Wenn die Freudenicht mehr da ist/Wenn die Dunkelheit nicht weicht

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English: When I Don't Desire God/When the Darkness Does Not Lift

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Von John Piper Über Christian Hedonism
Kapitel 13 des Buches Wenn die Freudenicht mehr da ist

Übersetzung von Desiring God


Beharrlich habe ich auf den HERRN geharrt.
Psalm 40,2

Den Abend lang währet das Weinen,
aber des Morgens ist Freude.

Psalm 30,6 (Luther 1984)

O Herr der Liebe und des Zorns,
Da du liebest – und dennoch schlägst;
Niederschlägst – und doch Hilfe gibst;
So werde ich dasselbe tun.
Ich werde klagen, doch preisen;
Ich werde jammern – und loben:
All meine süß-sauren Tage
Werde ich trauern – und lieben.

George Herbert
 »Bitter Sweet«[1]

Inhaltsverzeichnis

Das tun, was wir können, während wir auf Gott – und Freude – warten

Jetzt, wo dieses Buch bald an seinem Ende angekommen ist, ist mir bewusst, dass ich mein Ruder in ein sehr großes Meer gesetzt habe. Ich stehe von meinem Schreibtisch auf und gehe an einer Wand von Büchern vorbei, die weiser als ich über die Fürsorge und die Heilung von traurigen christlichen Seelen gesprochen haben. Allein durch das Öffnen dieser Bände erinnere ich mich daran, wie viele weise und wertvolle Dinge noch zu sagen sind – aber nicht in einem einzigen Buch gesagt werden können. Es wird immer so sein. Das Wort Gottes ist unerschöpflich, und die Welt, die er gemacht hat, hält zahllose Schätze bereit, die darauf warten, von klaren Augen auf der Suche nach Christus erhebender Freude gefunden zu werden. Und die Bedürfnisse von kampfbereiten Menschen, die um Freude kämpfen, werden immer so verschieden sein wie die Menschen selbst. Also werde ich mich damit begnügen, so weit in dieses Meer zu rudern, wie meine Grenzen es mir erlauben, und ich bete, dass Sie einige dieser großartigen alten Bücher[2] aufsuchen werden und auf Ihrer Suche nach Freude weiter gehen werden, als ich Sie bringen konnte.

Denen helfen, für die Freude unerreichbar bleibt

Mein Ziel in diesem letzten Kapitel ist es, denjenigen Leitung und Hoffnung zu geben, für die Freude unerreichbar zu bleiben scheint. Praktisch alle Ärzte der Seele, die von der Bibel erfüllt sind, haben über lange Zeiten der Dunkelheit und der Verzweiflung gesprochen. Früher nannten sie es Melancholie. Richard Baxter, zum Beispiel, der 1691 starb, schrieb über die Kompliziertheit des Umgangs mit Christen, die nicht in der Lage scheinen, sich an Gott zu erfreuen: »Freude an Gott, an seinem Wort und an seinen Wegen ist die Blume und das Leben der wahren Religion. Aber diejenigen, von denen ich spreche, können sich an nichts erfreuen – weder an Gott noch an seinem Wort, noch an irgendeiner Aufgabe.«[3]

Wie können wir Christen helfen, die nicht in der Lage scheinen, aus der Dunkelheit in das Licht der Freude auszubrechen? Ja, ich nenne sie Christen und nehme damit an, dass dies wahren Gläubigen passieren kann. Es passiert aufgrund von Sünde oder aufgrund von satanischem Angriff oder aufgrund von erschütternden Umständen oder aufgrund von erblich bedingten oder anderen körperlichen Ursachen. Was diese alten Bücher so bemerkenswert macht, ist die Art und Weise, wie sie mit all diesen Ursachen und ihren vielen Kombinationen zurechtkommen und wie sie jeden Zustand angemessen behandeln. Puritanische Pastoren schienen nie jemanden wegen entmutigender Dunkelheit aufzugeben.

Schon lange vor dem Aufstieg der Psychiatrie und der heutigen Gehirn- Elektrophysiologie haben von der Bibel erfüllte puritanische Pastoren die Komplexität der Ursachen hinter der Dunkelheit der Melancholie erkannt. Das wird auch in der ersten Antwort von Baxter auf die folgende Frage deutlich: »Was sind die Ursachen und die Heilmittel [der Melancholie]?« Baxters Antwort lautet: »Bei sehr vielen liegt ein großer Teil der URSACHE in Krankheit und Schwachheit des Körpers, und dadurch wird die Seele unfähig zu jeglichem behaglichen Gefühl. Aber je mehr sie aus solch natürlicher Notwendigkeit hervorgerufen wird, desto weniger ist sie sündig und gefährlich für die Seele; dennoch ist sie nicht weniger beschwerlich.«[4]

Seine Predigt über die Ursachen und Heilmittel der Melancholie hat einen umfangreichen Abschnitt über »Medizin und Diät«. In seiner seltsamen, aber bemerkenswert zutreffenden Sprache sagt er: »Die Krankheit, die ›Melancholie‹ genannt wird, … macht sie für ihren Dienst untauglich, indem sie die Vorstellung, das Verständnis, das Gedächtnis und die Zuneigungen beeinflusst; und so wird durch diese Krankheit auch die Fähigkeit des Denkens krank, es wird wie ein entzündetes Auge oder ein verstauchter oder ausgerenkter Fußknöchel, unfähig für die eigentliche Aufgabe.«[5]

Die physische Seite der geistlichen Dunkelheit

Ich werde nicht weiter als im letzten Kapitel gehen, wenn es darum geht, die physische Behandlung der Melancholie – und ihrer schweren Form, der Depression – zu erörtern. Das ist die Arbeit eines Arztes, was ich nicht bin. Worüber wir aber im Klaren sein sollten, ist, dass der Zustand unseres Körpers einen Einfluss auf die Fähigkeit unseres Sinnes hat, klar zu denken, und die Fähigkeit unserer Seele, die Schönheit der Hoffnung gebenden Wahrheit zu sehen. Martyn Lloyd-Jones, der große Prediger der Westminster Chapel in London Mitte des 20. Jahrhunderts, begann sein hilfreiches Buch Geistliche Krisen und Depressionen damit, dass er davor warnte, das Physische außer Acht zu lassen. Es ist bedeutsam, dass Lloyd-Jones ein Arzt war, bevor er zum Dienst des Predigens berufen wurde.

Ist einer der Ansicht, dass es, solange man Christ ist, nicht darauf ankommt, in welcher Verfassung sich der Körper befindet? Nun, in dem Fall werden Sie bald enttäuscht werden. Der körperliche Zustand hat sehr wohl einen Einfluss. … Es gibt bestimmte physische Leiden, die zu einer größeren Empfänglichkeit für Depressionen beitragen. Thomas Carlyle ist da meines Erachtens ein außergewöhnliches Beispiel. Oder auch jener großartige Prediger, der im letzten Jahrhundert fast vierzig Jahre lang in London auf der Kanzel stand – Charles Haddon Spurgeon, einer der wahrhaft größten Prediger aller Zeiten. Dieser große Mann hatte sehr unter geistlichen Depressionen zu leiden, und die wichtigste Erklärung dafür war in seinem Fall zweifellos die Tatsache, dass er Gicht hatte – eine Krankheit, die ihm schließlich den Tod brachte. Er musste sich oft mit diesem Problem der geistlichen Depression in äußerst schmerzhafter Weise auseinander setzen. Die Tendenz zur plötzlichen Depression ist die zwangsläufige Begleiterscheinung der Gicht, die er von seinen Vorfahren geerbt hatte. Und bei vielen Menschen, die zu mir in die Seelsorge kommen, habe ich festgestellt, dass in ihrem Fall ganz offensichtlich der körperliche Zustand die Hauptursache der Schwierigkeit ist. Zu dieser Gruppe kann man, allgemein gesprochen, Müdigkeit, Überanstrengung, Krankheit und jede Form von Leiden rechnen. Man kann das Geistliche nicht vom Körperlichen trennen, denn wir bestehen aus Körper, Geist und Seele. Die größten und besten Christen sind, wenn sie körperlich schwach sind, offener für einen Anfall geistlicher Depressionen als sonst. Wir finden in der Heiligen Schrift viele Beispiele dafür.[6]

Gaius Davies, ein Psychiater in Großbritannien, der Lloyd-Jones gut kannte, bemerkte:

Vor 1954, als die Predigtreihe über Depression abgeschlossen wurde, war noch kein effektives Antidepressivum auf dem Markt, obwohl Fortschritte in diese Richtung in diesem Jahr gemacht wurden. Als 1955/56 dann neue Formen der Medikation frei zugänglich waren, weiß ich, wie besorgt Dr. Lloyd-Jones war zu wissen, welche Arten des Antidepressivums am effektivsten waren, weil er mich viel darüber befragte, als ich am Anfang meiner medizinischen Karriere stand und mit anderen Ärzten ähnliche Gespräche führte. Er wollte genug wissen, damit er anderen Menschen Rat geben könnte, die ihn nach seiner Meinung dazu fragten.[7]

Der Platz der Medikation im Kampf um Freude

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass Medikation die erste oder beste Lösung für geistliche Dunkelheit ist. Medizin allein ist natürlich nie eine Antwort für geistliche Dunkelheit. Alle grundlegenden Fragen des Lebens müssen immer noch in die richtige Beziehung zu Christus gebracht werden, nachdem die Medizin ihre Arbeit verrichtet hat. Antidepressiva sind nicht der entscheidende Retter. Christus ist der entscheidende Retter. Es ist sogar so, dass der fast automatische Gebrauch von Pillen für schlechtes Benehmen von Kindern und Kummer von Erwachsenen uns als Gesellschaft wahrscheinlich schaden wird.

