Wenn die Freudenicht mehr da ist/Warum ich dieses Buch geschrieben habe

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English: When I Don't Desire God/Why I Wrote This Book

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Von John Piper Über Christian Hedonism
Kapitel 2 des Buches Wenn die Freudenicht mehr da ist

Übersetzung von Desiring God


Ihr habt sowohl mit den Gefangenen gelitten als auch den Raub eurer Güter mit Freuden aufgenommen, da ihr wisst, dass ihr für euch selbst einen besseren und bleibenden Besitz habt.
Hebräer 10,34

... indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.
Hebräer 12,2

Es gibt Zeiten, da auch ich glaube, dass wir gar nicht nach dem Himmel verlangen. Noch häufiger aber frage ich mich, ob wir – im Innersten unseres Herzens – jemals nach etwas anderem verlangt haben. … Es ist die geheime Signatur jeder Seele; das unmittelbare und unstillbare Verlangen; das, wonach wir uns sehnten, noch ehe wir unserer Frau begegnet waren, noch ehe wir unseren Beruf wählten; das, wonach wir noch auf unserem Sterbelager verlangen werden, wenn die Seele nichts mehr weiß von Frau, Freund und Arbeit. … Durch dein ganzes Leben hin war dir eine unerreichbare Entzückung vor Augen, deinem Bewusstsein gerade eben nicht mehr fasslich. Der Tag wird kommen, da du erwachst und siehst: Sie ist dir, weit hinaus über alle Hoffnung, wirklich zuteil geworden.
C.S. Lewis
Über den Schmerz[1]

Inhaltsverzeichnis

Das Opfer der Liebe tragen

Christlicher Hedonismus[2] ist eine befreiende und eine niederschmetternde Lehre. Sie lehrt, dass der Wert Gottes glänzender in der Seele scheint, wenn sie ihre tiefste Zufriedenheit in Gott findet. Sie ist eine befreiende Lehre, weil sie unser angeborenes Verlangen nach Freude gutheißt. Und sie ist niederschmetternd, weil sie offenbart, dass niemand mit der Leidenschaft nach Gott verlangt, die er fordert. Paradoxerweise erfahren viele Menschen beide dieser Wahrheiten. Das ist jedenfalls meine eigene Erfahrung.

Die befreiende und niederschmetternde Entdeckung

Als ich sah, dass Gott dann am meisten in uns verherrlicht ist, wenn wir zutiefst zufrieden sind in ihm, wurde ich von der unbiblischen Sklaverei der Furcht befreit, dass es unrecht sei, der Freude nachzugehen. Was mir einst als eine unvermeidliche, aber mangelhafte Suche nach der Befriedigung meiner Seele erschien, war jetzt nicht nur erlaubt, sondern gefordert. Es ging um die Ehre Gottes. Das war fast zu gut, um wahr zu sein – dass meine Suche nach Freude und meine Pflicht, Gott zu verherrlichen, nicht miteinander im Konflikt standen. Sie waren sogar eins. Der Freude an Gott nachzugehen, war ein Weg, Gott zu ehren, um den man nicht verhandeln konnte. Er war unabdingbar. Das war eine befreiende Entdeckung. Sie hat die Kräfte meines Geistes und meines Herzens dazu befreit, mit ganzer Kraft der Freude der Seele nachzugehen, die Gott für mich in Jesus ist.

