Wenn die Freudenicht mehr da ist/Freude an Gott ist eine Gabe Gottes
Aus Biblische Bücher und Predigten
Von John Piper
Über Christian Hedonism
Kapitel 5 des Buches Wenn die Freudenicht mehr da ist
Übersetzung von Desiring God
Die Frucht des Geistes aber ist … Freude.
Galater 5,22
Denn wer gibt dir einen Vorrang? Was aber hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber auch empfangen hast, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?
1. Korinther 4,7
Freilich können wir über die Freude niemals verfügen, über das Vergnügen dagegen oft.
C.S. Lewis
Überrascht von Freude[1]
Selbst das tun, was für uns getan werden muss
Der Titel dieses Kapitels ist eine gute Nachricht für Hoffnungslose und eine schlechte Nachricht für Menschen, die sich auf sich selbst verlassen. Oder, um es anders zu sagen: Diese Nachricht ist befreiend und niederschmetternd. Sie befreit denjenigen Menschen von Verzweiflung, der weiß, dass er sich nicht selbst dazu bringen kann, ein Verlangen zu haben, das er nicht hat. Und sie schmettert die Anmaßung desjenigen Menschen nieder, der gedacht hat, dass die Erfüllung all seiner Pflichten in seiner eigenen Kraft liegt.
Ein halbrichtiges Leugnen
Einer der Gründe, warum Menschen leugnen, dass Freude an Gott entscheidend ist, ist der, dass sie intuitiv wissen, dass diese Freude außerhalb ihrer Kraft liegt, und dass sie meinen, dass etwas außerhalb ihrer Kraft nicht verlangt werden kann. Sie haben zur Hälfte Recht. Letzten Endes ist Freude an Gott eine freie Gabe, keine selbst erbrachte menschliche Leistung. Das ist richtig. Aber es ist nicht biblisch zu sagen, dass die einzigen Tugenden, die Gott von mir verlangen kann, diejenigen sind, für die ich gut genug bin, sie zu tun. Wenn ich so schlecht bin, dass ich mich nicht an dem erfreuen kann, was gut ist, dann ist das kein Grund dafür, dass Gott mir nicht gebieten kann, das Gute zu lieben. Wenn ich so verdorben bin, dass ich mich nicht an dem erfreuen kann, was unendlich schön ist, dann bin ich deshalb nicht weniger schuld an meinem Ungehorsam gegenüber dem Gebot, mich an Gott zu erfreuen (Psalm 37,4). Es macht mich noch schuldiger.
Die Pflicht, sich an Gott zu erfreuen
Die Tatsache, dass Freude an Gott eine Pflicht ist, wird durch die direkten biblischen Gebote dazu ganz deutlich. »Freut euch im Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch!« (Philipper 4,4; siehe auch Psalm 32,11; 37,4; 97,12; 100,1; Joel 2,23). Im 17. Jahrhundert schrieb Matthew Henry über 2000 Jahre ernster Reflexion dieser Worte:
Freut euch im Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch! (V. 4). All unsere Freude muss bei Gott enden; und unsere Gedanken über Gott müssen freudige Gedanken sein. Habe deine Lust am HERRN (Ps. 37,4). … Beachten Sie dabei: Es ist unsere Pflicht und unser Vorrecht, uns an Gott zu erfreuen und uns an ihm immer zu erfreuen; zu jeder Zeit, in jeder Lage; auch wenn wir für ihn leiden oder von ihm bedrängt werden. Wir dürfen nicht schlechter über ihn oder über seine Wege denken, wenn wir Unannehmlichkeiten in seinem Dienst begegnen. In Gott gibt es genug, um uns in den schlimmsten Umständen auf Erden mit Freude auszurüsten. … Freude an Gott ist eine Pflicht, die große Konsequenzen für das christliche Leben hat, und Christen müssen immer wieder dazu aufgerufen werden.[2]
Da Freude an Gott eine Pflicht ist, sagen einige, dass sie keine Gabe sein kann. Aber beachten wir jetzt einmal, was die Bibel dazu sagt. Danach werden wir dieses Kapitel abschließen, indem wir uns fragen, warum dies von so entscheidender Bedeutung ist.