David Powlison, Herausgeber von The Journal of Biblical Counseling sowie Seelsorger der Christian Counseling and Educational Foundation und Dozent am Westminster Seminary, schrieb über eine erstaunliche Metamorphose in den Geisteswissenschaften Mitte der 90er Jahre:

Die Welt hat sich zweifellos Mitte der 90er Jahre verändert. Verhaltensweisen sind jetzt in Ihrem Körper. Sie haben sie von Ihrer Mutter und Ihrem Vater, welche aber nichts dafür getan haben. Reizbarkeit hat mit Funktionen des Gehirns zu tun, nicht mit Funktionsstörungen in der Familie. Die Vorreiterrolle ist in der festen Wissenschaft der medizinischen Forschung und der Psychiatrie zu finden, nicht in weicher Lebensphilosophie und »Fühle-deinen-Schmerz«-Psychologien. … Biologie ist plötzlich ein heißes Thema. Die Psychiatrie ist ausgebrochen, ein Blitzkrieg, der jeden Widerstand aus dem Weg räumt. … Die Medizin ist bereit, die menschliche Verantwortung für sich zu beanspruchen. … Die Biopsychologisierung des menschlichen Lebens hat eine riesige Auswirkung, sowohl in der Gesellschaft als auch in der Gemeinde.[8]

Seine Schlussfolgerung ist, dass diese Beschäftigung mit der Biopsychiatrie vorübergehen wird, und dabei…

… wird Biopsychiatrie Dinge heilen, wofür wir den Gott der allgemeinen Gnade preisen sollten. Aber letzten Endes werden sich ungewollte und unvorhergesehene Nebenwirkungen mit gewaltiger Desillusionierung zusammentun. Die Gewinne werden niemals den Versprechen gerecht werden. Und das Leben zahlloser Menschen, deren normale Probleme des Lebens jetzt mit Medikation behandelt werden, wird sich nicht qualitativ verändern und in einer besseren Richtung verlaufen. Nur intelligente Buße, lebendiger Glaube und greifbarer Gehorsam können die Welt auf den Kopf stellen.[9]

Powlison bezieht sich mitfühlend auf das Buch von Ed Welch, Ist das Gehirn schuld?, in dem Welch seine Bereitschaft ausdrückt, Medikation in Fällen von anhaltender, schwächender Depression zu verwenden. Welch sagt:

Wenn die Person keine Medikamente nimmt, aber darüber nachdenkt, rate ich meist, mit der Entscheidung zu warten. Dann versuche ich, die Gründe für die Depression herauszufinden, und gemeinsam bitten wir Gott, uns über uns und ihn zu belehren, damit wir in dieser schweren Zeit im Glauben wachsen können. Hält die Depression weiter an, erkläre ich der Person, dass Medikamente eine Möglichkeit sind, um mit einigen körperlichen Symptomen fertig zu werden.[10]

Für viele mag dies übermäßig vorsichtig sein. Ein Artikel in The Washington Post im Mai 2002 berichtete jedoch darüber, dass der anfängliche Enthusiasmus in Bezug auf die einzigartige Wirksamkeit der Medikamente durch neue wissenschaftliche Untersuchungen relativiert wird:

Nach Tausenden von Studien, 100 Millionen Rezepten und 10 Milliarden Dollar Umsatz stehen zwei Dinge über Pillen gegen Depression fest: Antidepressiva wie Fluctin, Paxil und Zoloft funktionieren. Und Zuckerpillen tun es auch. In einer neuen Untersuchung wurde herausgefunden, dass in den meisten Tests, die in den letzten Jahrzehnten von Arzneimittel-Herstellern durchgeführt wurden, Zuckerpillen so gut wie – oder besser als – Antidepressiva abgeschnitten haben.[11]

Die Vorsicht von Welch und die Skepsis der Washington Post sind nicht so zu deuten, dass Depression oder geistliche Dunkelheit von unserem physischen Zustand getrennt seien. Sie sind zutiefst miteinander verbunden. Aber die Beziehung zwischen der Seele und dem Gehirn ist für uns als Menschen unfassbar und sollte deshalb mit größter Sorgfalt behandelt werden, sowie mit gründlicher Aufmerksamkeit für die moralischen und geistlichen Realitäten des Menschen, die ebenso viel Einfluss auf das Gehirn haben können wie umgekehrt.

Mit anderen Worten: Wenn jemand, der dieses Buch liest, Medikamente nimmt oder über die Einnahme von Medikamenten nachdenkt, dann verurteile ich Sie nicht dafür, ebenso wenig wie die Bibel dies tut. Es mag oder mag auch nicht die beste Vorgehensweise sein. Ich übergebe Sie der Weisheit eines Arztes, der auf Gott ausgerichtet und von der Bibel erfüllt ist. Wenn es in der Entscheidung in Bezug auf den Gebrauch der Medikation einen Fehler gab, dann wird die zugeschriebene Gerechtigkeit Christi diesen Fehler verschwinden lassen, wenn Sie in ihm ruhen. Vergessen Sie nicht die Lektion des »unerschrockenen Schuldbewusstseins« aus Kapitel 6.

Im Warten in der Dunkelheit sind wir nicht verloren und nicht allein

Mit oder ohne Medikation gibt es auch andere Dinge, die inmitten von verlängerter Dunkelheit getan werden können. Und ich möchte Sie gern zu einigen dieser Dinge ermutigen. Für den kämpfenden Christen wird es von großem Vorteil sein, sich daran zu erinnern, dass Zeiten der Dunkelheit im christlichen Leben normal sind. Ich möchte damit nicht sagen, dass wir nicht versuchen sollten, einen Sieg über solche Zeiten zu gewinnen. Ich möchte damit sagen, dass wenn wir nicht erfolgreich sind, wir dennoch nicht verloren sind, und wir sind nicht allein, wenn das Bruchstück unseres Glaubens an Christus festhält. Denken Sie über die Erfahrung von David in Psalm 40,2-4 nach.

Beharrlich habe ich auf den HERRN geharrt, und er hat sich zu mir geneigt und mein Schreien gehört. Er hat mich heraufgeholt aus der Grube des Verderbens, aus Schlick und Schlamm; und er hat meine Füße auf Felsen gestellt, meine Schritte fest gemacht. Und in meinen Mund hat er ein neues Lied gelegt, einen Lobgesang auf unseren Gott. Viele werden es sehen und sich fürchten und auf den HERRN vertrauen.

Der König Israels ist in »der Grube des Verderbens« und im »Schlick und Schlamm« – eine Beschreibung seines geistlichen Zustands. Der Lobgesang wird kommen, aber er ist noch nicht auf seinen Lippen. Es ist, als ob David in einen tiefen, dunklen Brunnen gefallen und in lebensgefährlichem Schlamm gelandet wäre. Es gab auch eine andere Zeit, in der David über eine solche Erfahrung schrieb. Er brachte die Bilder des Schlamms und der Flut zusammen: »Rette mich, Gott, denn Wasser sind bis an die Seele gekommen. Ich bin versunken in tiefen Schlamm, und kein fester Grund ist da; in Wassertiefen bin ich gekommen, und die Flut schwemmt mich fort« (Psalm 69,2-3).

In dieser Grube des Schlamms und des Verderbens gibt es eine Art Hilflosigkeit und Verzweiflung. Plötzlich ist Luft, nur Luft, Millionen Euro wert. Hilflosigkeit, Verzweiflung, scheinbare Hoffnungslosigkeit, die Belastungsgrenze des überarbeiteten Geschäftsmanns, die äußersten Grenzen der Verzweiflung der Mutter von drei ständig weinenden Kindern, die unmöglichen Erwartungen in zu vielen Kursen in der Schule, der erdrückende Stress einer langwierigen Krankheit, der nahe bevorstehende Angriff eines mächtigen Feindes. Es ist gut, dass wir nicht wissen, was die Erfahrung war. Das macht es einfacher, uns selbst in der Grube mit dem König zu sehen. Irgendetwas, was ein Gefühl der Hilflosigkeit und Verzweiflung bewirkt und droht, das Leben zu zerstören oder es wegzunehmen – das ist die Grube des Königs.

Wie lange, o Herr, wie lange!

Dann kommt das Schreien des Königs: »Beharrlich habe ich auf den HERRN geharrt, und er hat sich zu mir geneigt und mein Schreien gehört.« Einer der Gründe, warum Gott David so sehr liebte, war, weil er so viel weinte. »Müde bin ich durch mein Seufzen; die ganze Nacht schwemme ich mein Bett, mache mit meinen Tränen mein Lager zerfließen« (Psalm 6,7). »Meine Heimatlosigkeit hast du abgemessen. Gieße meine Tränen in deinen Schlauch! Stehen sie nicht in deinem Verzeichnis?« (Psalm 56,9). Ja, dort stehen sie! »Glückselig die Trauernden« (Matthäus 5,4). Es ist etwas Wunderschönes, wenn ein gebrochener Mensch aufrichtig zu Gott schreit.

Nach dem Schreien wartet man dann. »Beharrlich habe ich auf den HERRN geharrt.« Es ist von entscheidender Bedeutung, dies zu wissen: Heilige, die zum Herrn für Befreiung aus Gruben der Dunkelheit schreien, müssen lernen, beharrlich auf den Herrn zu warten. Es gibt keine Aussage darüber, wie lange David gewartet hat. Ich habe Heilige gekannt, die durch acht Jahre der schwächenden Dunkelheit gingen – und hinaus in das herrliche Licht kamen. Nur Gott weiß, wie lange wir warten müssen. Das haben wir bei der Erfahrung von Micha in Kapitel 6 gesehen. »… wenn ich auch in Finsternis sitze …, bis [der Herr] meinen Rechtsstreit führt. … Er wird mich herausführen an das Licht« (siehe Micha 7,8-9). Wir können Gott keine Frist setzen. Er beschleunigt oder verzögert so, wie er es als richtig ansieht. Und seine zeitliche Abstimmung ist voller Liebe zu seinen Kindern. Oh, dass wir doch lernen mögen, in der Stunde der Dunkelheit geduldig zu sein. Wir kämpfen um Freude. Aber wir kämpfen wie diejenigen, die durch Gnade gerettet sind und von Christus gehalten werden. Wir sagen zusammen mit Paul Gerhardt, dass Gott bald – zu seiner besten Zeit – unser Herz von der schweren Last erlösen wird:

Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt
Der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt!
Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

Dem Herren musst du trauen, wenn dir’s soll wohlergehn;
Auf sein Werk musst du schauen, wenn dein Werk soll bestehn.
Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein
Lässt Gott sich gar nichts nehmen; es muss erbeten sein.

Wird’s aber sich befinden, dass du ihm treu verbleibst,
So wird er dich entbinden, da du’s am mindsten gläubst:
Er wird dein Herze lösen von der so schweren Last,
Die du zu keinem Bösen bisher getragen hast.

