wäre Christus verherrlicht, wenn der Geist alle möglichen Arten guter Gefühle schaffen würde, ohne Bezug zu Jesus und seinem Kreuz und seiner Auferstehung? Überhaupt nicht. Deshalb schafft und erhält der Geist die Freude in unserem Leben, indem er uns demütig und ruhig ermöglicht, die Schönheit Christi in dem Wort zu sehen. Dann kommt unsere Freude bewusst von der Wahrheit über Christus, und er wird verherrlicht, doch der Geist bleibt hinter den Kulissen die Kraft, die die Augen unseres Herzens öffnete. Deshalb beten wir ernsthaft für das unerlässliche Wirken des Geistes, doch wir schauen ernsthaft auf das unerlässliche Wort Gottes.

Wie das in meiner Erfahrung funktioniert

Ganz praktisch bedeutet das für den Kampf um Freude, dass wir jeden Tag nicht nur zum Wort gehen, sondern auch über dem Wort beten müssen – sogar bevor wir zum Wort kommen, damit der Heilige Geist wirken kann. Ich beende dieses Kapitel mit einer Beschreibung, wie dies in meiner eigenen Erfahrung funktioniert.

Fast täglich bete ich früh am Morgen, dass Gott mir ein Verlangen nach ihm und nach seinem Wort geben möge, weil dieses Verlangen in mir fehlt oder schwach ist. Ich folge dabei selbst dem Akronym (= ein aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildetes Wort.), das ich vielen Menschen gegeben habe, um ihnen in ihrem Kampf um Freude zu helfen. Das Akronym ist N Ö F S. Es ist sehr begrenzt und sehr konzentriert. Es ist nicht alles, wofür wir beten sollten. Aber in diesem Buch (und in dem größten Teil meines Lebens) geht es um den Kampf um Freude. Und das ist das, worauf N Ö F S sich konzentriert. So bete ich in meinem Kampf um Freude über dem Wort:

N – (Neige!) Als Erstes braucht meine Seele eine Neigung zu Gott und zu seinem Wort. Ohne diese Neigung wird nichts von wahrem Wert in meinem Leben geschehen. Ich muss es wollen, Gott zu kennen und sein Wort zu lesen und sich ihm zu nähern. Woher kommt dieses Wollen? Es kommt von Gott. Darum lehrt uns Psalm 119,36 zu beten: »Neige mein Herz zu deinen Zeugnissen und nicht zum Gewinn!« Wir bitten Gott ganz einfach, unser Herz zu nehmen, das mehr zum Frühstück und zu der Zeitung geneigt ist, und diese Neigung zu ändern. Wir bitten Gott, dass er ein Verlangen schafft, das nicht da ist.
Ö – (Öffne!) Als Nächstes müssen die Augen meines Herzens geöffnet werden, damit ich, wenn meine Neigung mich zum Wort führt, sehe, was wirklich dort ist, und nicht nur meine eigenen Ideen. Wer öffnet die Augen des Herzens? Gott. Darum lehrt uns Psalm 119,18 zu beten: »Öffne meine Augen, damit ich schaue die Wunder aus deinem Gesetz.« Es passiert so oft, dass wir die Bibel lesen und nichts Wundervolles sehen. Das Lesen der Bibel gibt keine Freude. Was können wir dann tun? Wir können zu Gott schreien: »Öffne die Augen meines Herzens, o Herr, damit ich das als wundervoll sehe, was über dich geschrieben steht.«
F – (Fasse zusammen!) Dann beunruhigt es mich, dass mein Herz sehr zerstückelt ist. Teile davon sind Gott zugeneigt, andere nicht. Teile davon sehen Wundervolles, und andere Teile sagen: »Das ist nichts Wundervolles.« Ich sehne mich nach einem vereinten Herzen, in dem alle Teile ein freudiges Ja! zu dem sagen, was Gott in seinem Wort offenbart. Darum lehrt uns Psalm 86,11 zu beten: »Fasse mein Herz zusammen zur Furcht deines Namens.« Stolpern Sie nicht über das Wort Furcht, wenn Sie gedacht haben, dass Sie Freude suchen. Die Furcht des Herrn ist eine freudige Erfahrung, wenn Sie aller Sünde entsagen. Ein Gewitter kann eine zitternde Freude sein, wenn man weiß, dass man vor den Blitzen sicher ist. »Ach, Herr, lass doch dein Ohr aufmerksam sein auf … das Gebet deiner Knechte, die Gefallen daran finden, deinen Namen zu fürchten« (Nehemia 1,11; unrev. Elberfelder). »Er wird sein Wohlgefallen haben an der Furcht des HERRN« (Jesaja 11,3). Beten Sie deshalb, dass Gott Ihr Herz zusammenfassen möge, um freudig den Herrn zu fürchten.
S – (Sättige!) Was ich wirklich von dieser ganzen Beschäftigung mit dem Wort Gottes und dem Wirken seines Geistes als Antwort auf meine Gebete möchte, ist, dass mein Herz von Gott gesättigt wird – und nicht von der Welt. Woher kommt diese Sättigung? Sie kommt von Gott. Darum lehrt uns Psalm 90,14 zu beten: »Sättige uns am Morgen mit deiner Gnade, so werden wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen.«

N Ö F S sieht ein, dass Gott unsere einzige Hoffnung für Freude ist

Dieses Akronym hat mir über die Jahre sehr geholfen. Das ist für mich Kriegsführung an der Front. Ich kenne die quälende Erfahrung von Robert Robinsons Lied »Komm, du Quelle jedes Segens!« Was dieses Lied so zutreffend für mich macht, ist, dass es Gottes absolutes Recht anerkennt, mein Herz an ihn zu binden, und dann dieses Recht in ein Gebet umwandelt.