Aber gleichzeitig mit der Befreiung kam auch die Niederschmetterung. Ich war dazu befreit, meiner vollsten Freude an Gott nachzugehen, ohne Schuldgefühle zu haben. Mir wurde sogar geboten, dies zu tun. Gleichgültigkeit im Hinblick auf das Streben nach Freude an Gott wäre Gleichgültigkeit im Hinblick auf die Ehre Gottes, und das ist Sünde. Daher hat meine Suche eine Ernsthaftigkeit angenommen, von der ich mir niemals erträumt hätte, dass sie Teil meines Strebens nach Freude sein würde. Und gleich im Anschluss daran kam die Erkenntnis, dass die in mir wohnende Sünde meiner vollen Zufriedenheit in Gott im Wege steht. Sie wendet sich gegen mein Streben nach Gott und verdreht es. Sie wendet sich dagegen, indem sie andere Dinge als mehr wünschenswert als Gott erscheinen lässt. Und sie verdreht es, indem sie mich denken lässt, dass ich der Freude an Gott nachgehe, obwohl ich in Wirklichkeit in seine Gaben verliebt bin.

Ich entdeckte, was bessere Heilige als ich vor mir entdeckten: Die volle Freude an Gott ist mein letztendliches Zuhause, aber ich bin noch weit davon entfernt und auf dem Weg dorthin. Augustinus hat es wie folgt in einem seiner Gebete formuliert:

Ich staunte darüber, dass ich dich schon liebte … aber ich stand nicht fest genug, um meines Gottes zu genießen. Ich wurde nur zu dir, meiner Schönheit, emporgerissen, aber alsbald wieder durch mein Schwergewicht ins Irdische hinabgeschleudert … gleichsam wie den erregenden Duft einer Speise, die zu genießen ich noch nicht fähig war.[3]

Wie das christliche Leben unmöglich wurde

Diese Entdeckung war niederschmetternd für mich. Sie ist es immer noch. Ich wurde geschaffen, um Gott zu kennen und mich an ihm zu erfreuen. Durch die Lehre des christlichen Hedonismus wurde ich befreit, nach dieser Kenntnis und dieser Freude mit meinem ganzen Herzen zu streben. Und dann erkannte ich zu meinem Entsetzen, dass es keine einfache Lehre ist. Christlicher Hedonismus ist keine Herabsetzung der Messlatte. Aus heiterem Himmel sozusagen, erkannte ich, dass die Messlatte höher angesetzt wurde. Überschaubares, durch Pflicht definiertes und an Entscheidungen orientiertes Christentum der Willenskraft erschien jetzt einfach, und das wahre Christentum wurde zu etwas Unmöglichem. Die Emotionen – oder Zuneigungen, wie sie früher auch genannt wurden –, an denen ich mich jetzt befreit erfreuen konnte, erwiesen sich für mich als unerreichbar. Das christliche Leben wurde unmöglich. Es wurde übernatürlich.

Jetzt gab es nur noch eine Hoffnung: die unübertreffliche Gnade Gottes. Gott müsste mein Herz verändern, damit es tut, was es nicht von allein tun kann, nämlich das wollen, was es wollen sollte. Nur Gott kann das moralisch verdorbene Herz dazu bringen, nach Gott zu verlangen. Als die Jünger Jesu sich eines Tages nach der Errettung eines Mannes erkundigt haben, der ein größeres Verlangen nach Geld als nach Gott hatte, sagte Jesus zu ihnen: »Bei Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott; denn bei Gott sind alle Dinge möglich« (Markus 10,27). Es ist möglich, nach dem zu streben, was wir wollen. Es ist einfach. Es ist eine angenehme Art der Freiheit. Aber die einzige Freiheit, die währt, ist das Streben nach dem, was wir wollen, aber nur, wenn wir das wollen, was wir wollen sollten. Und es ist niederschmetternd zu entdecken, dass wir es nicht tun – und dass wir es auch nicht tun können.