Ihn, ihn lass tun und walten; er ist ein weiser Fürst
Und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst,
Wenn er, wie ihm gebühret, mit wunderbarem Rat
Das Werk hinausgeführet, das dich bekümmert hat.[12]

Der Grund unserer Gewissheit[13], wenn wir unseren Glauben nicht sehen können

Es ist äußerst entscheidend, dass wir in unserer Dunkelheit bekräftigen, dass die weise, starke Hand Gottes uns hält, selbst wenn wir keine Kraft haben, sie zu halten. Auf diese Weise hat Paulus über seine eigenen Mühen gedacht. Er sagte: »Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet bin; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, weil ich auch von Christus Jesus ergriffen bin« (Philipper 3,12). Der Schlüsselgedanke in diesem Vers ist, dass jedes Bemühen von Paulus, die Fülle der Freude an Christus zu ergreifen, von seiner Ergreifung durch Christus gesichert ist. Vergessen Sie niemals, dass Ihre Sicherheit zuerst auf der Treue Christi beruht.

Unser Glaube steigt und fällt. Er hat verschiedene Grade. Aber unsere Sicherheit steigt nicht und fällt nicht. Sie hat keine verschiedenen Grade. Wir müssen im Glauben ausharren. Das ist wahr. Aber es gibt Zeiten, in denen unser Glaube einem Senfkorn gleicht und kaum erkennbar ist. In der Tat: Die dunkelste Erfahrung für ein Kind Gottes ist, wenn sein Glaube aus seiner eigenen Sicht verschwindet. Nicht aus der Sicht Gottes, sondern aus seiner Sicht. Ja, es ist möglich, so sehr von der Dunkelheit überwältigt zu sein, dass man nicht weiß, ob man ein Christ ist – und dennoch ein Christ ist.

Alle großen Ärzte der Seele haben zwischen Glauben und seiner vollen Gewissheit unterschieden. Der Grund dafür ist, dass wir durch das Werk Gottes gerettet werden, indem er es bewirkt, dass wir wiedergeboren werden und zum Glauben kommen. »Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist« (Johannes 3,8). Wir werden nicht gerettet, indem wir den Glauben selbst zustande bringen und ihn dann zur Grundlage unserer neuen Geburt machen. Es ist andersherum. Das bedeutet, dass Gott der Grund meines Glaubens ist, und wenn der Glaube für eine Zeit aus meiner Sicht verschwindet, mag Gott dennoch dort sein und die Wurzel in der neuen Geburt stärken und den Samen vor der Zerstörung schützen. Das war in Richard Baxters Umgang mit der Seele entscheidend:

Gewissheit unseres Glaubens und unserer Aufrichtigkeit ist für die Errettung nicht notwendig, aber die Aufrichtigkeit des Glaubens selbst ist notwendig. Wer sich selbst Christus ausliefert, wird gerettet werden, auch wenn er nicht weiß, dass er dies aufrichtig tut. Christus kennt seine eigene Gnade, selbst wenn diejenigen, die sie empfangen haben, nicht wissen, dass sie sicher ist. Viele sind durch die Unkenntnis über sich selbst niedergeschlagen und erkennen nicht die Aufrichtigkeit, die Gott ihnen gegeben hat. Gnade ist in den Besten von uns hier schwach; und kleine und schwache Gnade wird nicht einfach erkannt, denn sie handelt schwach und unbeständig, und sie wird nur durch ihre Taten erkannt; und schwache Gnade ist immer mit zu starker Verdorbenheit verbunden; und alle Sünden im Herzen und Leben sind der Gnade entgegengesetzt und verdunkeln sie; … Und wie kann überhaupt jemand mit all diesen Hindernissen dennoch irgendeine volle Gewissheit seiner eigenen Sicherheit wahren?[14]

Es ist nicht Baxters Ziel, den Trost eines Christen zu zerstören. Im Gegenteil: Er möchte uns helfen, selbst in den Zeiten unserer Dunkelheit zu wissen, dass wir sicher in Jesus sein können, selbst wenn wir unsere eigene Aufrichtigkeit aus den Augen verloren haben. Das Zeugnis des Heiligen Geistes, dass wir Kinder Gottes sind (Römer 8,16), mag deutlich oder schwach sein. Aber die Realität ist unerschütterlich. »Der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt, die sein sind« (2. Timotheus 2,19). »Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid« (1. Korinther 1,9). »Ich bin ebenso in guter Zuversicht, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Christi Jesu« (Philipper 1,6). Baxters Worte sind entscheidende Ratschläge, wenn wir die dunkle Nacht der Seele überleben wollen. Und diese Nacht wird für fast jeden Christen kommen. Und wenn sie kommt, müssen wir auf den Herrn warten, zu ihm schreien und wissen, dass unsere eigene in der Dunkelheit erhobene Selbstanklage nicht so sicher wie das im Licht gesprochene Wort Gottes ist.

Wenn ein Kind Gottes davon überzeugt ist, dass es kein Kind Gottes ist

Christen in der Dunkelheit der Depression mögen verzweifelt fragen: Wie kann ich wissen, dass ich wirklich ein Kind Gottes bin? Sie fragen meist nicht, um daran erinnert zu werden, dass wir aus Gnaden durch den Glauben gerettet werden. Das wissen sie. Sie fragen, wie sie wissen können, dass ihr Glaube echt ist. Gott muss uns in unserer Antwort leiten, und wenn wir den Menschen kennen, dann wird es uns helfen zu wissen, was wir sagen sollen.[15]

Das Erste und Beste, was man sagen kann, könnte sein: »Ich liebe dich. Und ich werde dich nicht loslassen.« Mit diesen Worten mag ein Mensch Gottes bewahrende Gegenwart spüren, die er vielleicht sonst überhaupt nicht spürt. Oder zweitens könnten wir sagen: »Höre auf, auf deinen Glauben zu schauen, und richte deine Aufmerksamkeit allein auf Christus. Der Glaube wird gestärkt, wenn du Christus anschaust, gekreuzigt und auferstanden, nicht wenn du dich von Christus abwendest, um deinen Glauben zu untersuchen. Lass mich dir helfen, auf Christus zu schauen. Lass uns zusammen Lukas 22-24 lesen.« Wenn wir die Freude des Glaubens erfahren wollen, dann dürfen wir uns paradoxerweise nicht viel darauf konzentrieren. Wir müssen uns auf die Größe unseres Retters konzentrieren.

Drittens könnten wir solche Menschen auf die Anzeichen der Gnade in ihrem Leben aufmerksam machen. Wir könnten von unserer eigenen Empfindung über ihre Echtheit berichten, als wir von ihnen geliebt wurden, und sie dann an ihre eigenen starken Bekräftigungen der Herrschaft Christi erinnern. Sagen Sie dann: »Niemand kann Jesus den Herrn nennen außer durch den heiligen Geist« (1. Korinther 12,3). Diese Vorgehensweise ist kurzfristig normalerweise nicht erfolgreich, weil ein deprimierter Mensch dazu neigt, alle guten Beurteilungen seines eigenen Zustands anzuzweifeln; aber sie kann langfristig wertvoll sein, weil sie als objektive Hoffnung und Handlung der Liebe über seiner eigenen subjektiven Dunkelheit steht.

Viertens könnten wir den Leidenden daran erinnern, dass seine Forderung nach einer Art absoluter, mathematischer Gewissheit über seinen richtigen Stand vor Gott zu viel verlangt. Niemand von uns hat eine solche Gewissheit über irgendeine Beziehung im Leben, und das zerstört nicht unser Wohlbefinden. Baxter sagt: »Keine Ehefrau oder kein Kind kann sich sicher sein, dass der Ehemann oder Vater sie nicht ermorden wird; und dennoch können sie getrost leben und sich nicht davor fürchten.«[16] Mit anderen Worten: Es gibt eine Art Gewissheit, mit der wir leben, und sie ist genug. Sie ist schließlich eine Gabe Gottes.

Man könnte sich eine Frau vorstellen, die von der Furcht besessen ist, dass ihr Mann sie töten wird oder dass eines ihrer Kinder in der Nacht ein anderes töten wird. Keine Anzahl von Argumenten mag sie von der Furcht dieser Möglichkeit wegbringen. Rational und mathematisch ist es möglich. Aber Millionen von Menschen leben in völligem Frieden damit, auch wenn es darüber keine Art der Gewissheit wie nach dem Schema 1+2=3 gibt. Die Gewissheit hat ihre Wurzeln in guter Erfahrung und der von Gott gegebenen Beständigkeit der Natur. Sie ist eine süße Zuversicht – und eine Gabe Gottes. Also sagen wir zu unserem leidenden Freund: »Fordere nicht die Art der Gewissheit über deine Beziehung mit Gott, die du nicht von deinen anderen Beziehungen im Leben verlangst.« 

Daraus ergibt sich, dass wir uns alle gegen die dunklen Stunden der Depression rüsten sollten, indem wir ein tiefes Misstrauen gegen die Gewissheiten der Verzweiflung kultivieren. Verzweiflung ist unbarmherzig in den Gewissheiten ihres Pessimismus. Aber wir haben immer wieder aus eigener Erfahrung und der Erfahrung von anderen gesehen, dass absolute Aussagen der Hoffnungslosigkeit, die wir in der Dunkelheit machen, notorisch unzuverlässig sind. Unsere dunklen Gewissheiten waren nicht Sicherheiten. Während wir das Licht haben, lassen Sie uns Misstrauen gegen die Gewissheiten der Verzweiflung kultivieren.