O welch großer Schuldner bleib’ ich,
Du verbind’st mich Tag für Tag!
Nimm dies Herz, denn das verschreib’ ich
Dir bis zu dem letzten Schlag!
Arm und schwach ist’s, Herr, du weißt es,
Immerdar zum Fall bereit,
Gib das Siegel deines Geistes
Mir für Zeit und Ewigkeit![8]

»Du verbind’st mich Tag für Tag. Nimm dies Herz.« Gott kann, wie mit einer Kette, unser schwaches Herz an sich binden. Darum bete ich – ach, wie sehr ich darum mit meinem ganzen schwachen Herzen bete –: »Gewähre mir, o Gott, den unvergleichlichen Wert deiner Güte zu sehen, damit es mich wie mit einer Kette an dich bindet.« 

Ich habe Menschen gehört, die Einwände gegen die letzte Zeile haben. Sie sagen, dass die Liebe freiwillig und nicht gezwungen sein sollte. Das stimmt. Aber es gibt zwei Arten des Zwangs. Eine Art des Zwangs ist gegen unseren Willen. Die andere Art ist das Ändern unseres Willens. Die erste Art resultiert in gezwungenen Taten. Die zweite Art resultiert in freiwilligen Taten. Es ist mein Verdacht, dass diejenigen, die Einwände gegen dieses Gebet haben, sich niemals ernsthaft der Härte ihres eigenen Herzens gestellt haben. Sie haben noch nie die biblische Diagnose unseres Zustands ernst genommen, die in Römer 8,7-8 als Unfähigkeit deutlich wird: »… weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie kann das auch nicht. Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen.« Und ich frage mich auch: Sind diejenigen, die Einwände gegen dieses Lied haben, jemals damit zurechtgekommen, warum der Psalmist so ernsthaft und wiederholt betet: »Neige mein Herz« (Psalm 119,36.112; 141,4)? Was mich betrifft: Die einzige Hoffnung, die ich habe, Gott zu lieben, wie ich sollte, ist, dass er all meine Abneigung überwindet und mein Herz zu ihm in Liebe bindet. Das ist die Gnade, die ich haben muss, um Christ zu sein und in Freude zu leben.

Deshalb bete ich wiederholt zu Gott: Neige mein Herz! Öffne die Augen meines Herzens! Fasse mein Herz zusammen! Sättige mein Herz! Gebet ist daher nicht nur die Messlatte unseres Herzens, indem es offenbart, wonach wir wirklich verlangen; es ist auch das unerlässliche Heilmittel für unser Herz, wenn wir nach Gott nicht so verlangen, wie wir es sollten.


  1. Anselm, Proslogion, Kapitel 26 (Stuttgart-Bad Cannstatt: Friedrich Frommann Verlag, 1962), S. 133.
  2. E.G. Rupp und Benjamin Drewery, Hrsg., Martin Luther: Documents of Modern History (New York: St. Martin’s Press, 1970), S. 72-73.
  3. B.B. Warfield, »Is the Shorter Catechism Worth While?«, in: Selected Shorter Writings of Benjamin B. Warfield, Hrsg. John E. Meeter, 2 Bände (Phillipsburg: P & R, 1980), Bd. 1, S. 382-383.
  4. J.I. Packer, My Path of Prayer, Hrsg. David Hanes (Worthing: Henry E. Walter, 1981), S. 56.
  5. Weitere Erläuterungen, warum das Streben nach und das Gebet für Freude gefährlich ist, gibt es in folgendem Buch: John Piper, The Dangerous Duty of Delight (Sisters: Multnomah, 2001).
  6. Siehe Kapitel 12, wo ich das Thema behandle, wie man gegen die eigenen Gefühle angehen kann auf eine Weise, die nicht heuchlerisch oder gesetzlich ist. Der Schlüssel ist, niemals zu sagen, dass Gefühle bedeutungslos sind. Sie sind bedeutungsvoll. Man wird vielleicht handeln müssen, wenn sie nicht existieren, aber das Ziel in all unserem Handeln und Beten ist, dass sie zurückkommen.
  7. Aurelius Augustinus, Die Bekenntnisse (Freiburg: Johannes Verlag Einsiedeln, 2004), S. 267 (X.29).
  8. Robert Robinson, »Komm, du Quelle alles Segens!«, zitiert aus: Neuer Evangeliumssänger (Kassel: Oncken, 1953), S. 250-251.