Wir begehen nicht nur Sünden, wir sind Sünder
Diejenigen, die glauben, dass die Bibel Gottes Wort ist, sagen oft: »Alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes« (Römer 3,23). Das ist eine tiefgründige und überaus wichtige Wahrheit. Aber das ist noch nicht alles. N.P. Williams hat es mit den folgenden Worten ausgedrückt: »Ein gewöhnlicher Mensch mag sich schämen, Schlechtes zu tun. Der Heilige aber, mit einer Verfeinerung der moralischen Empfindlichkeit und größerem Vermögen der Selbstbeobachtung ausgestattet, schämt sich, dass er ein solcher Mensch ist, der dazu neigt, Schlechtes zu tun.«[3] Sünde ist nicht nur etwas, was wir tun; es ist eine Macht, die tief in unserer menschlichen Natur verwurzelt ist. Wenn wir uns zu Christus bekehren, bekommen wir den Heiligen Geist, und durch seine Kraft beginnen wir, unsere gefallene, sündige Natur zu überwinden.
Aber von Natur aus sind wir rebellisch, ungehorsam und verhärtet gegenüber Gott. Deshalb ruft der Psalmist aus: »Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht! Denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht« (Psalm 143,2). Der Prophet Jeremia beklagt die folgende Tatsache: »Trügerisch ist das Herz, mehr als alles, und unheilbar ist es. Wer kennt sich mit ihm aus?« (Jeremia 17,9). König David verfolgt diesen Zustand zurück bis zu seiner Geburt: »Siehe, in Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen« (Psalm 51,7). Diese angeborene Verdorbenheit ist so schlimm, dass Paulus sagt: »Ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt« (Römer 7,18).
Was Paulus mit »Fleisch« meint, ist nicht seine Haut, sondern sein natürliches Selbst ohne die Erlösung Christi und ohne das Wirken der Veränderung durch den Heiligen Geist. Ein anderer Ausdruck, den Paulus für das »Fleisch« verwendet, ist der »natürliche Mensch« – d.h. der Mensch, der wir von Natur aus sind, ohne Christus. In 1. Korinther 2,14 sagt er zum Beispiel: »Ein natürlicher Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.« Mit anderen Worten: Der »natürliche Mensch« (oder das »Fleisch«) ist so entgegengesetzt zu der geistlichen Wirklichkeit, dass er die Dinge Gottes nicht verstehen oder annehmen kann. Ein solcher Mensch wird sich nicht an Gott erfreuen. Das natürliche Herz in ihm ist so sehr in seinem Verlangen verdorben, dass es die Schönheit Christi weder sehen noch genießen kann.
Das ist das, was Paulus meint, wenn er in Römer 8,7-8 sagt, dass die Gesinnung des Fleisches »Feindschaft gegen Gott ist, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie kann das auch nicht. Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen.« Beachten Sie dabei den Gedanken, dass etwas nicht getan werden kann. Er kommt zweimal vor. Der natürliche Mensch, der durch das Fleisch charakterisiert ist, aber noch nicht von Christus verändert worden ist, hat eine so feindliche Gesinnung gegen Gottes glorreiche Autorität (was sich im Ungehorsam gegenüber seinen Geboten zeigt), dass er sich weder an Gott noch an Gottes Wegen erfreuen kann. Er kann viele religiöse und moralische Dinge tun, aber sein Herz ist weit entfernt von Gott (Matthäus 15,8), und er kann auch nicht anders, als die Größe und die Autorität Gottes als unerwünscht anzusehen.
Was heißt es, tot zu sein?
Es ist daher keine große Überraschung, wenn Paulus uns in diesem gefallenen, natürlichen, fleischlichen Zustand als »tot« beschreibt. Das ist, was er in Epheser 2,4-5 sagt: »Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, hat um seiner vielen Liebe willen,womit er uns geliebt hat, auch uns, die wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet!« Der größte Grund, warum wir uns nicht am Herrn erfreuen können, ist der, dass wir von Natur aus tot sind. Das heißt, wir haben kein geistliches Empfinden für die Wahrheit und Schönheit des Evangeliums Christi. Wir sind wie Blinde in der Kunstgalerie des Himmels. Unser toter Zustand betrifft nicht den Körper. Es ist noch nicht einmal unser Verstand oder unser Wille, der davon betroffen ist. Es ist ein toter Zustand des geistlichen Vermögens, die Realität so zu sehen, wie sie tatsächlich ist.