Verschränken Sie nicht die Arme der Handlung

Das Warten auf den Herrn in einer Zeit der Dunkelheit sollte keine Zeit der Untätigkeit sein. Wir sollten tun, was wir tun können. Und Handeln ist oft das von Gott bestimmte Heilmittel für Verzweiflung. Weise christliche Seelsorger, alte und moderne, haben diesen Rat gegeben. George MacDonald schrieb:

Er verändert sich nicht, weil Sie sich verändern. Nein, er hat eine besondere Zärtlichkeit der Liebe Ihnen gegenüber, weil Sie im Dunkeln sind und kein Licht haben und sein Herz sich freut, wenn Sie sich aufmachen und sagen: »Ich werde zu meinem Vater gehen.« … Verschränken Sie die Arme Ihres Glaubens und warten Sie in der Stille, bis Licht in Ihrer Dunkelheit entsteht. Verschränken Sie die Arme Ihres Glaubens, sage ich, aber nicht Ihrer Handlung: Denken Sie an etwas, was Sie tun sollten, und tun sie es, selbst wenn es nur das Kehren eines Zimmers oder die Zubereitung einer Mahlzeit oder der Besuch eines Freundes ist. Geben Sie keine Acht auf Ihre Gefühle: Verrichten Sie Ihre Arbeit.[17]

Richard Baxter gab 300 Jahre zuvor denselben Rat und verfolgte ihn auf die Bibel zurück:

Stellen Sie sicher, dass Sie nicht untätig leben, sondern in einer beständigen Beschäftigung einer rechtmäßigen Berufung, soweit Sie die nötige körperliche Stärke haben. Untätigkeit ist eine beständige Sünde, und Arbeit ist eine Pflicht. Untätigkeit ist nur das Zuhause des Teufels, seiner Versuchung und seiner unnützlichen, ablenkenden Gedanken. Arbeit nützt anderen und uns selbst; sowohl die Seele als auch der Körper benötigt sie. Sechs Tage soll man arbeiten und nicht »das Brot der Faulheit« essen (Sprüche 31,13-27). Gott hat die Arbeit uns zur Pflicht gemacht und wird uns auf seine bestimmte Art und Weise dafür segnen. Ich habe gesehen, wie schmerzliche, verzweifelnde Melancholie geheilt und zu einem Leben gottesfürchtiger Fröhlichkeit wurde, hauptsächlich durch das Setzen auf Beständigkeit und Fleiß im Alltag der Familie und der Berufung.[18]

Ist Ihre Pflicht von Bedeutung – und nicht Ihre Freude?

Dieser Rat von MacDonald und Baxter wirft eine entscheidende Frage auf: Pflicht und Freude scheinen beide die Gefühle unbedeutend zu machen. Sie scheinen zu sagen: Es ist von Bedeutung, dass Sie Ihre Pflicht erfüllen, und nicht, dass Sie Freude empfinden. Aber das ist nicht unbedingt das, was sie meinen, und wenn es das wäre, dann würde ich ganz anderer Meinung sein. Wenn MacDonald sagt: »Geben Sie keine Acht auf Ihre Gefühle: Verrichten Sie Ihre Arbeit«, dann meint er damit: Lassen Sie sich nicht von falschen Gefühlen beherrschen. Handeln Sie dagegen. Wenn Ihre Gefühle sagen, dass es am besten ist, heute im Bett zu bleiben, dann predigen Sie zu Ihren Gefühlen und sagen Sie ihnen, wie töricht sie sind. Verlieren Sie beim Predigen nicht das Evangelium aus den Augen! Vergessen Sie nicht, dass das Besiegen dieser falschen Gefühle und das Aufstehen aus dem Bett durch den Geist ermöglicht wird, und das ist, was es heißt, zu dem zu werden, was Sie in Christus sind. Aber üben Sie dann Ihren Willen aus und stehen Sie auf! Das ist auf jeden Fall meine klare Meinung.

Aber die Frage geht tiefer: Wenn Freude an Gott die Quelle der Liebe und die Wurzel des rechten Lebens ist – was ich auch glaube –, kann ein Verhalten, das ohne Freude an den Tag gelegt wird, tugendhaft sein? Ich werde die Frage auf zwei Ebenen beantworten.

Erstens würde ich sagen, dass ein Christ, ganz gleich wie dunkel die Zeit seiner Traurigkeit ist, niemals vollständig ohne Freude an Gott ist. Damit meine ich, dass in seinem Herzen der Same der Freude bleibt, vielleicht nur in der Form der Erinnerung an den Geschmack der Güte und einem Nichtbereitsein, diese Güte loszulassen. Das ist nicht mit »unaussprechlicher und verherrlichter Freude« (1. Petrus 1,8) gleichzusetzen. Das ist nicht die Freude, die wir zu bestimmten Zeiten gekannt haben und um die wir kämpfen, sie wiederzugewinnen. Aber das ist ein Bruchteil dieser Freude – wie ein Mann, der im Gefängnis sitzt und ein zerfleddertes Bild von seiner Frau herausholt oder ein gelähmtes Opfer eines Autounfalls, das sich ein Video anschaut von dem Tag, an dem es tanzen konnte. Oder noch bruchstückhafter: Die Freude könnte nur in dem Keller unserer Seele liegen, in Form reuiger Traurigkeit darüber, dass wir nicht nach Gott verlangen können, wie wir es sollten. In dieser Traurigkeit ist der Same von dem, was wir einst von der Freude kannten.

Pflicht beinhaltet die Pflicht der Freude

Die andere Antwort, die ich geben würde, ist, dass wir niemals uns selbst oder einer anderen Person in der Zeit der Dunkelheit sagen sollten: »Tue nur deine Arbeit. Tue nur deine Pflicht. Handle nur wie ein Christ, auch wenn du dich nicht so fühlst.« Das ist fast ein guter Rat. Aber das Problem liegt in dem Wort nur. Anstatt nur zu sagen: »Tue nur deine Pflicht«, müssen wir auch vier andere Dinge sagen.

Erstens müssen wir sagen, dass Freude Teil unserer Pflicht ist. Die Bibel sagt: »Freut euch allezeit!« (1. Thessalonicher 5,16). Und in Bezug aufs Geben sagt die Bibel: »Einen fröhlichen Geber liebt Gott« (2. Korinther 9,7). In Bezug auf den Dienst sagt sie: »Dient dem HERRN mit Freuden!« (Psalm 100,2). In Bezug auf die Pflicht der Barmherzigkeit sagt sie, dass wir sie »mit Freudigkeit « tun sollen (Römer 12,8). In Bezug auf die Pflicht der Versuchungen sagt sie: »Haltet es für lauter Freude« (Jakobus 1,2). Wir schwächen das göttliche Gebot ab, wenn wir jemanden zu seiner halben Pflicht aufrufen.

Das Zweite, was wir sagen müssen, wenn wir einem untröstlichen Menschen sagen, er solle »seine Pflicht tun«, ist, dass er beim Verrichten seiner Arbeit wahrscheinlich Buße tun und die Sünde des schwermütigen Glaubens bekennen sollte. Ich sage »wahrscheinlich«, weil selbst in Fällen, in denen die Hauptursache eine physische ist, wahrscheinlich auch ein Element des sündigen Stolzes und Selbstmitleids damit vermischt ist. Mir ist bewusst, dass sich das nach einer zusätzlichen Last für den Menschen in geistlicher Dunkelheit anhört. Aber es ist keine zusätzliche Last. Wenn es überhaupt eine Last ist, dann ist diese Last schon da und wird nicht zusätzlich, wenn wir sie beim Namen nennen. Das Versäumen, sich an Gott zu erfreuen, ist Sünde, wenn uns diese Freude geboten wird. Falscher Trost führt zu unechter Heilung. Aber die wahrsten Diagnosen führen zu den tiefsten Heilungen. Deshalb sagen wir zu den Untröstlichen: »Wenn du kannst, steige aus deinem Bett und bereite ein Mahl zu oder kehre ein Zimmer oder mache einen Spaziergang oder besuche einen Freund oder gehe zur Arbeit. Aber es ist nicht gleichgültig, ob du dies mit Freude an Gott tust, und wenn du das nicht kannst, dann sage es Gott, und sag ihm, dass es dir Leid tut. Er wird dich gnädig hören und dir vergeben.« 

Werden Sie ein Heuchler sein, wenn Sie ohne Freude gehorsam sind?

Das führt uns zur dritten Sache, die wir zusammen mit »Tue deine Pflicht« sagen sollten. Wir sagen: Während es Ihnen möglich ist, einen Teil Ihrer Pflicht zu tun, bitten Sie Gott darum, dass die Freude wiederkommen möge. Das heißt: Sitzen Sie nicht einfach da und warten auf die Freude und sagen: »Ich werde ein Heuchler sein, wenn ich heute eine Tat der Barmherzigkeit ausübe, da ich nicht die Freude der Barmherzigkeit fühle.« Nein, Sie werden kein Heuchler sein, wenn Sie wissen, dass Freude Ihre Pflicht ist, und für diesen Mangel Buße tun und Gott ernsthaft bitten, die Freude wiederherzustellen, selbst während Sie dabei sind, die Tat auszuüben. Das ist nicht die Art, auf der ein Heuchler denkt. Das ist, wie ein wahrer Christ im Kampf um Freude denkt.

Und das Vierte, was wir sagen, wenn wir dem deprimierten Christen raten, sich aufzumachen, etwas Gutes zu tun, ist: »Vergiss nicht, Gott beim Arbeiten zu danken, dass er dir wenigstens den Willen zum Arbeiten gegeben hat.« Sagen Sie nicht: »Aber es ist heuchlerisch, Gott mit meiner Zunge zu danken, wenn ich mich nicht in meinem Herzen dankbar fühle.« Es gibt so etwas wie heuchlerische Danksagung. Diese Danksagung hat zum Ziel, Undankbarkeit zu verbergen und Menschenlob zu empfangen. Das ist nicht Ihr Ziel. Wenn Sie mit Ihrer Zunge Worte der Dankbarkeit sprechen, dann ist es Ihr Ziel, dass Gott gnädig sei und Ihre Worte mit der Emotion wahrer Dankbarkeit fülle. Sie suchen kein Menschenlob; Sie sehen die Barmherzigkeit Gottes. Sie verbergen nicht die Härte der Undankbarkeit, sondern hoffen auf das Wirken des Heiligen Geistes.

Danksagung mit dem Mund weckt Dankbarkeit im Herzen

Des Weiteren sollten wir den verzweifelnden Heiligen wahrscheinlich fragen: »Kennst du dein Herz so gut, dass du dir sicher sein kannst, dass die Worte des Dankes keine Spur der Dankbarkeit in sich haben?« Ich zum Beispiel misstraue der eigenen Beurteilung meiner Motive. Ich bezweifle, dass ich meine guten Motive gut genug kenne, um alle Spuren der Verunreinigung zu sehen. Und ich bezweifle, dass ich meine schlechten Motive gut genug kenne, um die Spuren der Gnade zu sehen. Deshalb ist es nicht Torheit für einen Christen, anzunehmen, dass es einen Rest an Dankbarkeit in seinem Herzen gibt, wenn er von Gottes Güte spricht oder singt, selbst wenn er wenig oder gar nichts fühlt.