Die Frage, die mir am häufigsten gestellt wurde

Daher ist die mir am häufigsten und am dringendsten gestellte Frage der letzten drei Jahrzehnte die folgende: Was kann ich tun? Wie kann ich die Person werden, die ich nach den Worten der Bibel sein soll? Die Frage kommt von einem Brennen im Herzen, das durch die Hoffnung großer Freude entfacht wird. Menschen hören meine biblischen Argumente für christlichen Hedonismus, oder sie lesen mein Buch Sehnsucht nach Gott.[4] Viele sind davon überzeugt. Sie sehen, dass die Wahrheit, die Schönheit und der Wert Gottes am besten aus denjenigen Heiligen strahlt, die so sehr in Gott Zufriedenheit finden, dass sie für die Sache der Liebe leiden können, ohne zu murren. Aber dann sagen sie: »Ich bin nicht so. Mir fehlt diese befreiende Befriedigung in Gott, die Liebe produziert und Risiken eingeht. Ich habe ein größeres Verlangen nach Bequemlichkeit und Sicherheit als nach Gott.« Viele sagen es mit Tränen und Zittern.

Einige sind ehrlich genug, um zu sagen: »Ich weiß nicht, ob ich jemals diese Art des Verlangens geschmeckt habe. Das Christentum wurde mir nie so vorgestellt. Ich habe nie gewusst, dass das Verlangen nach Gott und die Freude an Gott so entscheidend sind. Mir wurde immer gesagt, dass die Gefühle nicht entscheidend sind. Jetzt finde ich überall in der Bibel Anzeichen dafür, dass das Streben nach Freude an Gott und das Erwecken aller Arten von geistlichen Emotionen Teil dessen sind, was das wiedergeborene christliche Herz ausmacht. Diese Entdeckung begeistert mich und erschreckt mich. Ich möchte es. Aber ich fürchte, dass ich es nicht habe. Soweit ich weiß, liegt es nicht einmal in meiner Macht, es zu erlangen. Wie bekommt man ein Verlangen, das man nicht hat und das man nicht erschaffen kann? Oder wie macht man einen Funken zu einer Flamme, um sicher zu sein, dass es ein wirkliches Feuer ist?« 

Bekehrung ist die Erschaffung eines neuen Verlangens

Um diese Frage zu beantworten, habe ich dieses Buch geschrieben. Ich sehne mich danach, Gläubigen und Ungläubigen zu helfen, die einige der radikalen Veränderungen des Herzens sehen, die in der Bibel in Bezug auf das christliche Leben gefordert werden – insbesondere die Tatsache, dass wir nach Gott mehr als nach allem anderen verlangen sollen. Ich habe kein Interesse am oberflächlichen, äußerlichen Verändern des Verhaltens, was die Pharisäer so gut konnten. »Ihr Pharisäer, ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schüssel, euer Inneres aber ist voller Raub und Bosheit« (Lukas 11,39). Solche äußerlichen Veränderungen sind ohne göttliche Gnade möglich.

Ich möchte denjenigen helfen, die beginnen zu erkennen, dass die Errettung ein Erwecken eines neuen Geschmacks nach Gott ist. »Schmecket und sehet, dass der HERR gütig ist!« (Psalm 34,9). Und ich möchte denjenigen helfen, die beginnen zu erkennen, dass die Bekehrung die Erschaffung eines neuen Verlangens ist, nicht nur von neuen Verpflichtungen; von neuen Freuden, nicht nur von neuen Taten; von neuen Kostbarkeiten, nicht nur von neuen Aufgaben.

Überall erkennen Menschen diese Wahrheiten in der Bibel. Sie entdecken, dass der christliche Hedonismus überhaupt nichts Neues ist, sondern dass er die einfache, traditionelle, historische, biblische, radikale christliche Lebensart ist. Diese Lebensart ist so alt wie die Psalmisten, die zu Gott sagten: »Lass mir wiederkehren die Freude deines Heils« (Psalm 51,14), und: »Sättige uns am Morgen mit deiner Gnade« (Psalm 90,14).

Sie ist so alt wie Jesus, der seinen Nachfolgern dieses praktisch unmöglich zu haltende Gebot für den Tag ihrer Verfolgung gab: »Freut euch an jenem Tage und springt vor Freude; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel« (Lukas 6,23; Luther 1984).