Paulus beschreibt diesen toten Zustand im Hinblick auf göttliche Schönheit mit Ausdrücken wie »Nichtigkeit des Sinnes« und »verfinstert am Verstand« und »Unwissenheit, die in uns ist«. Und er verfolgt ihn zurück auf die »Verstockung des Herzens«. Das sieht man in Epheser 4,17-18: »Dies nun sage und bezeuge ich im Herrn, dass ihr nicht mehr wandeln sollt, wie auch die Nationen wandeln, in Nichtigkeit ihres Sinnes; sie sind verfinstert am Verstand, fremd dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verstockung ihres Herzens.« Beachten Sie dabei, dass Verstockung tiefer geht als Unwissenheit. Die Verstockung ist Grund für die Unwissenheit, und nicht andersherum. Deswegen sind wir nicht entschuldigt. Das Problem mit unserer Unwissenheit über die Schönheit Gottes ist nicht unschuldiges Unbewusstsein, sondern strafbare Verstockung. Unsere Verstockung ist unser toter Zustand, und dieser bewirkt, dass wir uns nicht dem Gebot unterwerfen können, den Herrn mit unserem ganzen Herzen zu lieben.
Wegen dieses gefallenen, sündigen, verstockten, rebellischen, zwecklosen, toten Zustands unseres Herzens ist Freude an Gott unmöglich. Und zwar nicht in einer Art und Weise unmöglich, dass wir dadurch weniger schuldig wären – nein, wir werden noch mehr schuldig. Als der reiche Jüngling von Jesus wegging, weil er sich mehr an seinem Reichtum erfreute als an der Nachfolge Christi, sagte Jesus: »Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt« (Matthäus 19,24). Die Jünger waren durch diese Aussage sehr erstaunt. Sie wussten, dass es für ein Kamel unmöglich war, durch ein Nadelöhr zu gehen. Das ist wahr. Und Menschen können sich selbst nicht dazu bringen, mehr Freude an Christus als an Geld zu haben. Deshalb antwortete Jesus: »Bei Menschen ist dies unmöglich, bei Gott aber sind alle Dinge möglich« (V. 26).
Zu Jesus zu kommen, um Freude zu haben, ist eine Gabe Gottes
Auf diese Weise sagt Jesus, dass Freude an Gott eine Gabe ist. Jesus lieber zu haben als Geld, ist eine Gabe Gottes. Wir können dieses Verlangen nicht von selbst hervorbringen. Es muss uns gegeben werden. Auch wenn Jesus uns präsentiert wird als die wünschenswerteste Person, als Herr, Retter und Freund im Universum, werden wir nicht aus uns selbst heraus zu ihm kommen. Jesus sagte: »Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht. … Niemand [kann] zu mir kommen …, es sei ihm denn von dem Vater gegeben« (Johannes 6,44.65). Zu Jesus als dem Schatz und der Freude unseres Lebens zu kommen, ist entweder »von dem Vater gegeben«, oder es kommt überhaupt nicht zustande. Wir sind selbst zu verstockt und rebellisch, um überhaupt Jesus als attraktiv sehen zu können, geschweige denn alles zu verlassen und zu ihm als unsere vollkommen befriedigende Freude zu kommen.
Jesus sagte dies auf eine andere Weise. »Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von neuem geboren werden« (Johannes 3,6-7). Bis wir aus dem Geist von neuem geboren werden, sind wir nur »Fleisch« – natürliche Menschen ohne geistliches Leben, ohne lebendige Geschmacksknospen in der Seele für die Süße Christi. Wie werden wir dann lebendig gemacht? Die nächsten Worte Jesu sind: »Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist« (V. 8). Der springende Punkt ist, dass der Geist frei ist. Er weht, wo er will. Wir können ihn nicht kontrollieren. Er kontrolliert uns. Sein Leben spendendes Werk ist eine reine Gabe. Wenn wir Jesus als unseren Schatz ansehen, dann hat der Geist durch unser Herz geweht. Unsere Freude an Jesus ist eine Gabe.
Ist Buße auch eine Gabe?
Jemand mag jetzt sagen: »Das hört sich nach Buße an. Aber ist Buße nicht etwas, was wir tun? Soll das heißen, dass Buße auch eine Gabe ist?« Das ist eine gute Frage. Die Veränderung, die wir beschrieben haben, ist in der Tat Buße. Buße bezieht sich auf die Erfahrung eines veränderten Sinnes. Früher war der Sinn feindlich gegen Gott, jetzt aber ist der Sinn in Gott verliebt. Früher sahen wir die Kreuzigung Jesu als eine Torheit an, jetzt aber sehen wir sie als eine Kostbarkeit an. Sie ist Gottes Weisheit und Kraft (1. Korinther 1,23-24). Früher hat der Sinn auf menschliche Fähigkeit vertraut, um Glück und Sicherheit zu erlangen, aber jetzt verzweifelt der Sinn an sich selbst und schaut auf Christus als Quelle der Hoffnung und der Freude. Christus – und alles, was Gott für uns in ihm ist – ist unser Glück und unsere Sicherheit geworden.