Dazu sollte man sagen, dass die Erfahrung zeigt, dass das Richtige zu tun, wie ich es beschrieben habe, oft der Weg dazu ist, um in der richtigen Verfassung zu sein. Darum gibt Baxter dem bedrückten Christen diesen weisen Rat:

Entscheiden Sie sich dazu, den größten Teil Ihrer Zeit mit der Danksagung und dem Lobpreis Gottes zu verbringen. Wenn Sie es nicht mit der Freude tun können, die Sie haben sollten, dann tun Sie es so, wie Sie es können. Sie haben keine Macht über Ihr Wohlbefinden, aber haben Sie denn keine Macht über Ihre Zunge? Sagen Sie nicht, dass Sie zur Danksagung und zum Lobpreis ungeeignet sind, außer wenn Sie ein preisendes Herz hätten und zu den Kindern Gottes gehörten, denn jeder Mensch, gut oder böse, ist verpflichtet, Gott zu preisen und dankbar zu sein für alles, was er empfangen hat, und dies so gut zu tun, wie er kann, anstatt es unerledigt zu lassen. … Es zu tun, wie man kann, ist der Weg, um es besser tun zu können. Danksagung weckt Dankbarkeit im Herzen.[19]

Hindert Sünde, die noch nicht bekannt wurde, unsere Freude?

Es kann sein, dass ein Teil der Ursache der geistlichen Dunkelheit Sünde ist, die wir nicht loslassen wollen. Ich bin die ganze Zeit in diesem Buch davon ausgegangen, dass das Streben nach Freude einen Hass auf Sünde beinhaltet. Sünde zerstört Freude. Sie bietet trügerische Freuden, aber letztendlich tötet sie. Im Umgang mit unserer Sünde können wir zwei Fehler machen. Ein Fehler ist, die Sünde leicht zu nehmen. Der andere Fehler ist, davon überwältigt zu sein. Im Kampf um Freude müssen wir Sünde ernst nehmen, sie hassen, sie aufgeben und Christus als unseren einzigen Retter von ihrer Schuld und Macht vertrauen.

Einer der Gründe, warum einige Menschen an längeren Zeiten der Dunkelheit leiden, ist die mangelnde Bereitschaft, eine gehegte Sünde aufzugeben. Jesus, der Apostel Petrus und König David sprachen alle davon, wie nicht bekannte Sünde unserer Freude an Gott im Wege steht. Jesus sagte: »Wenn du nun deine Gabe darbringst zu dem Altar und dich dort erinnerst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar und geh vorher hin, versöhne dich mit deinem Bruder; und dann komm und bring deine Gabe dar!« (Matthäus 5,23-24). Wir machen unsere Freude an Gott zunichte, wenn wir uns weigern, unsere Vergehen gegenüber anderen Menschen zu bekennen. Petrus brachte dies in Beziehung zur Ehe und sagte, dass wenn ein Mann gegen seine Frau sündigt, seine Gebete verhindert würden (1. Petrus 3,7). Wenn wir die Freude daran haben wollen, Gott in Christus zu sehen und zu genießen, dann dürfen wir keinen Frieden mit unseren Sünden schließen. Wir müssen Krieg gegen sie führen.

Hören Sie auf die Erfahrung von David, die er hatte, weil er die Sünde in seinem Leben nicht bekannte und nicht aufgab: »Glücklich der Mensch, dem der HERR die Schuld nicht zurechnet und in dessen Geist kein Trug ist! Als ich schwieg, zerfielen meine Gebeine durch mein Gestöhn den ganzen Tag« (Psalm 32,2-3). Diese Worte sind voller Hoffnung. Wir können an unserer Sünde festhalten, sie geheim halten und in Dunkelheit »den ganzen Tag stöhnen« – oder wir können sie bekennen und die hinreißende Erfahrung haben von dem »Menschen, dem der HERR die Schuld nicht zurechnet«.

Die fast unglaubliche Hoffnung des Bekennens und des Aufgebens der Sünde ist, dass der Herr uns dann nicht die Sünde vors Gesicht hält, sondern sie ausstreicht. Er rechnet sie uns nicht zu. Nach Jesu Tod auf Golgatha wissen wir, wie Gott das mit Gerechtigkeit tun kann. Christus hat den Zorn Gottes für diese Sünde ertragen (Galater 3,13). Wir müssen das nicht tun. Die Rechnung ist bezahlt. Deshalb sollten wir keine Angst haben, irgendeine gehegte Sünde zu bekennen und loszulassen. Die Schande wird uns nicht verfolgen. Christus kleidet uns mit seiner eigenen Gerechtigkeit (2. Korinther 5,21).

Bekenntnis zu Gott und zu Menschen ist süße Freiheit

Wenn wir sowohl über die tiefe, unbewusste Verdorbenheit unserer Seele als auch über die überheblichen Sünden unseres Willens nachdenken, sollten wir die Worte aus Psalm 19,13-14 beten: »Verirrungen – wer bemerkt sie? Von den verborgenen Sünden sprich mich frei! Auch von Übermütigen halte deinen Knecht zurück; lass sie mich nicht beherrschen!« Wir haben verborgene Sünden, die wir noch nicht einmal bekennen können, weil wir nicht wissen, worin sie bestehen. Und wir haben Sünden, die wir kennen. Es ist gut zu wissen, dass es ein biblisches Gebet gibt, das beides behandelt. »Sprich mich frei« von den Sünden, über die ich nichts weiß (durch Christi Blut), und »halte deinen Knecht zurück« von den Sünden, über die ich weiß (durch Christi Kraft). Wenn Sie an Sünde festhalten, anstatt sie aufzugeben und dagegen zu kämpfen, dann wird die Dunkelheit bleiben, als ein hartes, aber barmherziges Zeugnis vom Hegen von Götzen.

Geben Sie sich nicht damit zufrieden, Ihre Sünde zu Gott zu flüstern. Das ist gut. Sehr gut. Aber er bietet uns etwas mehr: »Bekennt nun einander die Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet!« (Jakobus 5,16). Es gibt eine Befreiung und eine Heilung, die kommt, wenn Sie nicht nur gegenüber Gott im verborgenen Raum Ihres Herzens bekennen, sondern auch gegenüber einem vertrauten Freund oder dem Menschen, gegen den Sie gesündigt haben. Die zarten Worte »Es tut mir Leid, vergibst du mir?« sind einer der sichersten Wege zur Freude.

Zeigen Sie dem Teufel seine Grenzen

Wenn Sie nach der Rolle des Teufels in Ihrer Dunkelheit fragen, antworte ich: Zeigen Sie ihm seine Grenzen. Er und seine Dämonen sind immer beschäftigt, nicht nur manchmal. Die Tatsache seiner Belästigung ist nichts Außerordentliches. Paulus sieht es als einen normalen Teil der christlichen Kriegsführung an und sagt deshalb: »Ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle feurigen Pfeile des Bösen auslöschen könnt!« (Epheser 6,16). Petrus rät uns: »Seid nüchtern, wacht! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann. Dem widersteht standhaft durch den Glauben« (1. Petrus 5,8-9). Das ist alles normal. Aber das Ausmaß seiner Belästigung wechselt, es liegt irgendwo zwischen leichter Versuchung und sogar Mord. Jesus nennt ihn einen »Menschenmörder von Anfang an« (Johannes 8,44). Er hat die Macht, schmerzhafte Verfolgung hervorzurufen und sogar Christen zu töten (Offenbarung 2,10).

Aber im Angesicht von Satans Angriffen gibt es drei große Gründe für Zuversicht. Ein Grund ist, dass Satan nichts ohne Gottes souveräne Erlaubnis tun kann (Hiob 1,12; 2,6), die von Gottes unendlicher Weisheit und Liebe seines Bundes geleitet wird. So werden Satans Diener zu Gottes heiligenden Gesandten (2. Korinther 12,7-10). Also selbst wenn Satan bei Ihrer Dunkelheit seine Hände im Spiel hat, ist er nicht frei, mehr zu tun, als Ihr himmlischer Vater erlaubt, und Gott wird es zu Ihrem Guten wenden (Lukas 22,31-32).

Zweitens wurde der entscheidende Schlag gegen Satans zerstörerische Macht durch den Tod Jesu für unsere Sünden versetzt (Kolosser 2,15; Hebräer 2,14). Das bedeutet, dass Satan uns belästigen und sogar töten kann, aber er kann uns nicht zerstören. Nur unvergebene Sünde kann die menschliche Seele verdammen. Wenn Christus alle unsere Sünde mit seinem Blut bedeckt hat und wenn Gott uns die vollkommene Gerechtigkeit Christi zurechnet, dann hat Satan keinen Grund für irgendeine verdammende Anklage, und seine Anschul digungen gegen uns scheitern im Gerichtssaal des Himmels. »Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt. Wer ist, der verdamme? Christus Jesus ist es, der gestorben … ist« (Römer 8,33-34).

Der Teufel kann das Licht der hochgehaltenen Wahrheit nicht ertragen

Drittens kommt Befreiung von Satans bedrückendem, verdüsterndem und betrügendem Werk im Leben des Christen meistens durch die Kraft der Wahrheit, und nur selten durch Exorzismus. Ich habe dämonische Besessenheit gesehen und habe an einem sehr dramatischen Exorzismus teilgenommen. Ich glaube nicht, dass jener Mensch vor der Befreiung ein Christ war. Die vollständige Übernahme der Persönlichkeit durch einen Dämon ist nicht etwas, was der Heilige Geist in dem von Christus bewohnten Herzen erlauben würde. Aber diese Unterscheidung mag für den Christen, der von allen Seiten angegriffen und belästigt wird, nicht von großer Bedeutung sein. Der Kampf kann heftig sein. Was normalerweise gebraucht wird, ist der Dienst gemäß 2. Timotheus 2,24-26.

Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern gegen alle milde sein, lehrfähig, duldsam, und die Widersacher in Sanftmut zurechtweisen und hoffen, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit und sie wieder aus dem Fallstrick des Teufels heraus nüchtern werden, nachdem sie von ihm gefangen worden sind für seinen Willen.

Sanftmütiges, liebendes Lehren der Wahrheit ist der Prozess, in dem Gott selbst Buße und eine Erkenntnis der Wahrheit gibt, die zu einer Befreiung aus der Gefangenschaft des Teufels führt. Der Teufel kann Wahrheit und Licht nicht ertragen. Er ist von Natur aus ein Lügner und ein Betrüger. Er blüht in der Dunkelheit auf. Wenn wir also durch Gottes Gnade die ganze Kraft der Wahrheit in der Dunkelheit des Gläubigen zum Leuchten bringen können, dann wird der Teufel das Licht nicht ertragen können. Gute biblische Lehre ist ein entscheidender Teil der Befreiung von der dunklen Macht des Teufels.[20]

Die Dunkelheit, die von Selbstbezogenheit lebt

Manchmal existiert die Dunkelheit unserer Seele zum Teil aufgrund der Tatsache, dass wir zu Lebensweisen abgedriftet sind, die zwar nicht unverhohlen sündig, aber verengt und gleichgültig sind. Unsere Welt ist zu nur speziellen Sorgen über uns und unsere Familien geschrumpft. Ethik hat sich von globalen Sorgen über Gerechtigkeit und Barmherzigkeit und Mission zu kleinen Listen von schlechten Dingen verringert, die zu vermeiden sind. Wir werden nicht für eine große Sache motiviert, sondern denken immer daran, wie wir unsere Freizeit maximal ausdehnen und dem Druck ausweichen können. Ganz unbewusst sind wir zu Menschen geworden, die sehr mit sich selbst beschäftigt sind – und die blind und gleichgültig sind gegenüber dem Schmerz und dem Leid in der Welt, das viel schlimmer ist als unser eigenes.

Paradoxerweise mögen deprimierte Personen sagen, dass sie sich um sich selbst kümmern müssten und nicht die Probleme der Welt auf sich nehmen könnten, auch wenn es in Wirklichkeit so sein kann, dass ihre Depression von der nach innen gerichteten Einstellung ihres Lebens lebt. Das ist mir bewusst geworden, als Bill Leslie vor einigen Jahren nach Minneapolis kam und seine Geschichte erzählte. Bill Leslie war von 1961 bis 1989 Pastor der LaSalle Street Church in Chicago, Illinois. Er starb 1993 im Alter von 61 Jahren an einem Herzinfarkt. Sein Dienst im städtischen Leben Chicagos war von einer Sorge für die ganze Person gekennzeichnet. In einem Artikel über »mitfühlenden Evangelikalismus« wurde Leslie in Christianity Today unter den »frühen Leitern des holistischen (= ganzheitlichen) Dienstes«[21] aufgeführt.

Wie Bill Leslie zu einem bewässerten Garten und einer Wasserquelle wurde

Er erzählte von einem Zusammenbruch, den er hatte, und wie ein geistlicher Mentor ihn auf Jesaja 58 hinwies. Er sagte, dass die Verse 10 und 11 ihn aus einer Zeit der Dunkelheit retteten, die von Gefühlen der Erschöpfung, der Verausgabung und eines aussichtslosen Dienstes gekennzeichnet war. Der Bibeltext lautet:

Wenn du dem Hungrigen dein Brot darreichst und die gebeugte Seele sättigst, dann wird dein Licht aufgehen in der Finsternis, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Und beständig wird der HERR dich leiten, und er wird deine Seele sättigen an Orten der Dürre und deine Gebeine stärken. Dann wirst du sein wie ein bewässerter Garten und wie ein Wasserquell, dessen Wasser nicht versiegen.

Was Pastor Leslie so sehr beeindruckte, war die Tatsache, dass Gott verspricht: Wenn wir uns für andere ausschütten, dann wird er uns wie einen »bewässerten Garten« machen – das heißt, wir werden das Wasser empfangen, das wir für Erfrischung und Freude benötigen. Aber noch mehr: Wir werden so zu einem »Wasserquell«, dessen Wasser nicht versiegen – für andere, für den anspruchsvollen, erschöpfenden, auslaugenden Dienst des städtischen Selbst-Gebens. Er sah, dass es Gottes Weg war, die Dunkelheit zu heben und sie in Licht zu verwandeln, »wenn du dem Hungrigen dein Brot darreichst und die gebeugte Seele sättigst«. Das gab ihm eine göttliche Lebensweise, die ihn durch seine Krise brachte und ihn für den Rest seiner Tage weitergehen ließ.

Gott hat uns so gemacht, dass wir gedeihen, wenn wir uns für andere verausgaben. Jesus sagte: »Geben ist seliger als Nehmen« (Apostelgeschichte 20,35). Die meisten von uns entscheiden sich nicht gegen dieses Leben des Ausschüttens; wir driften davon ab. Wir verwechseln druckvolles Familienleben und Stress auf der Arbeit mit christlichem Opfer, wenn in der Tat viel davon wenig damit zu tun hat, die Bedürfnisse der Hungernden und der Leidenden und der Verlorenen zu stillen.

Bitte hören Sie mir genau zu. Das ist nicht die Diagnose für alle Depression oder Entmutigung. Wenn das so wäre, dann würden solche Diener, die sich selbst geben, niemals deprimiert sein. Aber sie sind es. Mein Punkt ist, dass eine der Ursachen für die Dunkelheit von einigen Menschen eine langsam kriechende Selbstbezogenheit und Engstirnigkeit ist. Und die Heilung könnte ein allmähliches Annehmen einer »Vision« des Lebens sein, die viel größer als unsere gegenwärtigen Sorgen ist. Einige Dinge müssen vielleicht aus unserem Zeitplan herausgenommen werden. Aber wenn Gesundheit und Freude wieder einkehren, könnten wir zu mehr fähig sein, als wir uns jemals erträumt haben.

Die Antwort meines 85-jährigen Vaters, die noch fehlte

Ich möchte insbesondere die Leben gebende und Freude produzierende Auswirkung erwähnen, die die Folge dessen ist, wenn man seinen Glauben in Wort und Tat mit Ungläubigen teilt. Vor ein paar Tagen sprach ich mit meinem 85- jährigen Vater und sagte: »Papa, ich bin dabei, ein Buch darüber zu schreiben, wie man um Freude kämpfen kann. Was für eine Sache käme dir nach 60 Jahren des Dienstes in den Kopf, wenn man dich fragen würde, was Christen tun können, um mehr Freude zu bekommen?« Fast ohne Zögern sagte er: »Ihren Glauben teilen.« Freude an Christus gedeiht, wenn sie geteilt wird. Das ist das Wesen der christlichen Freude: Sie fließt über – oder stirbt.

Millionen von Christen leben mit einem gewissen Schuldgefühl dafür, dass sie Christus nicht öffentlich mit ihren Worten loben. Sie versuchen, sich selbst davon zu überzeugen, dass es ein Zeugnis für Christus ist, wenn sie ein moralisch gutes Leben führen. Das Problem bei dieser Vorstellung liegt darin, dass Millionen von Ungläubigen ein moralisch gutes Leben führen. Christen werden – und sollten – sich weiterhin schuldig fühlen, wenn sie ihren Glauben nicht teilen. Christus ist die herrlichste Person in der Welt. Seine Errettung ist unendlich wertvoll. Jeder auf der Welt braucht sie. Schreckliche Konsequenzen warten auf diejenigen, die nicht an Jesus glauben. Durch die Gnade allein haben wir ihn gesehen, haben wir ihm geglaubt und lieben ihn jetzt. Wenn wir also nicht Ungläubigen von Christus erzählen und uns nicht um unsere Stadt oder die unerreichten Völker der Welt kümmern, dann ist das dem Wert Christi, der Notlage der Menschen und unserer Freude so sehr entgegengesetzt, dass es jeden Tag eine stille Botschaft an unsere Seele sendet, die sagt: »Dieser Retter und diese Errettung bedeuten dir nicht so viel, wie du behauptest.« Es ist unmöglich, angesichts dieser anhaltenden Botschaft große Freude an Christus zu wahren.

Es ist das Ziel, dass unsere Freude an Christus in unseren Worten überfließt

Mir ist wiederum bewusst, dass das wie eine zusätzliche Schuld für die deprimierte Person erscheinen kann. Sie ist nicht zusätzlich. Sie ist schon da. Sie zu verbergen wäre wie wenn man die Diagnose der Krankheit einer Person verheimlicht. Jesus sagte fürchterliche Dinge, und sie zu verheimlichen wird niemandem letztendlich helfen. »Jeder nun, der sich vor den Menschen zu mir bekennen wird, zu dem werde auch ich mich bekennen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist. Wer aber mich vor den Menschen verleugnen wird, den werde auch ich verleugnen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist« (Matthäus 10,32-33). Das war von Jesus nicht als schwere Last oder hartes Joch gedacht. »Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ›ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen‹; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht« (Matthäus 11,28-30).

Was das Evangelium zu einer guten Nachricht macht, ist nicht, dass Christus in unserem vom Fernsehen erfüllten Leben abgeschoben werden kann, ohne dass wir Freude verlieren. Die gute Nachricht ist, dass Gott geduldig ist und bereit ist, zu vergeben und mit uns immer wieder von neuem anzufangen. Ein deprimierter Mensch kann nicht einfach herausgehen und die Freude am Herrn verkündigen. Aber nach und nach kann ein Leben auf Gnade und Vergebung gebaut werden, das zu dem Punkt kommt, wo ein Fürsprecher und Zeuge für Jesus zu sein wie Atmen ist – und genauso Leben gebend. Es ist ein Kampf darum, sich so sehr an Christus zu erfreuen, dass diese Freude sich so sehr steigert und überfließt, dass wir von ihm reden.[22]

Ist die Sache, für die Sie leben, groß genug für Ihr Christus erhebendes Herz?

