Wenn die Freudenicht mehr da ist/Was ist der Unterschied zwischen Verlangen und Freude?

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English: When I Don't Desire God/What Is the Difference Between Desire and Delight?

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Von John Piper Über Christian Hedonism
Kapitel 3 des Buches Wenn die Freudenicht mehr da ist

Übersetzung von Desiring God


Gott, mein Gott bist du;
nach dir suche ich.
Es dürstet nach dir meine Seele,
nach dir schmachtet mein Fleisch
in einem dürren und erschöpften Land
ohne Wasser.

Psalm 63,2

So werde ich kommen zum Altar Gottes,
zum Gott meiner Jubelfreude.'
Psalm 43,4

Gerade wenn ich am glücklichsten war, war das Verlangen am stärksten. … Das Süßeste in meinem ganzen Leben war das Verlangen … den Ort zu finden, von dem all die Schönheit ausging.
C.S. Lewis
Bis wir wirklich werden[1]

Vor dem Wesen der Freude [wird] selbst unsere landläufige Unterscheidung von Haben und Wollen unsinnig … Hier ist Haben gleich Wollen und Wollen gleich Haben. So war also dieser Moment, in dem ich mich danach sehnte, den Stich [der Freude] wieder zu verspüren, selbst ein solcher Stich.
C.S. Lewis
Überrascht von Freude[2]

Inhaltsverzeichnis

Warum beides, aber auch keines von beiden das Ziel ist

In diesem Buch werde ich viele Wörter für Freude benutzen, ohne sie direkt zu unterscheiden: Glück, Freude, Vergnügen, Zufriedenheit, Verlangen, Sehnsucht, Durst, Leidenschaft usw. Es ist mir dabei bewusst, dass all diese Wörter verschiedene Assoziationen bei verschiedenen Lesern wecken. Manche Menschen sehen Glück als oberflächlich an – und Freude als tiefgründig. Einige sehen Vergnügen als physisch an – und Freude als ästhetisch. Einige sehen Leidenschaft als sexuell an – und Sehnsucht als persönlich. Daher möchte ich gleich zu Beginn sagen, dass die Bibel ihre emotionale Sprache nicht auf diese Weise einteilt. Dieselben Wörter (Verlangen, Vergnügen, Glück, Freude usw.) können manchmal positiv und manchmal negativ sein, manchmal physisch und manchmal geistlich. Das ist auch meine Vorgehensweise. Jedes dieser Wörter kann eine gottesfürchtige Erfahrung des Herzens sein, aber ebenso eine weltliche Erfahrung des Herzens. Ich werde versuchen, deutlich zu machen, wie diese Wörter im jeweiligen Kontext zu verstehen sind.

Eine der dringendsten Fragen, die in diesem Zusammenhang aufkommt, bezieht sich auf den Unterschied zwischen Verlangen und Freude. Wie unterscheiden sich diese beiden Begriffe, und was haben sie gemeinsam? Die Bibel lehrt uns, nach Gott zu verlangen und sich an Gott zu erfreuen. Beides wird illustriert. In der Bibel sehen wir, dass gottesfürchtige Menschen tiefes Verlangen, Sehnsucht, Hunger, Durst und ein Schmachten nach Gott haben. Als Erstes werden wir einen Blick darauf werfen, wie die Bibel diese beiden Emotionen (Verlangen und Freude) beschreibt, und danach werden wir uns fragen, worin sie sich unterscheiden.

Beispiele des Verlangens nach Gott

Der von Gott hingerissene Psalmist Asaf sagt: »Wen habe ich im Himmel? Und außer dir habe ich an nichts Gefallen auf der Erde. Mag auch mein Leib und mein Herz vergehen – meines Herzens Fels und Teil ist Gott auf ewig« (Psalm 73,25-26). Hier sehen wir ein Verlangen nach Gott, das so stark ist, dass es jedes andere Verlangen vergleichsweise zunichte macht. Asaf wendet sich von allen Dingen, die Himmel und Erde geben können, ab und sagt: »Mein Teil ist Gott auf ewig«. Jeremia sagte das Gleiche: »Mein Anteil ist der HERR, sagt meine Seele, darum will ich auf ihn hoffen« (Klagelieder 3,24). König David sprach ebenso: »Zu dir habe ich um Hilfe geschrien, HERR! Ich habe gesagt: Du bist … mein Teil im Land der Lebendigen« (Psalm 142,6). »Ich habe zum HERRN gesagt: ›Du bist mein Herr; es gibt kein Glück für mich außer dir.‹ … Der Herr ist das Teil meines Erbes« (Psalm 16,2.5).