Sie ist so alt wie die frühe Gemeinde, von der geschrieben wird: »Ihr habt ... den Raub eurer Güter mit Freuden aufgenommen, da ihr wisst, dass ihr für euch selbst einen besseren und bleibenden Besitz habt« (Hebräer 10,34).

Sie ist so alt wie Augustinus, der die Bekehrung als den Triumph unübertrefflicher Freude beschrieb:

Wie köstlich kam es mir plötzlich vor, all der süßen Nichtigkeiten ledig zu sein. Was fahren zu lassen ich gefürchtet hatte … du warst es, der es aus mir hinauswarf, du, die wahre und höchste Köstlichkeit. An die Stelle des Vertriebenen tratest du ein, du, köstlicher als alle Lust, aber nicht für Fleisch und Blut; du, strahlender als alles Licht, doch innerlicher als jedes Geheimnis; du, erhabener als jede Ehrung, nicht aber für die in sich selbst Erhabenen. … Ich redete stammelnd mit dir, meinem Ruhm, meinem Reichtum, meinem Heil … meinem Herrn und Gott.[5]

Sie ist so alt wie Johannes Calvin, der große Reformator aus Genf, der 1559 in seinem Werk Unterricht in der christlichen Religion sagte, dass das Streben nach Zufriedenheit in der Einheit mit Gott »die oberste Tätigkeit der Seele« ist.

Wenn menschliche Freude, dessen Vollkommenheit in der Einheit mit Gott ist, vor dem Menschen versteckt wäre, dann wäre er tatsächlich von dem hauptsächlichen Nutzen seines Verstandes beraubt. Deshalb ist es die oberste Tätigkeit der Seele, danach zu streben. Daraus folgt: Je mehr sich jemand bemüht, sich Gott zu nähern, desto mehr erweist er sich als mit Verstand ausgestattet.[6]

Sie ist so alt wie die Puritaner, Thomas Watson zum Beispiel, der 1692 schrieb, dass Gott sich mehr geehrt fühlt, wenn wir mehr Zufriedenheit in seiner Errettung empfinden:

Wäre es nicht eine Ermutigung für einen Untertan, wenn sein Prinz zu ihm sagen würde: »Du wirst mich sehr ehren und mir Freude bringen, wenn du zu jener Goldmine gehst und so viel Gold für dich selbst ausgräbst, wie du wegtragen kannst?« Genauso auch bei Gott, wenn er sagt: »Gehe zu den Verordnungen, hole dir so viel Gnade, wie du bekommen kannst, grabe so viel Errettung aus, wie du kannst, und je mehr Freude du hast, desto mehr werde ich mich geehrt fühlen.«[7]

Sie ist so alt wie Jonathan Edwards, der 1729 mit seinem ganzen intellektuellen Vermögen argumentierte: »Menschen müssen und sollten keine Grenzen für ihren geistlichen Hunger nach Gnade setzen.« Stattdessen sollten sie …

… sich auf jede mögliche Weise bemühen, ihr Verlangen zu entflammen und weitere geistliche Freuden zu erlangen. … Unser Hunger und Durst nach Gott und Jesus Christus und nach Heiligkeit kann nicht zu groß sein, wenn mit ihrem Wert verglichen, denn sie sind von unendlichem Wert. … Bemühen Sie sich, den geistlichen Hunger zu fördern, indem Sie sich dazu verlocken lassen. …[8] Es gibt kein »Zuviel«, wenn wir von dieser geistlichen Nahrung nehmen. Es gibt keine Tugend der Mäßigkeit im Hinblick auf ein geistliches Festessen.[9]

Sie ist so alt wie der Princeton-Theologe Charles Hodge, der im 19. Jahrhundert argumentierte, dass die wahre Kenntnis Christi beinhalte (und nicht nur dazu führe), dass man sich an Christus erfreut. Diese Kenntnis »ist nicht nur das intellektuelle Verständnis dessen, was er ist, … sondern umfasst auch, nicht nur als ihre Konsequenz, sondern als eines ihrer Bestandteile, die entsprechenden Gefühle der Anbetung, der Freude, des Verlangens und der Zufriedenheit«.[10]

Sie ist so alt wie Geerhardus Vos, der reformierte Gelehrte des Neuen Testaments, der Anfang des 20. Jahrhunderts einräumte, dass es in den Schriften des Apostels Paulus »eine geistliche Art des Hedonismus« gab.