Ja, das ist Buße. Und ja: Buße ist eine Gabe. Wir machen uns nicht selbst zu Menschen, die Christus verehren. Wir bieten nicht genug menschliche Weisheit oder Stärke oder Willenskraft auf, um uns selbst aus der Gefangenschaft des Betrugs Satans zu befreien. Nein, all das ist eine kostbare Gabe Gottes. Gewiss: Er benutzt menschliche Mittel, um dies zu bewirken. Sonst würde ich dieses Buch nicht schreiben. Aber letzten Endes bringt kein menschliches Mittel das Wunder der Buße zustande. Man kann sowohl das Mittel als auch das Wunder in 2. Timotheus 2,24-26 sehen: »Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern gegen alle milde sein, lehrfähig, duldsam, und die Widersacher in Sanftmut zurechtweisen und hoffen, [Das ist das Mittel. Jetzt kommt das Wunder:] ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit und sie wieder aus dem Fallstrick des Teufels heraus nüchtern werden, nachdem sie von ihm gefangen worden sind für seinen Willen.« Wir lehren und wir lieben, aber Gott gibt die Buße.
Ich bete, dass Gott dieses Buch als eines seiner vielen Mittel benutzen möge, um »Buße zu geben«. Letzten Endes aber wird es Gott sein, und nicht dieses Buch oder irgendein anderes Buch, der einen Menschen von der Gefangenschaft des Betrugs Satans befreit und seine Augen für den höheren Wert Christi öffnet. Dann, wenn Gott Buße gibt, wird der Mensch Christus mehr als alle Kostbarkeiten schätzen und ihn mehr als jedes Vergnügen genießen. Das ist eine Gabe. Ich bete für jeden Leser, der es braucht: Herr, gib ihnen Buße.
Das zentrale Rätsel des christlichen Lebens
Aber zuvor wurde die Frage gestellt: »Ist Buße nicht etwas, was wir tun? Wie können wir es denn tun, wenn es eine Gabe Gottes ist?« Ja, Buße ist etwas, was wir tun. Nachdem Petrus an Pfingsten eine verurteilende Botschaft gepredigt hatte, rief die Menge aus: »Was sollen wir tun, ihr Brüder?« Petrus antwortete darauf: »Tut Buße« (Apostelgeschichte 2,37-38). Er sagte noch mehr. Aber das ist hier der strittige Punkt. Buße ist ein Gebot, für das wir verantwortlich gehalten werden, ihm zu gehorchen.
Jetzt sind wir am zentralen Rätsel des christlichen Lebens angelangt. Christus ist für unsere Sünden gestorben und vom Tod auferstanden. Durch sein Blut und seine Gerechtigkeit erfahren wir Vergebung und werden durch Christus von Gott als gerecht angesehen (2. Korinther 5,21; Philipper 3,9; Römer 5,19). Darum ist Christus zu dem Ja zu allen Verheißungen Gottes geworden (2. Korinther 1,20). Alles, was durch die Propheten für den neuen Bund verheißen wurde, wurde für uns unfehlbar durch Christus erkauft. Einige der Verheißungen des neuen Bundes sind die folgenden: »Der HERR, dein Gott, wird dein Herz beschneiden, damit du den HERRN, deinen Gott, liebst mit deinem ganzen Herzen« (5. Mose 30,6). »Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen … auf ihr Herz« (Jeremia 31,33). »Ich werde das steinerne Herz aus ihrem Fleisch entfernen und ihnen ein fleischernes Herz geben« (Hesekiel 11,19). »Ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde machen, dass ihr in meinen Ordnungen lebt« (Hesekiel 36,27).