Der sich sehnende Psalmist drückt sein Verlangen nach Gott mit dem Bild eines lechzenden Hirsches aus: »Wie eine Hirschkuh lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele nach dir, o Gott! Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott« (Psalm 42,2-3). David schüttet sein Herz in ähnlicher Sprache aus: »Gott, mein Gott bist du; nach dir suche ich. Es dürstet nach dir meine Seele, nach dir schmachtet mein Fleisch in einem dürren und erschöpften Land ohne Wasser. … Denn deine Gnade ist besser als Leben« (Psalm 63,2.4).

Der Prophet Jesaja sprudelte manchmal mit Worten der Sehnsucht nach dem Herrn über: »Mit meiner Seele verlangte ich nach dir in der Nacht; ja, mit meinem Geist in meinem Innern suchte ich dich. Denn wenn deine Gerichte die Erde treffen, lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit« (Jesaja 26,9). Der Apostel Paulus offenbarte die Tiefe seines Verlangens nach Christus am deutlichsten in seinem Brief an die Philipper: »Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn es ist weit besser. … Aber was auch immer mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust gehalten; ja wirklich, ich halte auch alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck halte, damit ich Christus gewinne« (Philipper 1,23; 3,7-8).

Beispiele der Freude an Gott

Einer der bemerkenswertesten Ausdrücke der Freude an Gott steht in Habakuk 3,17-18. Meine Frau Noël und ich haben diese Bibelstelle bei unserer Hochzeit verwendet, um unsere Erwartung auszudrücken, dass das Leben hart, aber Gott unser Anteil sein würde, in dem wir unsere ganze Zufriedenheit finden. »Denn der Feigenbaum blüht nicht, und an den Reben ist kein Ertrag. Der Ölbaum versagt seine Leistung, und die Terrassengärten bringen keine Nahrung hervor. Die Schafe sind aus der Hürde verschwunden, und kein Rind ist in den Ställen. – Ich aber, ich will in dem HERRN frohlocken, will jubeln über den Gott meines Heils.« Mit anderen Worten: Wenn alle Stützen des menschlichen Lebens und des irdischen Glücks weggenommen werden, wird Gott unsere Freude sein. Diese Erfahrung ist eine menschlich gesehen unmögliche. Kein normaler Mensch kann in Wahrheit so reden. Wenn Gott allein genug ist, um Freude zu geben, wenn alles andere verloren ist, dann ist es ein Wunder der Gnade.

Die Psalmisten sprechen mehrmals von der Freude und der Zufriedenheit, die sie in Gott gefunden haben. »So werde ich kommen zum Altar Gottes, zum Gott meiner Jubelfreude« (Psalm 43,4). »Es sollen jubeln und sich freuen, die meine Gerechtigkeit wünschen« (Psalm 35,27). »Groß sind die Werke des HERRN; wer sie erforscht, der hat Freude daran« (Psalm 111,2; Luther 1984). »Ich aber, ich werde dein Angesicht schauen in Gerechtigkeit, werde gesättigt werden, wenn ich erwache, mit deinem Bild« (Psalm 17,15).

Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wird uns geboten, uns am Herrn zu erfreuen. »Habe deine Lust am HERRN« (Psalm 37,4). »Freut euch im HERRN allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch!« (Philipper 4,4). Im Alten Testament war eine Bekehrung von der Weltlichkeit zur Gottesfurcht auch zugleich die Entdeckung der Wahrheit aus Psalm 16,11: »Du wirst mir kundtun den Weg des Lebens; Fülle von Freuden ist vor deinem Angesicht, Lieblichkeiten in deiner Rechten immerdar.« Im Neuen Testament war die Bekehrung ein Zeichen dafür, dass man entdeckt hatte, dass Jesus ein Schatz solch unvergleichlichen Wertes war, dass die Freude daran dem Jünger ermöglichen würde, alles zu verlassen und ihm nachzufolgen: »Das Reich der Himmel gleicht einem im Acker verborgenen Schatz, den ein Mensch fand und verbarg; und vor Freude darüber geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft jenen Acker« (Matthäus 13,44).