J. Campbell White, Sekretär von Laymen’s Missionary Movement, sagte im Jahr 1909:

Die meisten Menschen sind nicht mit dem Gesamtergebnis ihres Lebens zufrieden. Nichts kann das Leben Christi in seinen Nachfolgern vollkommen befriedigen, außer der Übernahme des Vorhabens Christi für die Welt, für die er gekommen ist, um sie zu erlösen. Ruhm, Vergnügen und Reichtum sind nur Hülsen und Asche im Kontrast zu der grenzenlosen und bleibenden Freude daran, mit Gott für die Erfüllung seiner ewigen Pläne zusammenzuarbeiten. Die Menschen, die alles für das Unternehmen Christi geben, bekommen im Leben die süßesten und unbezahlbarsten Belohnungen.[23]

Inmitten der Dunkelheit können Heilige keine Kraft haben, solchen globalen Träumen nachzugehen. Aber in der Barmherzigkeit Gottes kann es sein, dass während wir auf das Licht warten, wir das unzureichend tun, was wir liebend gern gut tun möchten. Vielleicht können wir einen kurzen Artikel über die Gemeinde in China lesen. Oder eine Kassette über einen Missionar hören, der viel für das Evangelium gelitten hat. Oder einer Missionarsfamilie einen kurzen Brief schreiben mit einigen Zeilen darüber, wie wir an der Gnade hängen, und mit einem kurzen Gebet für sie.

Diejenigen lieben, die das Licht nicht sehen können

Für die meisten Menschen, die durch die dunkle Nacht der Seele gehen, wird die Wende kommen, weil Gott Menschen in ihr Leben bringt, die Christus sehr lieben und sie nicht aufgeben. Überall in Richard Baxters Predigt über die Ursachen und Heilmittel der Melancholie sind Ratschläge für die Gemeinde verstreut, wie sie die Lasten der Deprimierten tragen kann. Er sagt zum Beispiel: »Geben Sie ihnen oft die großen Wahrheiten des Evangeliums, die am geeignetsten sind, sie zu trösten; und lesen Sie ihnen informierende, tröstende Bücher vor; und leben Sie auf eine liebende, fröhliche Weise mit ihnen.«[24] Wenn deprimierte Heilige nicht die Bibel oder ein gutes Buch lesen können, dann sollten wir ihnen sie vorlesen.

Die wunderbare Gnade der Sorge John Newtons für Cowper

Ein großes Beispiel der beharrlichen Liebe für einen depressiven Freund ist John Newton[25], der englische Pastor, der das Lied »Amazing Grace« (»O Gnade Gottes, wunderbar«) schrieb. Er war einer der gesündesten, glücklichsten Pastoren des 18. Jahrhunderts. Das erwies sich als Leben gebend – bis zu einem gewissen Grad – für einen selbstmörderischen Dichter namens William Cowper, der einige der bekanntesten englischen Kirchenlieder schrieb. Newton hatte tief aus der Quelle der Gnade, dem Kreuz Jesu Christi, getrunken. Er war voller Freude und hatte Überfluss für diejenigen, die nicht voller Freude waren. Um ein Gefühl davon zu bekommen, was für eine Art Mensch Newton war, hören Sie dieses Zeugnis, das er darüber schrieb, wie er seine Tage verbrachte:

Es gibt einen Haufen der menschlichen Glückseligkeit und einen der Not; wenn ich jetzt nur den kleinsten Teil von dem einen Haufen nehmen und dem anderen Haufen hinzufügen kann, dann habe ich etwas erreicht. Wenn ich auf dem Heimweg einen Cent finde, den ein Kind verloren hat, und wenn ich ihn einem anderem Kind gebe und so seine Tränen abwischen kann, dann fühle ich, dass ich etwas erreicht habe. Ich wäre froh, größere Dinge zu tun, aber ich werde dieses nicht vernachlässigen. Wenn ich ein Klopfen an der Tür meines Arbeitszimmers höre, dann höre ich eine Botschaft von Gott; es könnte eine Lektion der Anweisung sein, vielleicht eine Lektion der Buße; aber da es seine Botschaft ist, muss sie interessant sein.[26]

1767, im Alter von 36 Jahren, kam William Cowper in das Leben von Newton, als Newton Pastor in Olney war. Cowper hatte bereits einen kompletten geistigen Zusammenbruch und drei Selbstmordversuche hinter sich. Er wurde in der Irrenanstalt von St. Alban aufgenommen, wo Gott ihm auf mächtige Weise durch die liebende Fürsorge von Dr. Nathaniel Cotton begegnete, und er hatte eine bekehrende Begegnung mit dem Evangelium in Römer 3,25:

Sofort bekam ich die Kraft zum Glauben, und die vollen Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit schienen auf mich. Ich sah die Vollkommenheit seiner Versöhnung, meine Vergebung in seinem Blut versiegelt und all die Fülle und Vollkommenheit seiner Rechtfertigung. In einem Augenblick glaubte ich und empfing das Evangelium.[27]

Nach seiner Entlassung aus St. Alban zog Cowper bei der Familie Unwin ein, in einer Gemeinde nahe Olney. Als der Vater der Familie starb, kam Newton vorbei, um sie zu trösten. Cowper wurde durch das, was er hörte, so sehr geholfen, dass er und Frau Unwin nach Olney zogen, um Teil von Newtons Gemeinde zu sein. Für die nächsten dreizehn Jahre pflegte Newton den aufgewühlten Garten der Seele von Cowper. Cowper sagte: »Niemand hatte jemals einen aufrichtigeren und liebevolleren Freund.«[28]

Als er dort war, kam Cowper in eine Zeit der geistlichen Verzweiflung, die ihn völlig von Gott verlassen und verloren fühlen ließ. Das hielt für die größte Zeit seines Lebens an, bis er im Jahr 1800 starb. Es gab nochmals wiederholte Selbstmordversuche, und jedes Mal hinderte Gottes Vorsehung ihn daran. Newton stand bei all diesem an seiner Seite und gab mindestens einen Urlaub auf, damit er Cowper nicht allein lassen müsste.

1780 verließ Newton Olney wegen eines neuen Amtes als Pastor in London, wo er für die nächsten 27 Jahre diente. Er verdient Anerkennung dafür, dass er seine Freundschaft mit Cowper nicht aufgab, auch wenn dies emotional zweifellos einfach gewesen wäre. Stattdessen gab es zwanzig Jahre lang einen ernsthaften Briefwechsel. Cowper schüttete Newton seine Seele aus, so wie er es bei niemand anders tat.

Die letzten Tage in Cowpers Leben brachten keine Erleichterung. Es gab kein glückliches Ende. Im März 1800 sagte Cowper zu dem besuchenden Arzt: »Ich fühle unaussprechliche Verzweiflung.« Am 24. April bot Miss Perowne ihm eine Erfrischung an, worauf er erwiderte: »Was kann es bedeuten?« Er sprach nie wieder und starb am nächsten Nachmittag.[29]

Bis zum Ende blieb Newton Cowpers Pastor und Freund, der ihm immer wieder Briefe schrieb und ihn besuchte. Er verzweifelte nicht an der Verzweiflung. Nach einem dieser Besuche im Jahr 1788 schrieb Cowper:

Der Trost, der früher unsere Gespräche versüßte, wurde bei deinem Besuch zum Teil wiederhergestellt. Ich kannte dich; kannte dich als den gleichen Hirten, der mich aus der Wildnis zur Weide führte, wo der Oberhirte seine Herde nährt, und fühlte meine Empfindungen der liebevollen Freundschaft zu dir wie stets zuvor.[30]

Es ist keine verschwendete Arbeit, diejenigen ohne Licht zu lieben

Sie können einen deprimierten Menschen nicht davon überzeugen, dass er nicht verkommen ist, wenn er vollkommen davon überzeugt ist, dass er es ist. Aber Sie können an seiner Seite stehen. Und wie Newton es für Cowper tat, können Sie ihn ständig in »das Wohlwollen, die Gnade, die Güte und das Mitgefühl« von Jesus eintauchen, sowie in »die Vollkommenheit der Versöhnung« und in »die Fülle und Vollkommenheit der Rechtfertigung Christi«.[31] Er mag sagen, dass das alles wundervoll ist, aber nicht für ihn zutrifft – wie Cowper es tat. Aber zu Gottes Zeit können diese Wahrheiten die Kraft bekommen, Hoffnung zu erwecken und uns bereitmachen, die Versöhnung anzunehmen. Oder selbst wenn es keine Anzeichen des Friedens gibt, können sie auf eine geheimnisvolle Weise gebraucht werden, um das Senfkorn des Glaubens zu erhalten, das so klein ist, dass man es nicht sehen kann.

Ich kenne das Ergebnis von Cowpers Kampf um Freude nicht. Aber ich weiß, dass wahre Heilige durch dunkle Zeiten gehen, und sollten sie inmitten von einer solchen Zeit sterben, dann ist dies kein sicheres Zeichen dafür, dass sie nicht von neuem geboren waren oder dass sie in ihrer Dunkelheit nicht von der souveränen Hand der Gnade getragen wurden. Gott hat seine Gründe dafür, warum er eines seiner Kinder sich so verlassen fühlen lässt – genauso wie er seine Gründe für den Märtyrertod hat (Johannes 21,19). Manchmal können wir diese Gründe erkennen, manchmal nicht.

Gaius Davies erzählt die folgende Geschichte:

Winston Churchill sprach oft von seinem »schwarzen Hund«: Er überlebte, obwohl er für einen großen Teil seines Lebens von Depression verfolgt wurde. Einige haben gesagt, dass Churchill im Alter von 60 Jahren nur deshalb diejenigen aufmuntern konnte, die sich von der Bedrohung der Nazis überwältigt fühlten, weil er sich seinen eigenen »schwarzen Zeiten« stellte. Seine eigene Erfahrung der Trübsal befähigte ihn dazu, ein Anführer zu sein, der half, die Welt von der Dunkelheit der Tyrannei zu retten.[32]

Aber Cowper lebte nicht, um eine Nation in einen siegreichen Krieg zu führen. Er starb jämmerlich. Welchen Zweck hatte sein »schwarzer Hund«? Es liegt nicht an uns, dieses letzte Urteil zu fällen. Aber ich möchte ein kleines Zeugnis ablegen. Ohne seine Mühen hätte er wahrscheinlich nicht »Es ist ein Born, draus heilges Blut« geschrieben und Hoffnung zu Tausenden von Sündern gebracht, die befürchteten, sie hätten durch die Sünde ihr Leben verloren:

Der Schächer fand den Wunderquell, den Jesu Gnad ihm wies,
Und dadurch ging er rein und hell mit ihm ins Paradies.
Es quillt für mich dies teure Blut: das glaub und fasse ich;
Es macht auch meinen Schaden gut; denn Christus starb für mich.[33]

Und er hätte nicht »Gottes ungeahnte Wege« geschrieben und mir und vielen anderen damit durch Hunderte von Dickichten der Entmutigung geholfen:

Gottes ungeahnte Wege
Sind Wege seiner Wunder;
Er setzt seinen Fuß aufs Meer
Und lenkt der Stürme Heer.