All diese Verheißungen des neuen Bundes wurden für uns durch Christus erfüllt, der beim letzten Abendmahl sagte: »Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut« (Lukas 22,20). Das Blut Christi hat für uns alle Verheißungen des neuen Bundes erlangt. Aber sehen Sie sich diese Verheißungen noch einmal an. Was diese Verheißungen von denen des alten Bundes unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie Verheißungen für die Befähigung sind. Sie sind Verheißungen dafür, dass Gott das für uns tun wird, was wir nicht für uns selbst tun können. Wir brauchen ein neues Herz, um uns an Gott zu erfreuen. Wir brauchen den Geist Gottes, dessen Frucht Freude an Gott ist. Wir müssen das Gesetz auf unseren Herzen geschrieben haben, nicht nur auf Steintafeln, damit, wenn es sagt: »Liebe den Herrn mit deinem ganzen Herzen«, das Wort selbst die Realität in uns schafft. Wenn wir auf uns allein gestellt wären, würden wir es nicht schaffen. Das ist, was Christus für uns erkauft hat, als er starb und das Blut des neuen Bundes vergoss. Er erkaufte für uns die Gabe der Freude an Gott.
Die andere Hälfte des Rätsels
Das ist die Hälfte des Rätsels des christlichen Lebens – die Hälfte, die am entscheidendsten ist. Die andere Hälfte ist die Tatsache, dass uns geboten wird, das zu tun, was wir nicht tun können. Und wir müssen es tun, sonst kommen wir um. Unsere Unfähigkeit beseitigt nicht unsere Schuld – sie macht die Schuld noch größer. Wir sind so schlecht, dass wir Gott nicht lieben können. Wir können uns nicht an Gott mehr als an allem anderen erfreuen. Wir können Christus nicht mehr als Geld schätzen. Doch trotz unserer fest verwurzelten Bosheit ist es alles andere als falsch, wenn Gott uns gebietet, gut zu sein. Wir sollten uns an Gott mehr als an allem anderen erfreuen. Daher ist es richtig, wenn Gott uns gebietet, uns an Gott mehr als an allem anderen zu erfreuen. Und wenn wir uns jemals an Gott erfreuen, dann ist es, weil wir diesem Gebot gehorcht haben.
Das ist das Rätsel: Wir müssen dem Gebot gehorchen, uns am Herrn zu erfreuen, aber wir können es nicht – wegen unserer eigensinnigen und schuldigen Verdorbenheit. Daher ist der Gehorsam, wenn er passiert, eine Gabe. Im 4. Jahrhundert hat der Ketzer Pelagius diese Wahrheit abgelehnt und war schockiert und verärgert, als er sah, wie Augustinus in seinen Bekenntnissen betete. Das Gebet von Augustinus war: »Stärke mich, damit ich kann; gib, was du forderst, und fordere, was du willst. … Somit ist klar, du mein heiliger Gott, dass wenn man tut, was du zu tun befiehlst, es deine Gabe ist.«[4]
Das christliche Leben ist völlig aus Gnade
Das ist ein biblisches Gebet, und wir werden viele solcher Gebete in den folgenden Kapiteln sehen (z.B. Psalm 51,14; 90,14; Römer 15,13). Es entspricht dem Rätsel des christlichen Lebens. Wir müssen uns an Gott erfreuen. Und nur Gott kann unsere Herzen verändern, damit wir uns an Gott erfreuen können. Wir müssen völlig auf Gott zurückgreifen. Das christliche Leben ist völlig aus Gnade. »Aus ihm und durch ihn und zu ihm hin sind alle Dinge! Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit!« (Römer 11,36).
Im nächsten Kapitel werde ich von der Art des Wollens und des Vollbringens sprechen, die den Gehorsam gegenüber dem Gebot der Freude betrifft, wenn diese Freude selbst eine Gabe ist. Wir handeln. Wie und warum wir handeln, ist die Frage, die wir im nächsten Kapitel aufgreifen werden. Aber ich habe versprochen, dass wir uns zuerst fragen würden, warum die Wahrheit in diesem Kapitel von entscheidender Bedeutung ist.
Warum ist es von entscheidender Bedeutung, dies zu glauben?
Der erste Grund ist, dass Wahrheit von entscheidender Bedeutung ist, und wir sollten Wahrheit glauben und annehmen, ganz egal ob wir sehen können, dass sie für uns vorteilhaft ist, oder nicht. Das ist das, was die Bibel über uns und über Freude an Gott sagt. Wir können diese Freude nicht selbst hervorbringen; Gott muss sie uns geben. Das ist wahr, und wir sollten die Wahrheit glauben und lieben.
Zweitens: Wenn wir diese Wahrheit glauben, wird unsere Freude an Gott vervielfältigt, weil sie mit Dankbarkeit verbunden ist. In all unserer Freude sind wir Gott, dem Geber, dafür dankbar, dass wir uns an Gott erfreuen.