Was ist der Unterschied zwischen Verlangen und Freude?

Jetzt können wir diese zwei Emotionen zusammenbringen: Auf der einen Seite haben wir Verlangen, Wollen, Sehnsucht, Durst usw., und auf der anderen Seite haben wir Freude, Vergnügen, Fröhlichkeit, Glück, Zufriedenheit usw. Worin besteht der Unterschied? Der erste Gedanke, der den meisten Menschen dabei kommt (ich habe dies bei meiner achtjährigen Tochter ausprobiert), ist, dass Freude (mit den verschiedenen Synonymen) die Erfahrung ausdrückt, dass die Sache, an der wir uns erfreuen, gegenwärtig ist, nicht nur zukünftig. Verlangen dagegen (mit den verschiedenen Synonymen) drückt die Erfahrung aus, dass die Sache, an der wir uns erfreuen, nicht gegenwärtig ist, aber die Hoffnung besteht, dass sie in der Zukunft geschehen wird.

Ich denke, dass das wahr, aber zu stark vereinfacht ist, und zwar aus mehreren Gründen: Ein Grund ist, dass das Verlangen an sich oft angenehm ist. Das heißt, das Verlangen selbst ist eine Freude, nicht nur eine Sehnsucht nach Freude. Wer kann schon sagen, wo die Grenze zwischen sexuellem Verlangen und sexuellem Vergnügen liegt? Das Verlangen ist Teil des Vergnügens. Wir sprechen von einem Höhepunkt nicht deshalb, weil es das einzige Vergnügen ist, sondern genau deshalb, weil es nicht das einzige Vergnügen ist. Jedes Verlangen, das dazu führt oder dem folgt, ist Teil des einen großen Vergnügens.

Oder wer kann denn eindeutig sagen, wo die Grenze liegt zwischen der Vorfreude, die ein Kind verspürt, kurz bevor Papi nach Hause kommt, und der Freude, wenn er dann auch wirklich zur Tür hereinkommt? Dieses Verlangen ist Teil der Freude, dass Papi auf dem Weg nach Hause ist – und zu Hause angekommen ist – und sich jetzt daheim befindet. Das Verlangen ist also von der Freude untrennbar. Es ist Teil davon.

Ein anderer Grund, warum es zu stark vereinfacht ist zu sagen, dass bei Freude der Gegenstand der Freude gegenwärtig ist, während er bei Verlangen noch nicht gegenwärtig ist, ist die Tatsache, dass es kein Verlangen geben würde, wenn man die Freude nicht zuvor schon gekostet hätte. Auf diese Weise verspürt das Herz, dass etwas begehrenswert ist. Verlangen wird durch Kostproben der Freude geweckt. Diese Kostprobe kann extrem klein sein. Aber wenn es überhaupt keine Kostprobe gibt, dass etwas wünschenswert ist, dann wird es auch kein Verlangen danach geben. Mit anderen Worten: Verlangen ist eine Form der Freude, die eigentlich erst mit dem Eintreffen des Gewünschten erwartet wird. Man könnte sagen, dass die Freude selbst schon in Form der Erwartung erfahren wird.

Liegen wir richtig?