Natürlich ist es nicht beabsichtigt zu bestreiten, dass Paulus diese umgestaltete geistliche Art des »Hedonismus« hatte, wenn man es so nennen möchte, der sich von der gewissen Einstellung zum Leben unterscheidet, die in der späteren griechischen Philosophie diesen Namen trug. Nichts, noch nicht einmal eine äußerst verfeinerte christliche Erfahrung und Kultivierung der Religion, ist ohne ihn möglich. … Augustinus spricht davon in seinen Bekenntnissen mit diesen Worten: »Gibt es doch eine Freude,die Gottlosen nicht gewährt wird, sondern nur denen, die dir umsonst dienen, deren Freude du selber bist. Und seliges Leben ist dies: sich freuen zu dir hin, an dir, um deinetwillen« (Bekenntnisse X, 32).[11]

Sie ist so alt wie C.S. Lewis, der einen großen Einfluss darauf hatte, wie die Natur für mich zu einem Erlebnis der Anbetung geworden ist.[12]

Freuden [sind] Ausstrahlungen der Herrlichkeit. … Doch gibt es nicht arge und unrechtmäßige Freuden? Gewiss gibt es sie. Aber wenn wir von »argen Freuden« reden, dann bedienen wir uns doch wohl einer Art Kurzschrift. Wir meinen Freuden, die wir uns durch unrechtmäßiges Handeln verschafft haben. Schlecht ist das Stehlen des Apfels, nicht dessen Süße. Das Süße bleibt weiterhin ein Strahl der Herrlichkeit. … Seit jenem Augenblick habe ich versucht, aus jeder Freude einen Kanal der Anbetung zu machen. Ich meine, nicht allein dadurch, dass ich dafür danke. Selbstverständlich muss man danken; aber ich meine etwas anderes. … Dankbarkeit ruft – sehr zu Recht – aus: »Wie gütig von Gott, mir das zu schenken!« Anbetung spricht: »Wie muss dieses Wesen beschaffen sein, dessen fernes und flüchtiges Aufleuchten solches hervorbringt! « Unser Geist eilt dem Sonnenstrahl entlang der Sonne zu. … Wenn das Hedonismus ist, so doch auch eine ziemlich mühselige Zucht. Aber es lohnt sich die Mühe.[13]

Lewis hatte einen solchen Einfluss auf mein Verständnis von Freude und Verlangen und Pflicht und Anbetung, dass ich ein weiteres Zitat von ihm hinzufügen möchte. Natürlich war er nicht ohne Fehler, aber wenige Menschen im 20. Jahrhundert hatten Augen, die das sahen, was er gesehen hat. Zum Beispiel sahen wenige, wie er es tat, den angemessenen Platz von Pflicht und Freude:

Vorausgesetzt, dass die Sache an sich recht ist: Je mehr man sie gern hat, und je weniger man »versuchen muss, gut zu sein«, desto besser. Ein perfekter Mensch würde niemals aus einem Gefühl der Pflicht heraus handeln; er würde immer die rechte Sache mehr als die unrechte wollen. Pflicht ist nichts mehr als ein Ersatz für die Liebe (zu Gott und zu anderen Menschen), wie eine Krücke, die ein Ersatz für ein Bein ist. Die meisten von uns benötigen manchmal eine Krücke; aber natürlich ist es blödsinnig, eine Krücke zu benutzen, wenn unsere eigenen Beine (unsere Vorlieben, Geschmäcker, Angewohnheiten usw.) die Reise selbst erledigen können![14]