Drittens: Wenn wir diese Wahrheit glauben, werden wir mit größerer Dringlichkeit unsere Freude in Gott suchen, als zu der Zeit, als wir dachten, dass sie in unserer eigenen Kraft läge. Diese Wahrheit führt uns dazu, dass wir beten wie nie zuvor.
Viertens: Das Glauben dieser Wahrheit wird unsere Strategie im Kampf um Freude davor bewahren, in Techniken und Gesetzlichkeit zu verfallen. Techniken können nicht übergeordnet sein, weil Gott souverän ist. Es gibt Dinge, die wir im Kampf um Freude tun müssen. Aber wenn Freude eine Gabe ist, dann kann sie niemals verdient werden. Also ist eine Gesetzlichkeit, die versucht, etwas von Gott zu verdienen, ausgeschlossen. Nicht nur das: Wenn wir wissen, dass Freude letzten Endes eine Gabe ist – und nicht bloß eine menschliche Leistung –, dann werden wir auch davor bewahrt, Techniken und Willenskraft zu sehr zu erheben. Unsere Strategie muss demütig und abhängig sein, gemäß der Haltung: »Der HERR aber möge tun, was gut ist in seinen Augen« (2. Samuel 10,12). Unsere Strategie, um Freude zu kämpfen, ist nicht mehr als ein Mittel der Gnade Gottes. Und Mittel der Gnade sind immer bescheiden.
Die Bibel illustriert die Bescheidenheit der Mittel auf vielfache Weise. »Das Pferd wird gerüstet für den Tag der Schlacht, aber die Rettung ist Sache des HERRN« (Sprüche 21,31). »Wenn der HERR das Haus nicht baut, arbeiten seine Erbauer vergebens daran. Wenn der HERR die Stadt nicht bewacht, wacht der Wächter vergebens« (Psalm 127,1). »Viele Gedanken sind im Herzen eines Mannes; aber der Ratschluss des HERRN, er kommt zustande« (Sprüche 19,21). Wenn Freude eine Gabe Gottes ist, dann werden wir alle durch ihn bestimmten Mittel gebrauchen, aber wir werden nicht auf die Mittel vertrauen, sondern auf Gott.
Fünftens: Der Glaube, dass Freude an Gott eine Gabe Gottes ist, wird Gott die ganze Ehre geben. Das ist das Ziel des christlichen Lebens – so zu leben, dass Gott als überaus wundervoll angesehen wird. Der Apostel Petrus zeigt uns in 1. Petrus 4,11 ein Prinzip, wie dies zu tun ist. Er sagt: »Wenn jemand dient, so sei es als aus der Kraft, die Gott darreicht, damit in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus.« Die Kraft zu dienen ist eine Gabe. Gott versorgt uns damit. Wenn wir das glauben und uns darauf bewusst stützen, dann zeigen wir, dass Gott der glorreiche Geber der Kraft ist. Der Geber bekommt die Ehre.
Wir könnten es so umschreiben: »Wenn jemand sich an dem Herrn erfreut, so sei es aus der Freude, die Gott darreicht, damit in allem – auch in unserer Freude – Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus.« Deshalb ist der Glau be, dass Freude an Gott eine Gabe Gottes ist, für unsere Berufung, für die Ehre Gottes zu leben, von entscheidender Bedeutung. Dieser Glaube gestaltet all unsere anderen Strategien. Er macht sie demütig. Er macht Glaubenstaten aus ihnen. In allem, was wir auf unserer Suche nach Freude tun, beten wir und vertrauen wir der Gnade Gottes für eine Gabe. Möge diese Wahrheit die verzweifelnde Seele befreien und die stolze Seele demütigen.
- ↑ C.S. Lewis, Überrascht von Freude (Gießen: Brunnen, 2004), S. 28.
- ↑ Matthew Henry, Matthew Henry’s Commentary on the Whole Bible, 6fckLRBände (Old Tappan: Fleming Revell Company, ohne Datum), Bd. 6, S.fckLR744.
- ↑ N.P. Williams, The Ideas of the Fall and of Original Sin (1926), zitiertfckLRaus: Edward T. Oakes, »Original Sin: A Disputation«, First Things 87fckLR(November 1998), S. 24.
- ↑ Aurelius Augustinus, Die Bekenntnisse (Freiburg: Johannes Verlag Einsiedeln,fckLR2004), S. 270-271 (X.31).