In der Bibel gibt es Anzeichen dafür, dass wir mit diesen Gedanken richtig liegen. So sagt die Bibel z.B. nicht nur: »Freut euch im Herrn« (Philipper 3,1), sie sagt auch: »Wir rühmen uns aufgrund der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes « (Römer 5,2). Einerseits ist der Herr das Objekt unserer Freude. »Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist« (Römer 5,5). Andererseits ist der Gegenstand unserer Freude zukünftig und noch nicht voll und ganz erfahren. Dennoch, obwohl der Gegenstand unserer Freude zukünftig ist, hoffen wir darauf (das heißt, wir haben ein zuversichtliches Verlangen danach), und dieses Verlangen ist von Freude durchdrungen. »Wir rühmen uns aufgrund der Hoffnung.« Die letztendliche Freude daran, Gottes Herrlichkeit zu sehen und ganz davon umgeben zu sein, wurde schon gekostet, und das Verlangen danach ist selbst das Vergnügen der zukünftigen Freude, die jetzt in Form der Erwartung erfahren wird. Das ist das, was Paulus meint, wenn er sagt: »In Hoffnung freut euch« (Römer 12,12).

Ein weiteres Anzeichen dafür, dass wir mit unserem Verständnis von Verlangen und Freude richtig liegen, finden wir, wenn wir Psalm 1,2 und Psalm 19,11 miteinander vergleichen. Psalm 1,2 sagt, dass der glückliche Mann »Lust hat am Gesetz des HERRN und über sein Gesetz sinnt Tag und Nacht«. Psalm 19,11 beschreibt die Worte des Herrn folgendermaßen: »Sie sind begehrenswerter als Gold und viel Feingold, süßer als Honig und Honigseim« (Schlachter). Einerseits sehen wir Freude am Wort Gottes und andererseits Verlangen danach.

Ja, es ist wahr, dass es manchmal Verlangen nach dem Wort Gottes gibt, weil es nicht gegenwärtig ist und wir es lesen oder hören möchten. Aber es ist auch wahr, dass wenn es gegenwärtig ist und uns Freude schenkt, es in diesem Moment auch ein Verlangen nach mehr von dem Wort und nach einem besseren Verständnis davon sowie größere Freude an dem Wort gibt. Und wenn das Wort nicht gegenwärtig ist, dann offenbart das Verlangen danach auch die Freude daran. Es gibt die Freude der Erinnerung und die Freude der Erwartung. Daher sind Verlangen nach und Freude an Gottes Wort untrennbar.

Bei Gott wird es immer mehr geben, woran wir uns erfreuen können

Aus all diesen Gründen werde ich nicht versuchen, eine Mauer zwischen Verlangen und Freude – oder zwischen Sehnsucht und Vergnügen – aufzubauen. Manchmal werde ich von Verlangen nach Gott sprechen – und manchmal von Freude an Gott. Manchmal werde ich von der untröstlichen Sehnsucht nach Gott sprechen – und manchmal von den Lieblichkeiten in seiner Rechten. Der Unterschied zwischen Verlangen nach Gott und Freude an Gott ist hauptsächlich wichtig, um zu zeigen, dass sterbliche Geschöpfe wie wir, mit einer geistlichen Vorliebe für die Herrlichkeit Gottes, immer mehr von Gott haben möchten, als wir gegenwärtig erfahren, sogar in der Ewigkeit. Es wird immer mehr an Gott geben, woran wir uns erfreuen können. Das bedeutet, dass es immer ein heiliges Verlangen geben wird, bis in alle Ewigkeit.

In der jetzigen Zeit ist das frustrierend. Wir schelten uns dafür, dass unser Verlangen nach nichtigen Dingen mit Gott um die Befriedigung unserer Seelen streitet. Dieses Schelten ist auch richtig. Es ist eine gottesfürchtige Trauer. Schuldgefühle und Reue sind ganz angemessen. Wir haben die Erfahrung gemacht, Lieblichkeiten in seiner Rechten zu kosten, und wir sehen, dass unser Verlangen danach erbärmlich klein ist, verglichen mit ihrem wahren Wert. An dieser Stelle ist es hilfreich, wenn wir uns daran erinnern, dass unser Verlangen (so klein es auch sein mag) von der geistlichen Kostprobe, die wir einst von der Gegenwart Gottes hatten, geweckt wurde. Es ist ein Beweis dafür, dass wir davon gekostet haben. An dieser Stelle ist es ebenfalls hilfreich, wenn wir uns daran erinnern, dass unser Verlangen nur ein winziger Teil dessen ist, was kommen wird. Die Größe unseres Verlangens ist nicht das Maß der Größe der letztendlichen Freude. Diese Tatsache kann uns vor der Verzweiflung retten und uns dazu ermutigen, für so viel Freude an Gott wie möglich zu kämpfen.