Ich zitiere all diese Zeugen, um zu zeigen, dass viele Menschen aus gutem Grund davon überzeugt werden, dass christlicher Hedonismus die einfache, traditionelle, historische, biblische, radikale christliche Lebensart ist, nicht irgendeine neue geistliche Methode. Sie entdecken, dass Gott dann am meisten in uns verherrlicht ist, wenn wir zutiefst zufrieden sind in ihm.Das bedeutet, dass sie erkennen, dass ihr Verlangen (und nicht nur ihre Entscheidungen) von wirklicher Bedeutung ist. Es geht um die Ehre Gottes. Und viele wollen un ter Tränen wissen: »Was soll ich machen, wenn ich kein Verlangen nach Gott habe?« So Gott will, möchte ich helfen.

Der Weg zur Freude ist nicht einfach

Ich nehme diese Aufgabe ernst. Unsere Reise in diesem Buch führt nicht über einfach zu bereisendes Gelände. Es gibt Gefahren auf allen Seiten. Geistliches Verlangen und geistliche Freude sind keine Gebrauchsgegenstände, die gekauft werden können. Sie sind keine Objekte, die angefasst werden können. Sie sind Ereignisse in der Seele. Sie sind Erfahrungen des Herzens. Sie haben Verbindungen und Ursachen, die in hundert Richtungen zu finden sind. Sie sind mit dem Körper und dem Gehirn verflochten, aber nicht auf das Physische oder das Geistige begrenzt. Gott selbst, ohne Körper oder Gehirn, erlebt eine komplette Reihe von geistlichen Zuneigungen: Liebe, Hass, Freude, Zorn, Hingabe usw. Aber unsere Zuneigungen werden durch unseren Körper und unser Gehirn beeinflusst. Niemand außer Gott kann diesen Sachen auf den Grund kommen. »Das Innere eines jeden und sein Herz ist unergründlich« (Psalm 64,7), und nicht nur unergründlich, sondern moralisch verdorben: »Trügerisch ist das Herz, mehr als alles, und unheilbar ist es. Wer kennt sich mit ihm aus?« (Jeremia 17,9).

Daher ist es nicht einfach, die Frage zu beantworten: »Was soll ich machen, wenn ich kein Verlangen nach Gott habe?« Aber es ist eine entscheidende Frage. Der Apostel Paulus sagte: »Wenn jemand den Herrn nicht lieb hat, der sei verflucht!« (1. Korinther 16,22). Liebe ist nicht einfach eine Entscheidung, den Körper oder das Gehirn zu gebrauchen. Liebe ist auch eine Erfahrung des Herzens. Es geht also um sehr viel. Christus muss in Ehren gehalten werden, nicht nur ausgewählt werden. Die Alternative ist, verflucht zu sein. Deshalb ist das Leben ernst. Und dieses Buch ist es ebenso.

Es ist nicht das Ziel, Kissen weicher zu machen, sondern Opfer zu tragen

In diesem Buch möchte ich am meisten dem Missverständnis aus dem Wege gehen, dass ich schreiben würde, damit wohlhabende westliche Christen es bequem haben, als ob die Freude, an die ich denke, das psychologische »Tüpfelchen auf dem i« eines schon oberflächlichen Christentums sei. Daher sage ich gleich zu Beginn deutlich, dass ich schreibe, um eine Freude zu erwecken, die die tragende Kraft der Barmherzigkeit, der Mission und des Märtyrertods ist.