In ungeahnten Tiefen
Der Weisheit großer Pracht
Entwirft er seine Pläne
Und wirkt in seiner Macht.

Ihr furchtsamen Heiligen, fasst neuen Mut;
Die Wolken, die so finster scheinen,
Sind gefüllt mit seiner Gnade,
Denn Gott meint es mit euch gut.

Seine Pläne reiften schnell heran,
Entfalten sich zu jeder Stunde;
Die Knospen mögen bitter sein,
Jedoch die Blüten schmecken süß im Munde.

Der Unglaube blind in die Irre geht,
Vergebens ist sein Mühen:
Gott selbst nur kann sein Wirken deuten,
Dass jeder es versteht.[34]

Bei solchen Worten gibt es ein Vermächtnis der teuren Barmherzigkeit. Die Worte sind um einen hohen Preis erkauft. Und deshalb erweisen sie sich als kostbar. So ist es mit jedem, der einem schwermütigen Heiligen zur Seite steht und ihm hilft, um Freude zu kämpfen.

William Cowper bezeugte, dass er das Vermächtnis von einem anderen Dichter und Pastor bekam – George Herbert, der 1633 im Alter von 39 Jahren starb. Cowper sagte: »Dies war der einzige Autor, den ich mit Freude las. Den ganzen Tag lang studierte ich ihn eifrig; und obwohl ich hier nicht fand, was ich suchte – eine Heilung für meine Krankheit –, war es doch so, dass mein Schmerz nie so sehr gelindert wurde, als wenn ich ihn las.«[35] Es ist daher nicht überraschend, dass ein Gedicht von Herbert dieses Kapitel und dieses Buch wundervoll zusammenfasst. Es heißt »Bitter Sweet« (»Bittersüß«). Ich hoffe, dass Sie es zweimal lesen werden – einmal um den Gedankenfluss richtig zu erfassen, und einmal laut (wie Dichtung gelesen werden sollte) wegen der Schönheit und der Bedeutung. Herbert wäre sehr glücklich, wenn Sie in Ihrem Kampf um Freude ermutigt wären.

O Herr der Liebe und des Zorns,
Da du liebest – und dennoch schlägst;
Niederschlägst – und doch Hilfe gibst;
So werde ich dasselbe tun.

Ich werde klagen, doch preisen;
Ich werde jammern – und loben:
All meine süß-sauren Tage
Werde ich trauern – und lieben.[36]

Auch der Apostel Paulus drückt für alle Heiligen, die in dieser gefallenen Welt des Schmerzes und des Leids um Freude kämpfen, aus, dass wir leben und dienen »als Traurige, aber allezeit uns freuend« (2. Korinther 6,10).


  1. George Herbert, »Bitter Sweet«, aus seiner Sammlung mit dem Titel The Temple (1633), zitiert aus: http://home.ptd.net/~gherber/Bittersweet.html (3.6.2004).
  2. Willem Teellinck, The Path of True Godliness, englische Übersetzung von Annemie Godbehere, Hrsg. Joel R. Beeke (gestorben 1629; Nachdruck: Grand Rapids: Baker, 2003); Richard Sibbes, The Bruised Reed (1630; Nachdruck: Edinburgh: Banner of Truth, 1998); William Bridge, A Lifting Up for the Downcast (1649; Nachdruck: Edinburgh: Banner of Truth, 1979); Jeremiah Burroughs, The Rare Jewel of Christian Contentment (1648; Nachdruck: Edinburgh: Banner of Truth, 1979); John Owen, The Mortification of Sin (1656; Nachdruck: Ross-shire: Christian Focus, 2002); John Owen, Communion with God (1657; Nachdruck: Edinburgh: Banner of Truth, 1992); Richard Baxter (gestorben 1691), »The Cure of Melancholy and Overmuch Sorrow by Faith and Physic«, in: Puritan Sermons 1659-1689, Bd. 3, Hrsg. Samuel Annesley (Wheaton: Richard Owen Roberts Publishers, 1981 [zu lesen im Internet: http://www.puritansermons.com/baxter/baxter25.htm]); Walter Marshall, The Gospel Mystery of Sanctification (1692; Nachdruck: Grand Rapids: Reformation Heritage Books, 1999); Henry Scougal, The Life of God in the Soul of Man (1739; Nachdruck: Ross-shire: Christian Focus, 1996); Jonathan Edwards, The Religious Affections (1746; Nachdruck: Edinburgh: Banner of Truth, 1986); Martyn Lloyd-Jones, Geistliche Krisen und Depressionen: Ursachen und Überwindung (Bad Liebenzell: Verlag der Liebenzeller Mission, 1983); Gaius Davies, Genius, Grief and Grace: A Doctor Looks at Suffering and Success (Ross-shire: Christian Focus, 2001); J.I. Packer, Faithfulness and Holiness: The Witness of J.C. Ryle (Wheaton: Crossway Books, 2002).
  3. Baxter, »The Cure of Melancholy«, S. 257.
  4. Ebd., S. 258.
  5. Ebd., S. 286.
  6. Lloyd-Jones, Geistliche Krisen und Depressionen, S. 18-19.
  7. Davies, Grief and Grace, S. 354.
  8. David Powlison, »Biological Psychiatry«, in: The Journal of Biblical Counseling 17 (Frühjahr 1999), S. 3-4.
  9. Ebd., S. 6.
  10. Edward T. Welch, Ist das Gehirn schuld? – Krankheit und Verhalten – eine biblische Sicht, Friedberg: 3L Verlag, 2004.
  11. Shankar Vedantam, »Against Depression, a Sugar Pill Is Hard to Beat«, in The Washington Post (7. Mai 2002): S. A01. Zitiert aus: www.washingtonpost. com/wp-dyn/articles/A42930-2002May6.html.
  12. Paul Gerhardt, »Befiehl du deine Wege« (1656), in: Gemeinschafts-Liederbuch (Gießen: Brunnen, 1989), S. 490-491.
  13. Für eine biblische und ausgewogene Behandlung des Themas der Gewissheit siehe Donald S. Whitney, How Can I Be Sure I’m a Christian? What the Bible Says About Assurance of Salvation (Colorado Springs: NavPress, 1994).
  14. Baxter, »The Cure of Melancholy«, S. 266, 278.
  15. Zwei hilfreiche Artikel über Depression und wie man denjenigen helfen kann, die damit kämpfen, sind: Edward T. Welch, »Counseling Those Who Are Depressed« und »Words of Hope for Those Who Struggle with Depression«, The Journal of Biblical Counseling 18, Nr. 2 (2000): S. 5- 31, 40-46.
  16. Baxter, »The Cure of Melancholy«, S. 282.
  17. Ebd., S. 36. Das Zitat ist in seinem Zusammenhang in der Predigt »The Eloi« zu sehen, unter http://www.johannesen.com/SermonsSeriesI.htm.
  18. Baxter, »The Cure of Melancholy«, S. 282.
  19. Ebd., S. 281.
  20. Eine sorgfältige und biblische Beurteilung der Rolle des Teufels im christlichen Leben, wie Jesus Krieg führte und wie wir es tun sollten, gibt es in dem folgenden Buch: David Powlison, Power Encounters: Reclaiming Spiritual Warfare (Grand Rapids: Baker, 1995).
  21. Joel Carpenter, »Compassionate Evangelicalism«, Christianity Today (Dezember 2003). Zitiert am 3.6.2004 aus http://www.christianitytoday. com/2003/012/2.40.html.
  22. Für biblische und ermutigende Hilfe in persönlicher Evangelisation siehe Will Metzger, Tell the Truth: The Whole Gospel to the Whole Person by Whole People, überarbeitete und erweiterte Auflage (Downers Grove: InterVarsity Press, 2002).
  23. J. Campbell White, »The Laymen’s Missionary Movement«, in Perspectives on the World hristian Movement, Hrsg. Ralph D. Winter und Steven C. Hawthorne (Pasadena: William Carey Library, 1981), S. 222.
  24. Richard Baxter, »The Cure of Melancholy«, S. 284.
  25. Mehr zu der Geschichte von Cowper und Newton in: John Piper, »›The Clouds Ye So Much Dread Are Big with Mercy‹: Insanity and Spiritual Songs in the Life of William Cowper«, in: The Hidden Smile of God: The Fruit of Affliction in the Lives of John Bunyan, William Cowper, and David Brainerd (Wheaton: Crossway Books, 2001), S. 81-122 (deutsche Ausgabe: Standhaft im Leiden, Bielefeld: Christliche Literatur-Verbreitung, 2006). Mehr zu Newton in: John Piper, »John Newton: The Tough Roots of His Habitual Tenderness«, in: The Roots of Endurance: Invincible Perseverance in the Lives of John Newton, Charles Simeon, and William Wilberforce (Wheaton: Crossway Books, 2002), S. 41-75.
  26. Gilbert Thomas, William Cowper and the Eighteenth Century (London: Ivor Nicholson and Watson, Ltd., 1935), S. 202.
  27. Ebd., S. 132.
  28. Ebd., S. 192.
  29. Ebd., S. 384.
  30. Ebd., S. 356.
  31. Ebd., S. 131-132.
  32. Davies, Genius, Grief and Grace, S. 13.
  33. William Cowper, »Es ist ein Born, draus heilges Blut« (1772), zitiert aus: Gemeinschafts-Liederbuch (Gießen: Brunnen, 1989), S. 325.
  34. William Cowper, »Gottes ungeahnte Wege« (1774), zitiert aus: John Piper, Sehnsucht nach Gott (Friedberg: 3L, 2005), S. 384.
  35. Davies, Genius, Grief and Grace, S. 103-104.
  36. Herbert, »Bitter Sweet«.