Die Tatsache, dass eine sterbliche Seele immer mehr von Gott haben will, als sie zu einer bestimmten Zeit bekommt, wird in der Ewigkeit jedoch nicht frustrierend sein. Dann, wenn wir perfekt gemacht wurden und unsere Auferstehungsleiber haben, wird unser verbleibendes Verlangen nicht aus dem Grund existieren, dass die Sünde mit Gott um unsere Zuneigung streitet. Unser Verlangen nach Gott wird bestehen bleiben, weil unser begrenzter Geist nicht die Fülle unendlicher Größe und Herrlichkeit aufnehmen kann. Daher muss sie ihm an jedem neuen Tag in der Ewigkeit in (köstlichen, aber zu bewältigenden) Portionen gegeben werden.

In der Ewigkeit wird das Verlangen nach mehr von Gott niemals mit Ungeduld oder Undankbarkeit oder Enttäuschung verbunden sein. Stattdessen wird jedes Verlangen die süßeste Erwartung sein, und zwar immer tiefer verwurzelt in den immer wachsenden Erinnerungen der Freude und den sich ansammelnden Freuden der Dankbarkeit. Gott wird uns nicht die Freude wegnehmen, weitere Freuden zu erwarten. Er wird uns mehr davon geben. Er wird uns für alle Ewigkeit die perfekte Mischung von gegenwärtiger Freude und der Erwartung zukünftiger Freude geben. Die Erwartung wird keineswegs frustrierend sein. Es wird eine vollkommen freudige Sehnsucht sein.

Wir sehen zwei Weisen, in denen Gott verherrlicht wird: die Intensität der gegenwärtigen Freude an seiner Schönheit und die Intensität des Verlangens nach mehr Offenbarungen seiner Fülle. Die gegenwärtigen Freuden werden immer neues Verlangen erwecken, und das Verlangen wird ein Zeichen der immer größeren zukünftigen Freude sein. Die Freuden werden in perfekter Weise verlangt werden, und das Verlangen wird in perfekter Weise freudig sein.

Was wir in dieser gefallenen Welt erleben, ist eine kleine Widerspiegelung dessen. Wir bewegen uns darauf zu. Es ist noch nicht Realität. Das wissen wir nur allzu schmerzhaft. Aber unsere Berufung hier ist es, um Freude zu kämpfen, sowohl um unsere eigene als auch um die Freude aller Menschen durch Jesus Christus. Das Ziel ist, dass Gottes unendlich großer Wert auf der ganzen Welt bekannt und hoch geschätzt und gepriesen wird. Das ist, was es bedeutet, Gott zu verherrlichen. Er wird am meisten in seinen Kindern und durch diese verherrlicht, wenn wir zutiefst zufrieden sind in ihm. Die Intensität unserer Freude und unseres Verlangens bezeugt der Welt seinen Wert, insbesondere dann, wenn diese (gegenwärtige und erhoffte) Freude uns dazu befreit, die Freuden dieser Welt zu verlassen und ein Leben der Aufopferung und der Liebe für andere zu leben.

Weder Verlangen noch Freude ist das letztendliche Ziel

Es sollte jetzt offensichtlich sein – aber möglicherweise ist das nicht der Fall –, dass Verlangen und Freude dies gemeinsam haben: Keines von beiden ist das Objekt des Verlangens oder der Freude. Es ist Gott. Ich sage das jetzt noch einmal ausdrücklich, weil wir manchmal etwas leichtfertig sagen, dass das Ziel unseres Strebens die Freude ist. Oder wir sagen, dass wir glücklich sein wollen. Diese Aussagen sind weder falsch noch schlecht. Ein Christ meint damit: »Mein Ziel ist es, nach Freude an Gott zu streben, damit Gott, die unendlich wertvolle Realität des Universums, so viel Ehre wie möglich durch mein Leben bekommt.« Die Formulierung »Ich möchte glücklich sein« kann für den Christen die Abkürzung sein für: »Ich möchte den Einen und den Einzigen kennen, der in sich selbst alles ist, wonach ich mich jemals gesehnt habe in all meinem Verlangen, glücklich zu sein.« 