Sogar jetzt beim Schreiben dieses Satzes werden Christen in der Nähe von Kano, Nigeria, zu Tode gehackt. Gestern wurde ein 26-jähriger amerikanischer Geschäftsmann im Irak von Terroristen enthauptet. Warum gerade er? Er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Diese Art des Todes wird besonders für Christen zunehmen. Im Sudan wird den Christen systematisch das Wasser vorenthalten, während sie an Verdurstung und Unterernährung sterben, und verzweifelte Versuche, an die Brunnen zu gelangen, enden mit Mord, Vergewaltigung oder Entführung. Jeden Monat kommen neue Berichte über die Zerstörung christlicher Gemeinden und die Verhaftung von Pastoren in China. Im letzten Jahrzehnt wurden mehr als 500 christliche Gemeinden in Indonesien zerstört. Auf der ganzen Welt sind Missionare bedroht.

Wenn ich über die Frage spreche: »Was soll ich machen, wenn ich kein Verlangen nach Gott habe?«, dann spreche ich über die Frage: »Wie kann ich eine Freude in Christus erlangen oder wiederbekommen, die so tief und so stark ist, dass sie mich von der Sklaverei westlicher Bequemlichkeit und Sicherheit befreit, und die mich zu den Opfern der Barmherzigkeit und der Mission antreiben wird und mich im Angesicht eines Märtyrertods tragen wird?« Verfolgung ist für Christen normal. »Alle aber auch, die gottesfürchtig leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden« (2. Timotheus 3,12). »Geliebte, lasst euch durch das Feuer der Verfolgung unter euch, das euch zur Prüfung geschieht, nicht befremden, als begegne euch etwas Fremdes« (1. Petrus 4,12). »Wir [müssen] durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes hineingehen« (Apostelgeschichte 14,22).

Im Neuen Testament verkleinert diese ernüchternde Wahrheit nicht das Zentrum der Freude – sie vergrößert es. »Wir rühmen uns auch der Trübsale, da wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt« (Römer 5,3). »Glückselig seid ihr, wenn sie euch … verfolgen. … Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln« (Matthäus 5,11-12). »Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geratet, indem ihr erkennt, dass die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt« (Jakobus 1,2-3). »Sie nun gingen aus dem Hohen Rat fort, voller Freude, dass sie gewürdigt worden waren, für den Namen Schmach zu leiden« (Apostelgeschichte 5,41).

Der Kampf um Freude in Christus ist kein Kampf, um die Kissen westlicher Bequemlichkeit weicher zu machen. Es ist ein Kampf um Stärke, damit man ein Leben der aufopfernden Liebe führen kann. Es ist ein Kampf, um Jesus auf dem Weg des Kreuzes zu begleiten und mit ihm dort zu bleiben, ganz egal was passiert. Wie wurde er auf diesem Weg getragen? Hebräer 12,2 antwortet: »… der um der vor ihm liegenden Freude willen … das Kreuz erduldete«. Der Schlüssel zur Ausdauer in der Angelegenheit der aufopfernden Liebe ist nicht heldenhafte Willenskraft, sondern tiefe, unerschütterliche Zuversicht, dass die Freude, die wir in der Gemeinschaft Christi geschmeckt haben, uns im Tod nicht enttäuschen wird. Opfer der Liebe wurden im Neuen Testament nicht durch Willenskraft getragen, sondern durch freudige Hoffnung. »Ihr habt sowohl mit den Gefangenen gelitten als auch den Raub eurer Güter mit Freuden aufgenommen, da ihr wisst, dass ihr für euch selbst einen besseren und bleibenden Besitz habt« (Hebräer 10,34).

Es ist nicht die Absicht dieses Buches, das Gewissen der durch westliche Errungenschaften Wohlhabenden zu beruhigen. Es verfolgt das Ziel, die Fähigkeit der Liebe, opfernde Verluste von Eigentum und Sicherheit und Leben zu ertragen, durch die Kraft der Freude auf dem Weg der Liebe aufrechtzuerhalten. Es verfolgt das Ziel, dass Jesus Christus auf der ganzen Welt bekannt wird als der allmächtige und vollkommen weise, vollkommen gerechte, vollkommen barmherzige und vollkommen befriedigende Schatz des Universums.