Dieses etwas leichtfertige Reden kann jedoch irreführend sein. Beide Ausdrucksweisen können wie folgt interpretiert werden: Das Objekt unseres Verlangens ist letztendlich eine psychische Erfahrung der Freude ohne Rücksicht auf das, was uns Freude gibt. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Das letztendliche Objekt unseres Strebens ist die Freude an sich – anstelle der Schönheit dessen, woran wir uns erfreuen. Diese falsche Einstellung ist sehr verbreitet. Jonathan Edwards warnte davor, indem er sagte: »Es gibt viele Zuneigungen, die nicht durch ein Licht des Verständnisses hervorgerufen werden. Wenn dies der Fall ist, dann ist dies ein sicheres Anzeichen dafür, dass diese Zuneigungen nicht geistlich sind, mögen sie auch noch so stark sein.«[3] Unser Ziel sind nicht starke Zuneigungen an sich. Unser Ziel ist es, »den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus, der Gottes Bild ist« (2. Korinther 4,4), zu sehen und zu genießen. Die Zuneigungen, die durch dieses Licht hervorgerufen werden, sind geistlich. Durch dieses Christus offenbarende Licht vermeiden wir den Fehler, einfach nach Freude zu streben und nicht nach Christus.

C.S. Lewis hat den größten Teil seiner Autobiografie (die er Überrascht von Freude nannte) der Aufgabe gewidmet, diesen Irrtum aufzudecken, indem er von seinen eigenen Fehlern erzählte.

Man kann nicht gleichzeitig hoffen und über dieses Hoffen nachdenken; denn beim Hoffen blicken wir auf das Objekt der Hoffnung, und das unterbrechen wir, indem wir uns (sozusagen) umdrehen und den Blick auf die Hoffnung selbst richten. … Das sicherste Mittel, um einen Zorn oder eine Begierde zu entwaffnen, war, seine Aufmerksamkeit von dem Mädchen oder von der Beleidigung abzulenken und anzufangen, die Emotion selbst zu untersuchen. Der sicherste Weg, sich ein Vergnügen zu verderben, war, anzufangen, seine eigene Zufriedenheit zu untersuchen. …
Ich erkannte (und das versetzte mich in maßloses Erstaunen), dass ich … mich ebenso geirrt hatte, als ich glaubte, die Freude selbst zu begehren. Die Freude selbst, einfach als Ereignis in meinem eigenen Geist betrachtet, erwies sich als vollkommen wertlos. Der ganze Wert lag allein in dem, was die Freude begehrte. Und dieses Objekt war ganz eindeutig nicht irgendein Zustand meines eigenen Geistes oder Körpers. … Als Letztes habe ich gefragt, ob es die Freude selbst sei, die ich wollte, und indem ich sie mit dem Etikett »ästhetisches Erlebnis« versah, hatte ich so getan, als könnte ich die Frage mit Ja beantworten. Doch auch diese Antwort war zusammengebrochen. Unerbittlich verkündete die Freude: »Du verlangst – ich selbst bin dein Verlangen – nach etwas anderem, etwas außerhalb von dir, nicht dir selbst und auch nicht irgendeinem Zustand von dir.«[4]

Warum sollten wir uns dann so viel aus dem Kampf um die Freude machen?

Im Hinblick auf diese Gefahr könnte man fragen, warum ich so viel Wert auf Freude im Leben eines Christen lege. Warum nicht einfach über Gott, das Objekt unserer Freude, sprechen und die Erfahrungen sich selbst überlassen? Ich habe drei Antworten darauf.