Das wird passieren, wenn Christen nicht nur sagen, dass Christus wertvoll ist, oder singen, dass Christus wertvoll ist, sondern wahrhaftig in ihren Herzen den unübertrefflichen Wert Jesu mit so viel Freude erfahren, dass sie sagen können: »Ich halte auch alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen« (Philipper 3,8). Christus wird in der Welt verherrlicht, wenn Christen so sehr in ihm Zufriedenheit finden, dass sie Eigentum und Verwandtschaft verlassen und ihr Leben für andere hingeben in Barmherzigkeit, Mission und – wenn nötig – Märtyrertod. Er wird dann am meisten unter den Völkern groß gemacht, wenn Christen, die alles auf Erden verloren haben, sagen: »Das Leben ist für mich Christus und das Sterben Gewinn « (Philipper 1,21).

»Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, und seine Schmach tragen! Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir« (Hebräer 13,13-14). Dies werden wir tun, um der vor uns liegenden Freude willen. Und diese Freude wird uns halten und bewahren, wenn wir sie geschmeckt haben und gekämpft haben, um sie zur höchsten Erfahrung unseres Lebens zu machen. Christus ist unvergleichlich herrlich und unvergleichlich wertvoll. Deshalb ist er den Kampf wert.


  1. C.S. Lewis, Über den Schmerz (Gießen: Brunnen, 2005), S. 148-151.
  2. Anmerkung des Verlags: Unter Hedonismus wird allgemein eine philosophischefckLRStrömung verstanden, die die Lust als höchstes Gut und BedingungfckLRfür Glück und gutes Leben setzt.
  3. Aurelius Augustinus, Die Bekenntnisse (Freiburg: Johannes Verlag Einsiedeln,fckLR2004), S. 176-177 (VII.17).
  4. John Piper, Sehnsucht nach Gott – Leben als »christlicher Genießer« (Friedberg: 3L, 2005).
  5. Augustinus, Die Bekenntnisse, S. 210-211 (IX.1), Hervorhebung hinzugefügt.
  6. Johannes Calvin, The Institutes of the Christian Religion, Hrsg. John T.fckLRMcNeill (Philadelphia: Westminster Press, 1960), S. 192-193 (I.15.6).
  7. Thomas Watson, Body of Divinity (1692; Nachdruck: Grand Rapids: Baker,fckLR1979), S. 10.
  8. Zitiert aus einer unveröffentlichten Predigt, »Sacrament Sermon on Canticles 5:1« (ca. 1729), herausgegebene Version von Kenneth Minkema in Zusammenarbeit mit The Works of Jonathan Edwards, Yale University.
  9. Jonathan Edwards, »The Spiritual Blessings of the Gospel Represented by a Feast«, in: The Works of Jonathan Edwards, Bd. 17, Sermons and Discourses, 1723-1729, Hrsg. Kenneth P. Minkema (New Haven: Yale University Press, 1996), S. 286.
  10. Charles Hodge, »The Excellency of the Knowledge of Christ Jesus Our Lord«, in: Princeton Sermons: Outlines of Discourses, Doctrinal and Practical (London: Thomas Nelson and Sons, Paternoster Row, 1870), S. 214.
  11. Geerhardus Vos, The Pauline Eschatology (1930; Nachdruck: Grand Rapids: Eerdmans, 1966), S. 71, Hervorhebung hinzugefügt.
  12. Mehr zu diesem Thema in Kapitel 11.
  13. C.S. Lewis, Du fragst mich, wie ich bete (Freiburg: Johannes Verlag Einsiedeln, 1996), S. 97-99.
  14. Dies ist ein Auszug aus einem Brief an »Joan«, ein Kind, das ihm am 18. Juli 1957 schrieb, in: C.S. Lewis: Letters to Children, Hrsg. Lyle W. Dorsett und Marjorie Lamp Mead (New York: Simon & Schuster, 1995), S. 276.