Eine ist diese: Es ist nicht ein Gebot John Pipers, sich am Herrn zu erfreuen; es ist ein Gebot Gottes. Gott wertet diese Erfahrung des Herzens zu einem Gebot auf, nicht ich. Er macht dies mit einer gravierenden Ernsthaftigkeit deutlich. »Dafür dass du dem HERRN, deinem Gott, nicht mit Freude und mit fröhlichem Herzen gedient hast …, wirst du deinen Feinden … dienen« (5. Mose 28,47- 48). »Gott droht mit schrecklichen Dingen, wenn wir nicht glücklich sind.«[5] Der Aufruf zum Kampf um Freude kommt nicht von mir. Er kommt von Gott.

Die zweite Antwort ist, dass Gott am meisten in uns verherrlicht ist, wenn wir zutiefst zufrieden sind in ihm. Daher ist es ein Widerspruch, vorzugeben, Gott mehr zu ehren, ohne Menschen dabei zu der radikalsten, seelenbefreienden Befriedigung in Gott allein aufzurufen. Es wird nicht passieren. Gott wird auf die Art und Weise, wie wir ihn erfahren, verherrlicht, nicht nur auf die Art und Weise, wie wir über ihn denken. Der Teufel hat mehr wahre Gedanken über Gott an einem Tag als ein Heiliger in einem ganzen Leben, aber Gott wird dadurch nicht geehrt. Das Problem beim Teufel liegt nicht in seiner Theologie, sondern in seinem Verlangen. Unser höchstes Ziel ist es, Gott zu verherrlichen. Das machen wir am meisten, wenn wir ihn schätzen, nach ihm verlangen und uns in ihm so sehr freuen, dass wir Eigentum und Verwandtschaft loslassen und seine Liebe den Armen und den Verlorenen zeigen.

Der dritte Grund, warum wir so viel Wert auf Freude und dem Streben nach Freude an Gott legen sollten, ist, dass Menschen nicht merken, in welch schrecklichem Zustand sie sind, bis sie ihre Herzen am Maßstab des christlichen Hedonismus messen, oder wie immer man es auch nennen möchte. Nach 30 Jahren sehe ich, dass das Predigen und Lehren über das Gebot Gottes, uns in ihm zu erfreuen, und zwar mehr als in allem anderen, die Menschen zerbricht und demütigt und dazu bringt, viel dringender nach wahrer Bekehrung und wahrem Leben als Christ zu suchen. Oh, wie leicht ist es zu denken, dass bei uns alles in Ordnung ist, wenn die Emotionen an den Rand gestellt werden. Einfache Gedanken und Taten können von einer fleischlichen, religiösen Denkweise bewältigt werden. Aber die Emotionen – sie sind der Wetterhahn des Herzens. Es gibt nichts, was die Richtung der tiefen Winde der Seele so zeigt wie das Verlangen nach radikaler Freude an Gott, die die Sünde zerstört und Christus verherrlicht.

Jetzt aber, nachdem ich mich verteidigt habe, sage ich noch einmal: Gott und Gott allein ist das letztendliche Ziel unserer Suche. Alles, was Gott für uns in Jesus ist, ist das Objekt unserer Suche nach Freude. Wenn ich davon spreche, um Freude zu kämpfen, dann meine ich Freude an Gott, nicht Freude ohne Bezug zu Gott. Wenn ich davon spreche, eine Sehnsucht nach Glück zu haben, dann meine ich das Glück in allem, was Gott für uns in Jesus ist, nicht Glück als eine physische oder psychische Erfahrung ohne Gott. Sei es Verlangen oder Freude – das Ziel unserer Erfahrung ist Gott.

Der Kampf um diese Erfahrung von Gott durch Jesus Christus ist das Thema dieses Buches.


  1. C.S. Lewis, Bis wir wirklich werden (Karlsruhe: von Loeper, 1985), Erster Teil, Kapitel 7.
  2. C.S. Lewis, Überrascht von Freude (Gießen: Brunnen, 2004), S. 202- 203.
  3. Jonathan Edwards, The Works of Jonathan Edwards, Bd. 2, The Religious Affections, Hrsg. John E. Smith (New Haven: Yale University Press, 1959), S. 266-267.
  4. C.S. Lewis, Überrascht von Freude, S. 262, 264-265.
  5. Jeremy Taylor, zitiert aus C.S. Lewis, George MacDonald: An Anthology (London: Geoffrey Bles, 1946), S. 19.